Pneumologie 2023; 77(04): 204-205
DOI: 10.1055/a-2019-1639
CAPNETZ

Ambulant erworbene Pneumonie durch bakterielle Erreger: Veränderungen der Pathogenhäufigkeit

In den letzten Jahren hat sich die Ätiologie der ambulant erworbenen Pneumonie durch die Pandemie stark gewandelt. Jedoch unterlag diese auch zuvor schon dynamischen Entwicklungen. Braeken et al. [1] beschreiben hier die Veränderungen der Häufigkeit bakterieller Pneumonie-Erreger in Deutschland über einen Zeitraum von 12 Jahren.

In der Infektionssaison 2022/23 haben virale respiratorische Erreger Hochkonjunktur, angeführt von Influenza, RSV und SARS-CoV-2 [2]. Jedoch zeigen Daten vor Beginn der COVID-19-Pandemie, dass insbesondere auch bakterielle Erreger einer ambulant erworbenen Pneumonie (community-acquired pneumonia, CAP) einem dynamischen Wandel unterliegen. Dies lässt sich anhand der Kohorte der CAPNETZ-Studie, einer longitudinalen multizentrischen Beobachtungsstudie zur CAP in Erwachsenen, über einen längeren Zeitraum beobachten.

Von insgesamt 4672 CAP-Patienten, die von 2004–2016 rekrutiert wurden und bei denen eine weitergehende mikrobiologische Diagnostik erfolgt war, konnte bei 21 % ein Erreger eindeutig nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich eine Verschiebung der Erregerhäufigkeiten über die Jahre mit klar sichtbarem Trend: Die CAP durch den am häufigsten vertretenen Erreger Streptococcus pneumoniae entwickelte sich über die Jahre stark zurück von 58,0 % in 2004 bis 37,5 % in 2016. Im Gegensatz hierzu stieg das Vorkommen von Haemophilus influenzae von 12,2 % in 2004 bis 20,8 % im Jahr 2016 an. Einmalig im Jahr 2011 war H. influenzae, mit ca. 35 % der CAP-Fälle, sogar häufiger nachgewiesen worden als S. pneumoniae. Auch der Anteil der Enterobakterien stieg von rund 13 % in 2004 auf 21 % in 2016. Bei anderen Erregern jedoch blieb das Vorkommen stabil, wie bei Pseudomonas aeruginosa, mit rund 4 % der Fälle.

Die zugrundeliegenden Ursachen für die beobachtete Entwicklung der Erregerhäufigkeiten sind wenig untersucht und bislang nicht vollständig verstanden. So können potenzielle CAP-Erreger auch kolonisierend im oberen Nasen-Rachen-Raum gefunden werden, ohne dass Krankheitssymptome vorliegen. Die Entstehung einer Lungenentzündung hängt also stark von den lokalen und systemischen Abwehrfunktionen des Patienten und der Kontrolle potenzieller Pathogene durch das umgebende Mikrobiom ab. Andere Arbeiten zeigen, dass Koinfektionen nicht selten sind – so finden sich bei 16 % der Pneumokokken-Pneumonien weitere Pathogene wie H. influenzae oder Influenza Virus A [3].

Eine mögliche Erklärung für den Rückgang der Pneumokokken findet sich durch die Einführung und Ausweitung der Pneumokokken-Schutzimpfungen. Ein Konjugat-Impfstoff gegen einige Serotypen von S. pneumoniae wird seit 2006 an Kleinkinder verimpft, wobei es zwischenzeitlich zu Neuerungen in der Impfempfehlung und zur Erweiterung des Serotypenspektrums der Vakzine kam. Der Anstieg von H. influenzae in einer vermehrt Pneumokokken-geimpften Bevölkerung suggeriert eine mögliche Übernahme der ökologischen Nische.

Ein limitierender Faktor, der sich in den allgemein geringen Zahlen der Erregernachweise unter CAP-Fällen in der CAPNETZ-Kohorte widerspiegelt, ist die Diagnostik. Braeken et al. weisen darauf hin, dass in der Klinik nur noch selten eine mikrobiologische Diagnostik zur Therapiesteuerung vollständig durchgeführt wird. Auch wenn die leitliniengerechte Behandlung der CAP anhand von epidemiologischen Daten initial erfolgt, wird eine adäquate Diagnostik insbesondere bei schweren CAP-Fällen weiterhin empfohlen. Technisch-methodische Neuerungen, die zu einer Beschleunigung der Diagnostik führen (z. B. Multiplex-PCR-basierte Verfahren) oder den Informationsgehalt drastisch erhöhen (z. B. Metagenome/Mikrobiom-Analysen) müssen hinsichtlich des klinischen Nutzens in der Diagnostik und Therapie der CAP-Ätiologie weiter untersucht werden [4].

Fazit

Streptococcus pneumoniae ist noch immer der häufigste bakterielle Erreger einer ambulant erworbenen Pneumonie (CAP). Daten aus CAPNETZ zeigen jedoch, dass es zu starken Schwankungen über die letzten Jahre mit einer Zunahme von Infektionen durch H. influenzae gekommen ist. Während die Ursachen für eine langfristige Verschiebung des Pathogenspektrums der CAP zumeist in neu eingeführten Impfungen gesucht werden, sind die zugrundeliegenden Ursachen für saisonale bzw. sich jährlich ändernde Erregerhäufigkeiten bislang nur unzureichend verstanden.

Christina Julius, Hannover



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Article published online:
14 April 2023

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