Laryngorhinootologie 2024; 103(02): 87
DOI: 10.1055/a-2130-5095
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Indizes bei Kopf-Hals-Tumoren: Wie hoch ist der prognostische Wert?“

Contributor(s):
Sebastian Strieth

*** Atasever Akkas et al. adressieren die klinisch bedeutsame Notwendigkeit der Validierung prognostischer Biomarker bei Kopf- und Halstumoren. Dies ist im Hinblick auf das immer größer werdende Arsenal an zielgerichteten und individualisierten Therapiemöglichkeiten besonders für die adjuvante Systemtherapie von Interesse. Leistungsstarke prognostische Biomarker könnten helfen, eine adjuvante Therapie und die Nachsorge an die Prognose anzupassen und gegebenenfalls frühzeitig eine geeignete palliative Systemtherapie zu starten.

Die Autoren fokussieren in ihrer retrospektiven Analyse vor allem auf Marker, die bisher systemische Entzündungen anzeigen sollen – den SII (systemischer immune-inflammation index), den SIRI (systemischer inflammation response index) und den Unterernährungsindex PNI (prognostic nutritional index). Es wurde in etwas unüblicher Weise für aktuelle retrospektive Studien nicht nach HPV-Status stratifiziert.

Die Autoren weisen aber in multivariaten Analysen nach, dass sich SII und PNI in Bezug auf das Gesamtüberleben (OS) als unabhängige prognostische Biomarker qualifizieren. In Bezug auf das krankheitsfreie Überleben (DFS) ist es der SII-Parameter. Darüber hinaus werden erstmals Cut-off-Werte dieser Parameter bei Kopf-Hals-Karzinomen bestimmt.

Die Idee, Werte von Differenzialblutbildanalysen in Form von Indizes zu verwenden, erscheint zunächst wenig innovativ. Der immunologische SII-Fokus ist aber dann doch wiederum zeitgemäß und interessant vor dem Hintergrund der aktuell neuen Immuntherapien. Biomarker zur richtigen Auswahl sind von herausragendem Interesse, da die klinische Erfahrung zeigt, dass in Einzelfällen ein hervorragendes Immuntherapieansprechen zu beobachten ist, in anderen Einzelfällen die Behandlung aber versagt. Allerdings wäre hierfür besonders die prädiktive anstelle der prognostischen Leistungsfähigkeit der Biomarker im Kontext von Immuntherapien von Interesse. Gerade Biomarker, die mit lokaler oder systemischer Entzündung assoziiert sind, könnten hier eine hervorragende Rolle spielen.

Da die Autoren ihre Fallanalysen aus den Jahren 2009 bis 2020 beziehen, ist davon auszugehen, dass allenfalls in geringem Maße Patienten berücksichtigt wurden, die eine Immuntherapie erhalten haben. Insofern wird die prognostische Bedeutung dieser Inflammationsparameter möglicherweise sogar in der vorliegenden Analyse unterschätzt.

Aktuelle prospektive Studien sollten in zunehmendem Maße in ihren Protokollen die Erfassung und Auswertbarkeit von diesen und anderen vielversprechenden Biomarkern aus retrospektiven Analysen vorsehen, um die Evidenz für valide Biomarker zu stärken.

Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die richtige Biomarkeranalyse im Vorfeld für die Vorauswahl eines immunologischen Therapeutikums die weitere Verbesserung der Therapieerfolge im Hinblick auf OS und DFS von Kopf-Hals-Tumorpatienten entscheidend beeinflussen wird.



Publication History

Article published online:
06 February 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany