Laryngorhinootologie 2024; 103(02): 154-158
DOI: 10.1055/a-2199-3068
OP-Techniken

Eingriffe an Larynx, Hypopharynx und Trachea

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr

Eröffnung von Larynx und Trachea

Koniotomie

Indikation

  • lebensbedrohende, auf anderem Wege nicht mehr beherrschbare Atemnot (Notfallintubation, Notfalltracheoskop)

  • wiederholte Fehlintubation bei Blutungskomplikation nach Tonsillektomie/Tonsillotomie


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OP-Technik

  • Hals überstrecken, Ringknorpel palpieren, querer Hautschnitt zwischen Schild- und Ringknorpel von 1,5–2 cm Länge mit simultaner Durchtrennung der Membrana cricothyreoidea, Einführen einer kleinkalibrigen Kanüle und Beginn der Beatmung.

  • Alternativ: Eingehen mit einem Koniotom, das unter Palpation von Ring- und Schildknorpel direkt durch die Haut in den Larynx eingeführt wird. Nach Zurückziehen des Trokars verbleibt die Hülse als Kanüle ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Koniotomie. Palpation von Ring- und Schildknorpel. Inzision mit dem Skalpell. Koniotom mit aufgesteckter Kanüle.
Regeln, Tipps und Tricks

Nach Sicherstellung der Atmung klassische Tracheotomie.


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Tracheotomie

OP-Prinzip

Freilegung und Eröffnung der Halstrachea, Einführung einer Trachealkanüle.

Die Unterscheidung in Tracheotomia superior, media und inferior, die sich nach der Lage des Tracheostomas zum Schilddrüsenisthmus richtet, hat keine praktische Bedeutung. Vielmehr ist die Position des Larynx und hier insbesondere die des Ringknorpels in Bezug auf den Oberrand des Sternums von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung, wo die Tracheavorderwand inzidiert wird. Dies trifft vor allem auf ältere Männer zu, deren Ringknorpel sich nicht selten in Höhe des Sternumoberrands befindet.

Prinzipiell sollte immer versucht werden, den Ringknorpel bei der Eröffnung der Trachea nicht zu tangieren und mindestens eine, besser 2 Trachealspangen kaudal des Ringknorpels zu erhalten.


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Indikation

  • Atemwegsobstruktion durch Tumoren in Pharynx, Larynx, Trachea oder Ösophagus (sofern eine Tumorverkleinerung nicht in Betracht kommt)

  • Atemwegsverletzungen durch Kehlkopf- oder Trachealtraumen

  • doppelseitige Rekurrensparese mit Stridor; alternativ: reversible endoextralaryngeale Lateralisation nach Lichtenberger (S. 217)

  • Atemnot durch Verbrühung oder Verätzung im Pharynx und Kehlkopfeingang

  • angeborene Kehlkopf- oder Trachealstenose

  • Gesichtsschädel- und Unterkieferverletzungen mit Atemwegsbehinderung

  • Langzeitbeatmung bei Intensivtherapie

  • Umwandlung einer Punktionstracheotomie

  • Aspiration bei Schlucklähmung

  • Totraumverkleinerung bei Ateminsuffizienz (nicht unumstritten)

  • narbige Stenosen in Larynx und Trachea

  • entzündliche und ödematöse Schwellungen im Kehlkopfeingang, Meso- und Hypopharynx, wenn durch Kortikoide keine ausreichende Wegsamkeit erreicht wird und Intubation nicht möglich ist

  • als präliminäre Tracheotomie bei operativen Eingriffen im Oro- und Hypopharynx sowie Larynx

  • wiederholte Fehlintubation bei Blutungskomplikation nach Tonsillektomie/Tonsillotomie


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Kontraindikation

  • In lebensbedrohlicher Situation grundsätzlich keine Kontraindikation.

  • In Notlage immer prüfen, ob nicht Intubation oder Notfalltracheoskopie möglich ist (besonders bei Ödem, Entzündung).


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Spezielle Patientenaufklärung

  • Nichtanwachsen der Hautränder, Wundheilungsstörung und Sekundärheilung

  • Trachealstenose evtl. bleibend, deswegen Nachoperationen

  • Luftröhrenentzündung

  • Heiserkeit, Stimmverlust, Lähmung (eventuell bleibend) des Stimmlippennervs

  • Schluckstörung, Einlage einer Magensonde

  • Einlage einer Trachealkanüle

  • ggf. Erweiterung des Hautschnitts

  • Schleimhautverletzung, Mediastinitis

  • Knorpelentzündung

  • Verletzung der Tracheahinterwand, Ausbildung einer revisionsbedürftigen ösophagotrachealen Fistel


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OP-Planung

  • indirekte oder direkte Laryngotracheoskopie

  • im Einzelfall: Trachealzielaufnahmen in forcierter In- und Exspiration; CT Hals; CT Thorax


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Spezielle Instrumente

Weichteilinstrumentarium, Schilddrüsenhaken, Trachealkanülen unterschiedlicher Größen mit Cuff, Killian-Spekulum, Führungssonden verschiedener Größe als Mandrin für die Trachealkanülen. Notfalltracheoskope. Ggf. Knochenstanze für das Trachealfenster bei Verknöcherung.


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Anästhesie

  • Sofern möglich Narkose nach Intubation oder Einführen des Notfalltracheoskops („Tracheotomie auf liegendem Rohr“).

  • Lokalanästhesie: Prämedikation, sofern zeitlich noch möglich, ansonsten venöser Zugang, i. v. Gabe von Atropin.

  • Infiltrationsanästhesie jugulär, auch in die Tiefe. Auch bei Narkose Infiltration des Schnittbereichs mit Vasokonstringens ([Abb. 2]) zur Reduktion der intraoperativen Blutungsintensität. Die Infiltrationsanästhesie sollte auch in senkrechter Richtung zur Trachea erfolgen, hier zunächst unter ständiger Aspiration. Die Distanz zwischen Haut und Trachea lässt sich damit gut bestimmen: Sobald die Kanüle in das Tracheallumen eindringt, steigen Luftblasen auf. Die Infiltration des Gewebes erfolgt beim Zurückziehen der Kanüle.

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Abb. 2 Lokalanästhesie zur Tracheotomie. Infiltrationsanästhesie des Operationsgebiets von der Incisura thyreoidea bis zum Jugulum.

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OP-Technik

Tracheotomie bei Erwachsenen

  • Rückenlage, Unterpolsterung der Schultern und Kopfreklination. In Lokalanästhesie muss der Eingriff gelegentlich am (halb)sitzenden Patienten vorgenommen werden.

  • Schnittführung: Medianer Hautschnitt vom Ringknorpel abwärts zum Jugulum. Alternativ kann auch eine quere juguläre Hautinzision vorgenommen werden. In der Mittellinie Fettgewebe durchtrennen, kreuzende Venen unterbinden. Mit breiten Wundhaken oder selbsthaltenden Wundsperrern die Hautlappen auseinanderhalten und mit Präparierstieltupfer/Präparierschere die infrahyoidale Halsmuskulatur mobilisieren.

  • Präparation der prälaryngealen Halsweichteile: Inzision der mittleren Halsfaszie zwischen den beiden Muskelbäuchen mit der Präparierschere. Unter Aufspreizen und Abschieben des Bindegewebes mit dem Präpariertupfer wird die Schilddrüsenkapsel sichtbar. Die gerade Halsmuskulatur wird mit auf den Wundhaken oder die selbsthaltenden Wundsperrer genommen ([Abb. 3]).

  • Lösung des Schilddrüsenisthmus: Palpieren des Ringknorpels. Ein Lobus pyramidalis wird durch paralleles Aufspreizen beidseits am Ringknorpel isoliert, unterfahren, abgeklemmt und reseziert. Lösung des Schilddrüsenisthmus mit einem Querschnitt vom Unterrand des Ringknorpels. Weiteres Abheben der Schilddrüse von der Tracheavorderwand stumpf mit Präparierschere oder Stieltupfer ([Abb. 4]).

  • Bei tief stehendem Schilddrüsenisthmus mit großkalibrigen Venen wird die Schilddrüse mit Stieltupfern von kranial so weit mobilisiert, bis die Trachea unterhalb des Ringknorpels ausreichend weit freigelegt wurde. Die Venen werden durch Aufspreizen und Abdrängen des Gewebes mit dem Stieltupfer isoliert und unterbunden.

  • Der Schilddrüsenisthmus wird gelöst und hierzu mit einer langen Klemme unterfahren; 2 große Klemmen werden beidseits der Mittellinie positioniert und die Schilddrüsenlappen hierdurch abgeklemmt. Nun wird der Isthmus in der Mitte scharf durchtrennt. Beide Stümpfe werden mit fortlaufender Naht mit resorbierbarem Material vernäht und vorsichtig von der Trachealseitenwand abpräpariert, bis die Vorderwand ganz freiliegt ([Abb. 5]). Das Durchtrennen von Schilddrüsengewebe kann auch mit einer bipolaren Schere oder Instrumenten mit Gefäßversiegelung erfolgen, was dann sehr behutsam ausgeführt werden muss, aber den Vorteil hat, keine Gefäße ligieren zu müssen.

  • Eröffnung der Trachea und Anlage eines plastischen Tracheostomas: quere Inzision der Trachea möglichst zwischen dem zweiten und dritten Trachealknorpel. Gelegentlich lassen dies die anatomischen Gegebenheiten nicht zu, sodass die Inzision höher ausgeführt werden muss. Wann immer möglich, keine Inzision in unmittelbarer Nähe zum Ringknorpel. Es erfolgt keine Exzision von Bestandteilen der Tracheavorderwand. Auch die früher übliche Umschneidung eines kaudal gestielten Lappens der Tracheavorderwand sollte nicht erfolgen, da sich dadurch postoperativ regelhaft V-förmige narbige Verziehungen zeigen. Nur selten findet sich bei der Operation eine vollständig ossifizierte Trachealwand, die dann eine umgehende Verwendung von Stanzen und sogar Sägen erforderlich machen kann. Die Ränder des queren Trachealschnitts werden mit den angrenzenden Rändern des Hautschnitts unter Verwendung von resorbierbarem Nahtmaterial (2/0; 3/0) vernäht ([Abb. 6]).

  • Umintubation: Nach vollständigem Vernähen der mukokutanen Anastomosen wird umintubiert bzw. eine Kanüle eingesetzt, bei Erwachsenen in der Regel 9,0 mm Innendurchmesser ([Abb. 7]). Das Tracheostoma wird nach Entfernung des orotrachealen Tubus vorzugsweise mit einem Spekulum oder 2 stumpfen Häkchen auseinandergehalten und die Kanüle ggf. über eine Führungssonde in die Trachea eingeführt.

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Abb. 3 Tracheotomie. Medianer Hautschnitt. Nach Unterbindung oberflächlicher Hautvenen stumpfe Freilegung der infrahyoidalen Halsmuskulatur und der Schilddrüse.
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Abb. 4 Tracheotomie. Lösung des Schildknorpelisthmus von der Trachea nach Absetzen eines Lobus pyramidalis.
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Abb. 5 Tracheotomie. Durchtrennung und Versorgung des Schilddrüsenisthmus.
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Abb. 6 Tracheotomie.
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Abb. 7 Tracheotomie. Epithelisierung des Tracheostomas der äußeren Halshaut. Einsetzen einer Trachealkanüle mit Führungsmandrin und Killian-Spekulum.

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Tracheotomie bei Kindern

Tracheotomien bei Kindern wurden früher häufiger und vor allem bei akuter, infektionsbedingter Atmungsbehinderung durchgeführt. Mit der Entwicklung von Antibiotika, Impfungen und der speziellen Intensivversorgung mit flexibler Endoskopietechnik bei Kindern wird die Mehrzahl dieser Kinder heute transoral intubiert. Dennoch ist die Tracheotomie bei Säuglingen und Kindern erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, vor allem Dank der Erfolge, die in der Frühgeborenenbehandlung und bei chronischen, oft neurologisch bedingten Krankheiten erzielt wurden.

Die Säuglingstracheotomie erfolgt nicht durch quere, sondern vertikale Inzision der Trachea zwischen 2 Trachealspangen. Die initiale Hautinzision kann ebenfalls in Längsrichtung, aber auch U-förmig erfolgen ([Abb. 8]). Wie beim Erwachsenen wird vor der Inzision in die Trachea der Ringknorpel identifiziert. Das subkutane Fettgewebe muss bei Säuglingen regelhaft ausgedünnt werden. Bei der Präparation in die Tiefe können Thymus, Truncus brachiocephalicus und Schilddrüse vor der Trachea liegen und müssen behutsam beiseite gehalten werden. Die Dissektion mit Lupenbrille oder Operationsmikroskop ist sehr zu empfehlen. Wie beim Erwachsenen endet die Operation mit dem Vernähen der angrenzenden Haut mit der Trachealwand.

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Abb. 8 Tracheotomie im Kindesalter. Einzeichnen der Inzision. Die Hautinzision erfolgt entweder in der Medianlinie unterhalb des palpatorisch identifizierten Ringknorpels oder angedeutet U-förmig 2 cm kaudal des Ringknorpels.
Regeln, Tipps und Tricks
  • Keine Knorpelfensterexzision.

  • Immer größtmögliches Kaliber wählen.

  • Länge und Biegung der Kanüle den anatomischen Gegebenheiten anpassen. Das kaudale Ende der Kanüle sollte nicht an der Vorderwand reiben, da dieser atemsynchrone Reiz im zeitlichen Verlauf zu einer Arrosion des Truncus brachiocephalicus und damit lebensbedrohlichen Blutungskomplikation führen kann.

  • Tief intrathorakal gelegene Stenose: ggf. zunächst Tracheoskopie mit Notfalltracheoskop und Aufbougieren der Stenose, Einlegen einer individuell angefertigten, längeren Kanüle, die die Stenose überbrückt.

  • Verlagerung der Trachea durch Raumforderungen von außen: Orientierung stets am Larynx, Darstellen des Ringknorpelbogens und von dort nach kaudal präparieren.

  • Bei schwieriger Identifizierung zusätzlich orientierende Punktion mit längerer Nadel an halb mit Wasser gefüllter Spritze: Hat man die Trachea punktiert, so steigen bei Aspiration Luftblasen hoch.

  • Beim Verband eingeschnittenes Kanülenlätzchen unter den Kanülenschild platzieren, Kanülenbändchen ausreichend fest fixieren, ohne dass die Kanüle zu tief tritt.

  • Beim Säugling und Kleinkind Inzision der Trachea in Längsrichtung, keine Knorpelexzision!

Risiken und Komplikationen
  • intraoperative und postoperative Blutung (aus Schilddrüse und V. brachiocephalica)

  • Emphysem, Luftembolie, Pneumothorax

  • Halsphlegmone, Mediastinitis, Pneumonie, Lungenabszess, ösophagotracheale Fistel

  • Trachealstenose mit erschwerter Dekanülierung

  • Schluckstörungen

  • Fraktur des ossifizierten Trachealknorpels

  • falsche Kanülenlage mit Stridor

  • Granulationsbildung am Kanülenende (Abtragung der Granulation, Kanülenlänge wechseln)

  • borkige Tracheitis (Inhalation, ggf. Kortikoide, Sekretolytikum)

Speziell bei Kindern:

  • Pneumothorax

  • Kanülendislokation

  • Trachealstenose

Ein geringer Kollaps der vorderen Trachealwand, der zu einem leichten Abflachen des Tracheostomas führt, tritt bei den meisten Kindern auf und ist normalerweise klinisch nicht relevant. In Einzelfällen kann dieser Kollaps bei manchen Kindern schwerwiegende Folgen haben und Dekanülierungsprobleme bereiten. Es kann zu einem Druck der Trachealkanüle auf den oberen Teil der anterioren Trachealwand und zu Infektionen der betroffenen Knorpel kommen.


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Nachbehandlung

  • postoperative Überwachung (Atmung, Blutung, Hautemphysem)

  • im Einzelfall: Antibiotikumtherapie, Antitussiva, Sekretolytika

  • regelmäßige Absaugung, Befeuchtung der Atemluft (Inhalation, künstliche Nase)

  • Kanülenpflege, Reinigung der Innenkanüle

  • erster Kanülenwechsel am 2. oder 3. Tag (Führungssonde, Spekulum, Gleitmittel); beim Einsetzen wird die Kanüle zunächst quer eingeführt und dann während des Verschiebens um 90° in die endgültige Position gedreht

Wechseln des Kanülenlätzchens, Schutz der Haut vor Dermatitis mit Zinksalbe

Aus: Rettinger G, Hosemann W, Huttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollständig überarbeitete Auflage


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Publication History

Article published online:
06 February 2024

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