Dialyse aktuell 2022; 26(05): 212
DOI: 10.1055/a-1742-6416
Zum Thema

Angeborene Nierenerkrankungen

Max Christoph Liebau
1   Köln
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PD Dr. med. Max Christoph Liebau, Köln

Angeborene und genetische Nierenerkrankungen gehören zu den häufigsten Ursachen einer chronischen Nierenerkrankung im Kindes- und Jugendalter, insbesondere bei Patienten mit Bedarf eines Nierenersatzverfahrens. Die Fortschritte in der pädiatrischen Nephrologie und pädiatrischen Intensivmedizin haben dazu geführt, dass zunehmend Patienten mit schwerwiegenden angeborenen Nierenerkrankungen das Erwachsenenalter erreichen, sodass dieses Themengebiet zunehmend auch für internistische Nephrologen relevant wird. In der vorliegenden Ausgabe von „Dialyse aktuell“ wird der aktuelle Wissensstand auf 3 großen Gebieten der angeborenen Nierenerkrankungen dargestellt.

Bei der größten Gruppe von Patienten mit einer dialysepflichtigen chronischen Nierenerkrankung im Kindes- und Jugendalter liegen angeborene Anomalien der Nieren und ableitenden Harnwege vor (CAKUT: „Congenital Anomalies of the Kidney and the Urinary Tract“). Im CAKUT-Spektrum können renale und urogenitale Veränderungen isoliert oder in unterschiedlichen Kombinationen auftreten. PD Dr. Stefan Kohl, Köln, legt in seinem Artikel einen Schwerpunkt auf die bilaterale Nierendysplasie als hauptsächliche Ursache einer Nierenfunktionseinschränkung bei CAKUT-Patienten. Interessanterweise ist das Verständnis der Pathophysiologie der Nierendysplasie weiterhin begrenzt trotz neuer Einblicke z. B. in monogenetische CAKUT-Formen. Im Rahmen einer europäischen Initiative zu einem Konsensuspapier soll aktuell eine gemeinsame Grundlage für klinische Klassifikationen der Nierendysplasie und zukünftige translationale Forschungsinitiativen geschaffen werden.

PD Dr. Kathrin Burgmaier, Köln, behandelt das Thema der Zystennieren. Hierbei haben sich einerseits aus einer internationalen Registerstudie neue klinische Erkenntnisse zum Verlauf der autosomal-rezessiven polyzystischen Nierenerkrankung (ARPKD: „autosomal recessive polycystic kidney disease“) ergeben, welche die Grundlage für die Etablierung von 2 ersten Phase-III-Studien zur ARPKD im Kindes- und Jugendalter bilden. Am Beispiel der ARPKD lässt sich sehr deutlich nachvollziehen, wie mit zunehmendem Überleben der Patienten erweiterte Phänotypen klinisch relevant werden. So kommt der Leberbeteiligung bei jungen Erwachsenen mit ARPKD eine sehr relevante Bedeutung zu. Während die ARPKD somit von einer reinen Erkrankung des Kindesalters zunehmend auch zu einer Erkrankung von Erwachsenen wird, hat umgekehrt der Stellenwert einer Therapie von behandelbaren Risikofaktoren der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD: „autosomal dominant polycystic kidney disease“) im Kindes- und Jugendalter zugenommen. Hierzu konnten jüngst erste internationale Empfehlungen zum Umgang mit der ADPKD im Kindes- und Jugendalter etabliert werden.

Neue internationale Empfehlungen wurden kürzlich auch vom Europäischen Referenznetzwerk für seltene Nierenerkrankungen (ERKNet) für das kongenitale nephrotische Syndrom publiziert. Dr. Rasmus Ehren, Köln, fasst diese Empfehlungen in seinem Artikel zusammen. Ursache des kongenitalen nephrotischen Syndroms sind in vielen Fällen Varianten in Genen, die für Proteine der glomerulären Filtrationsbarriere kodieren. Die genetische Diagnostik hat in diesem Feld die Histologie als initiale Diagnoseform weitestgehend abgelöst. Die Einblicke in die genetischen Grundlagen dieses seltenen Krankheitsbilds haben wesentlich zum aktuellen Verständnis der glomerulären Physiologie beigetragen. In den vergangenen Jahren lässt sich eine Tendenz zu konservativeren und weniger aggressiven Therapieansätzen beim kongenitalen nephrotischen Syndrom verfolgen. Diese Aspekte finden sich in den aktuellen Empfehlungen wieder.

Wir hoffen, Ihnen mit der Zusammenstellung dieser Artikel einen spannenden Überblick über verschiedene Aspekte der sehr dynamischen pädiatrischen Nephrologie geben zu können!



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
21. Juni 2022

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