Zeitschrift für Komplementärmedizin 2011; 3(5): 1
DOI: 10.1055/s-0031-1280231
zkm | Editorial

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Hatschi!

Wolfram Stör
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Publication Date:
10 October 2011 (online)

Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse, auf dass er sich ein Opfer fasse – und stürzt alsbald mit großem Grimm auf einen Menschen namens Schrimm. Paul Schrimm erwidert prompt: „Pitschü!“ und hat ihn drauf bis Montag früh.
Christian Morgenstern

… und eigentlich müsste Schrimm Montag früh zur Arbeit gehen. Aber viele Schrimms sitzen Montag früh in unseren Sprechstunden, besonders jetzt zu Beginn der kalten Jahreszeit. Wir naturheilkundlichen Ärzte haben uns immer auch als Gesundheitserzieher verstanden und verwenden Zeit und Geduld darauf, unsere Patienten zu informieren, was sie selber tun können, wie sie vorbeugen können, wie die richtige Lebensordnung Krankheiten verhindern kann.

Davon handelt viel in diesem Heft, z. B. im Beitrag von Dr. Musselmann. Hier finden Sie eine Fülle guter Ratschläge für akute und chronische Erkrankungen der Atemwege. Er erklärt auch, warum es so wichtig ist, nicht jeden Infekt mit den ohnehin meist nicht indizierten Antibiotika wegzuwischen, sondern die Immunität zu schulen. So hat der naturheilkundliche Arzt bei jeder Erkältung eigentlich einen wichtigen Auftrag für das ganze weitere Leben seines Patienten.

Wie die Sinusitis ihr Erscheinungsbild gewandelt hat und ebenfalls selten Antibiotika und ganz selten operative Maßnahmen braucht, davon handelt der Beitrag von Dr. Gleditsch und Dr. Stör. Hier geht es besonders um die chronifizierten Fälle, wie mit ganz verschiedenen methodischen Ansätzen die Nase wieder frei gemacht werden kann.

Die Diagnostik der Lungenerkrankungen hat in den letzten Jahren einen großen Fortschritt gemacht. Mehr darüber erfahren Sie im Artikel von Dr. Tischer.

Aber wie in jeder zkm zeigen wir auch diesmal, wie Körperkrankheit und Seelenleid in einem zu betrachten sind:

Wenn Montag früh das Wartezimmer brechend voll ist und viele Schrimms ihren Katarrh präsentieren, so muss es schnell gehen. Und doch wissen wir, ahnen zumeist, dass bei vielen Patienten auch ein emotionaler Hintergrund mitschwingt. Erst dieser Tage kam ein Patient mit einer wüsten Angina, die nicht abheilen wollte. Bald kamen wir drauf, dass er buchstäblich „die Schnauze voll“ hatte von seinem Leben zwischen hektischem Job und frustrierendem Familienleben. Viktor von Weizsäcker hat in seinen wunderbaren Heidelberger Vorlesungen aus dem Wintersemester 1949/1950 von der „erotischen Angina“ gesprochen [1]. Heute sprechen wir vom Beziehungskonflikt. Manchmal hilft hier ein kurzer ärztlicher Hinweis, um dem Patienten auf den Erkenntnisweg zu helfen. Regelmäßig fehlen uns aber Zeit und Honorierung, um psychosomatische Konflikte anzusprechen. Und selbst wenn: was soll helfen? Überweisung zur Psychotherapie? Wegen einer Halsentzündung? Oft ist es eher die Dauerbelastung, mit der der Patient nicht mehr zurechtkommt. Hier muss man indirekte Wege gehen und den Patienten lernen lassen, Körper und Leib, Seele und Geist wieder in Harmonie zu bringen. Das zeigen für die Atmungsorgane 2 wegweisende Artikel in diesem Heft: Dr. Reuther berichtet aus ihrer großen Erfahrung über den Einsatz von Qigong bei Atemwegserkrankungen. Im Artikel von Frau Borchers lernen wir, wie man mit Gesang gesund werden und bleiben kann. „Tue das, was Dir Freude macht und gesunde!“ ist immer noch die beste Empfehlung!

Ich hoffe, Sie finden in diesem Heft Anregungen für Ihre Patienten und vielleicht auch manches, das Sie selber gut durch die Erkältungszeit bringt.

Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr

Wolfram Stör

  • 1 von Weizsäcker V. Der kranke Mensch, eine Einführung in die medizinische Anthropologie. Stuttgart: Koehler; 1951
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