Pneumologie
DOI: 10.1055/a-2194-6914
Leitlinie

Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen – Update 2023 (AWMF-Register-Nr. 161/001)

Medical clinical diagnostics for indoor mould exposure – Update 2023 (AWMF Register No. 161/001)
Julia Hurraßab
 1   Sachgebiet Hygiene in Gesundheitseinrichtungen, Abteilung Infektions- und Umwelthygiene, Gesundheitsamt der Stadt Köln
,
Birger Heinzowa
 2   Ehemals: Landesamt für soziale Dienste (LAsD) Schleswig-Holstein, Kiel
,
Sandra Walser-Reichenbachab
 3   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit München
,
Ute Aurbacha
 4   Labor Dr. Wisplinghoff
 5   ZfMK – Zentrum für Umwelt, Hygiene und Mykologie, Köln
,
Sven Beckera
 6   Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Tübingen
,
Romuald Bellmanna
 7   Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Innsbruck
,
Karl-Christian Bergmannab
 8   Institut für Allergieforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
Oliver A. Cornelya
 9   Translational Research, CECAD Cluster of Excellence, Universität zu Köln
,
Steffen Engelhartab
10   Institut für Hygiene und Public Health, Universitätsklinikum Bonn
,
Guido Fischera
11   Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart
,
Thomas Gabrioa
12   Ehemals: Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart
,
Caroline E. W. Herrab
 3   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit München
13   Ludwig-Maximilians-Universität München, apl. Prof. „Hygiene und Umweltmedizin“
,
Marcus Joesta
14   Allergologisch-immunologisches Labor, Helios Lungen- und Allergiezentrum Bonn
,
Christian Karagiannidisab
15   Fakultät für Gesundheit, Professur für Extrakorporale Lungenersatzverfahren, Universität Witten/Herdecke
16   Lungenklinik Köln Merheim, Kliniken der Stadt Köln
,
Ludger Klimekab
17   Zentrum für Rhinologie und Allergologie, Wiesbaden
,
Martin Köberleab
18   Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Technische Universität München
,
Annette Kolka
19   Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Bereich Biostoffe, Sankt Augustin
,
Herbert Lichtneckera
20   Medizinisches Institut für Umwelt- und Arbeitsmedizin MIU GmbH Erkrath
,
Thomas Lob-Corziliusab
21   Wissenschaftliche AG Umweltmedizin der GPAU, Aachen
,
Norbert Mülleneisenab
22   Asthma und Allergiezentrum Leverkusen
,
Dennis Nowakab
23   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Mitglied Deutsches Zentrum für Lungenforschung, Klinikum der Universität München
,
Uta Rabeab
24   Zentrum für Allergologie und Asthma, Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen
,
Monika Raulfab
25   Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)
,
Jörg Steinmanna
26   Institut für Klinikhygiene, Medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Klinikum Nürnberg
,
Jens-Oliver Steißab
27   Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Gießen
28   Schwerpunktpraxis Allergologie und Kinder-Pneumologie Fulda
,
Jannik Stemlera
 9   Translational Research, CECAD Cluster of Excellence, Universität zu Köln
,
Ulli Umpfenbacha
29   Arzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Kinderpneumologie, Umweltmedizin, klassische Homöopathie, Asthmatrainer, Neurodermitistrainer, Viersen
,
Kerttu Valtanena
30   FG II 1.4 Mikrobiologische Risiken, Umweltbundesamt, Berlin
,
Barbora Werchana
31   Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID), Berlin
,
Birgit Willingerab
32   Klinisches Institut für Labormedizin, Klinische Abteilung für Klinische Mikrobiologie – MedUni Wien
,
Gerhard A. Wiesmüllerab
 4   Labor Dr. Wisplinghoff
 5   ZfMK – Zentrum für Umwelt, Hygiene und Mykologie, Köln
33   Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Uniklinik RWTH Aachen
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Die von der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) federführend aktualisierte Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen – Update 2023“ ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. Schimmelwachstum im Innenraum ist als ein potenzielles Gesundheitsrisiko zu betrachten, auch ohne dass ein quantitativer und/oder kausaler Zusammenhang zwischen dem Vorkommen einzelner Arten und Gesundheitsbeschwerden gesichert werden kann. Es liegt keine Evidenz für einen kausalen Zusammenhang zwischen Feuchte-/Schimmelschäden und Krankheiten des Menschen vor. Wesentliche Gründe dafür sind das ubiquitäre Vorkommen von Schimmelpilzen und und bislang unzureichende diagnostische Methoden. Es liegt lediglich ausreichende Evidenz für folgende Assoziationen von Feuchte-/Schimmelschäden und folgenden Erkrankungen vor: allergische Atemwegserkrankungen, allergische Rhinitis, allergische Rhinokonjunktivitis, Allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA), andere Allergische bronchopulmonale Mykosen (ABPM), Aspergillom, Aspergillus-Bronchitis, Asthma (Manifestation, Progression, Exazerbation), Begünstigung von Atemwegsinfekten, Bronchitis (akut, chronisch), Community-acquired Aspergillus-Pneumonie, Exogen-allergische Alveolitis (EAA), invasive Aspergillosen, Mykosen, Organic Dust Toxic Syndrome (ODTS) [Arbeitsplatzexposition], pulmonale Aspergillose (subakut, chronisch) und Rhinosinusitis (akut, chronisch invasiv oder granulomatös, allergisch). Dabei ist das sensibilisierende Potenzial von Schimmelpilzen im Vergleich zu anderen Umweltallergenen deutlich geringer einzuschätzen. Aktuelle Studien zeigen europaweit eine vergleichsweise geringe Sensibilisierungsprävalenz von 3–22,5 % gemessen an der Gesamtbevölkerung. Eingeschränkte oder vermutete Evidenz für eine Assoziation liegt vor hinsichtlich des atopischen Ekzems (atopische Dermatitis, Neurodermitis, Manifestation), Befindlichkeitsstörungen, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Geruchswirkungen, Mucous Membrane Irritation (MMI) und Sarkoidose. Inadäquate oder unzureichende Evidenz für eine Assoziation liegt vor für akute idiopathische pulmonale Hämorrhagie bei Kindern, Arthritis, Autoimmunerkrankungen, chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS), Endokrinopathien, gastrointestinale Effekte, Krebs, luftgetragen übertragene Mykotoxikose, Multiple chemische Sensitivität (MCS), Multiple Sklerose, neuropsychologische Effekte, neurotoxische Effekte, plötzlicher Kindstod, renale Effekte, Reproduktionsstörungen, Rheuma, Schilddrüsenerkrankungen, Sick-Building-Syndrom (SBS), Teratogenität und Urtikaria. Das Infektionsrisiko durch die in Innenräumen regelmäßig vorkommenden Schimmelpilzarten ist für gesunde Personen gering, die meisten Arten sind in die Risikogruppe 1 und wenige in 2 (Aspergillus fumigatus, Aspergillus flavus) der Biostoffverordnung eingestuft. Nur Schimmelpilze, die potenziell in der Lage sind, Toxine zu bilden, kommen als Auslöser einer Intoxikation in Betracht. Ob im Einzelfall eine Toxinbildung im Innenraum stattfindet, entscheiden die Umgebungs- und Wachstumsbedingungen und hier vor allem das Substrat. Von Geruchswirkungen und/oder Befindlichkeitsstörungen kann bei Feuchte-/Schimmelschäden im Innenraum grundsätzlich jeder betroffen sein. Hierbei handelt es sich nicht um eine akute Gesundheitsgefährdung. Prädisponierende Faktoren für Geruchswirkungen können genetische und hormonelle Einflüsse, Prägung, Kontext und Adaptationseffekte sein. Prädisponierende Faktoren für Befindlichkeitsstörungen können Umweltbesorgnisse, -ängste, -konditionierungen und -attributionen sowie eine Vielzahl von Erkrankungen sein. Besonders zu schützende Risikogruppen bezüglich eines Infektionsrisikos sind Personen unter Immunsuppression nach der Einteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI), Personen mit schwer verlaufender Influenza, Personen mit schwer verlaufender COVID-19 und Personen mit Mukoviszidose (zystischer Fibrose), bezüglich eines allergischen Risikos Personen mit Mukoviszidose (zystischer Fibrose) und Personen mit Asthma bronchiale. Die rationale Diagnostik beinhaltet die Anamnese, eine körperliche Untersuchung, eine konventionelle Allergiediagnostik einschließlich gegebenenfalls Provokationstests. Zum Vorgehen bei Schimmelpilzinfektionen wird auf die entsprechenden Leitlinien verwiesen. Hinsichtlich der Mykotoxine existieren zurzeit keine brauchbaren und validierten Testverfahren, die in der klinischen Diagnostik eingesetzt werden könnten. Präventivmedizinisch ist wichtig, dass Schimmelpilzbefall in relevantem Ausmaß aus Vorsorgegründen nicht toleriert werden darf. Zur Beurteilung des Schadensausmaßes und zum Vorgehen wird auf den „Schimmelpilzleitfaden“ des Umweltbundesamtes verwiesen.

Abstract

This article is an abridged version of the updated AWMF mould guideline “Medical clinical diagnostics in case of indoor mould exposure – Update 2023”, presented in July 2023 by the German Society of Hygiene, Environmental Medicine and Preventive Medicine (Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin, GHUP), in collaboration with German and Austrian scientific medical societies, and experts. Indoor mould growth is a potential health risk, even if a quantitative and/or causal relationship between the occurrence of individual mould species and health problems has yet to be established. There is no evidence for a causal relationship between moisture/mould damage and human diseases, mainly because of the ubiquitous presence of fungi and hitherto inadequate diagnostic methods. Sufficient evidence for an association between moisture/mould damage and the following health effects has been established for: allergic respiratory diseases, allergic rhinitis, allergic rhino-conjunctivitis, allergic bronchopulmonary aspergillosis (ABPA), other allergic bronchopulmonary mycosis (ABPM), aspergilloma, Aspergillus bronchitis, asthma (manifestation, progression, exacerbation), bronchitis (acute, chronic), community-acquired Aspergillus pneumonia, hypersensitivity pneumonitis (HP; extrinsic allergic alveolitis (EEA)), invasive Aspergillosis, mycoses, organic dust toxic syndrome (ODTS) [workplace exposure], promotion of respiratory infections, pulmonary aspergillosis (subacute, chronic), and rhinosinusitis (acute, chronically invasive, or granulomatous, allergic). In this context the sensitizing potential of moulds is obviously low compared to other environmental allergens. Recent studies show a comparatively low sensitization prevalence of 3–22,5 % in the general population across Europe. Limited or suspected evidence for an association exist with respect to atopic eczema (atopic dermatitis, neurodermatitis; manifestation), chronic obstructive pulmonary disease (COPD), mood disorders, mucous membrane irritation (MMI), odor effects, and sarcoidosis. (iv) Inadequate or insufficient evidence for an association exist for acute idiopathic pulmonary hemorrhage in infants, airborne transmitted mycotoxicosis, arthritis, autoimmune diseases, cancer, chronic fatigue syndrome (CFS), endocrinopathies, gastrointestinal effects, multiple chemical sensitivity (MCS), multiple sclerosis, neuropsychological effects, neurotoxic effects, renal effects, reproductive disorders, rheumatism, sick building syndrome (SBS), sudden infant death syndrome, teratogenicity, thyroid diseases, and urticaria.

The risk of infection posed by moulds regularly occurring indoors is low for healthy persons; most species are in risk group 1 and a few in risk group 2 (Aspergillus fumigatus, A. flavus) of the German Biological Agents Act (Biostoffverordnung). Only moulds that are potentially able to form toxins can be triggers of toxic reactions. Whether or not toxin formation occurs in individual cases is determined by environmental and growth conditions, water activity, temperature and above all the growth substrates.

In case of indoor moisture/mould damage, everyone can be affected by odor effects and/or mood disorders.

However, this is not an acute health hazard. Predisposing factors for odor effects can include genetic and hormonal influences, imprinting, context and adaptation effects. Predisposing factors for mood disorders may include environmental concerns, anxiety, condition, and attribution, as well as various diseases. Risk groups to be protected particularly regarding infection risk are immunocompromised persons according to the classification of the German Commission for Hospital Hygiene and Infection Prevention (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, KRINKO) at the Robert Koch-Institute (RKI), persons suffering from severe influenza, persons suffering from severe COVID-19, and persons with cystic fibrosis (mucoviscidosis); with regard to allergic risk, persons with cystic fibrosis (mucoviscidosis) and patients with bronchial asthma must be protected. The rational diagnostics include the medical history, physical examination, and conventional allergy diagnostics including provocation tests if necessary; sometimes cellular test systems are indicated. In the case of mould infections, the reader is referred to the specific guidelines. Regarding mycotoxins, there are currently no useful and validated test procedures for clinical diagnostics. From a preventive medical point of view, it is important that indoor mould infestation in relevant magnitudes cannot be tolerated for precautionary reasons.

For evaluation of mould damage in the indoor environment and appropriate remedial procedures, the reader is referred to the mould guideline issued by the German Federal Environment Agency (Umweltbundesamt, UBA).

a Mitautor*in


b Stimmberechtigt*e Mandatsträger*in einer Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft, einer Gesellschaft, eines Ärzteverbandes




Publication History

Article published online:
09 February 2024

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