Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2012; 2(2): 69
DOI: 10.1055/s-0032-1313557
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vom Nutzen eines Campinghockers

Daniela Erhard
,
Peter Galle
,
Götz Geldner
,
Alfred Königsrainer
,
Frank-Gerald Pajonk
,
Julia Rojahn
Further Information

Publication History

Publication Date:
26 April 2012 (online)

Liebe Leserin, lieber Leser,

kennen Sie das auch? Sie würden ja gern die guten Ratschläge zur Kommunikation befolgen, sich zu jedem Patienten hinsetzen und ihm zuhören. Aber Sie scheitern dabei an simplen organisatorischen Hindernissen.

Mit diesem Problem stehen Sie nicht allein da: Dr. Daniel Wolpaw von der Uniklinik in Cleveland, Ohio, geht es ähnlich. Er ist dort zuständig für die klinische Ausbildung der Studenten und schildert den typischen Ablauf einer Visite so: Die Gruppe aus Ärzten und Studenten marschiert ins Krankenzimmer und drängt sich um das Bett. Alle schauen herab auf den Patienten. Entsprechend belehrend sind dann die Gespräche: kurze Fragen und Antworten, eine Mini-Vorlesung – und wieder raus aus dem Zimmer.

Mit ihren Computern dagegen kommunizieren Ärzte entspannt im Sitzen, Aug' in Auge mit Formularen und Eingabemasken. Vor den Bildschirmen verbringen sie im Durchschnitt deutlich mehr Zeit als am Patientenbett. Dr. Wolpaw vermutet, dass der Grund dafür nicht nur die ausufernden Dokumentationspflichten sind, sondern auch die ungünstige ”Topografie“ am Krankenbett. Er bemühte sich, das zu ändern – und verhalf einem schlichten Campinghocker zu neuen Ehren im renommierten New England Journal of Medicine (2011; 365: 2052–2053).

Dr. Wolpaws Anliegen: Ärzte sollten mit dem Patienten auf Augenhöhe sprechen – im wahrsten Sinne des Wortes. Einfach war das nicht: Das Bett des Patienten ist tabu, vorhandene Stühle sind meist besetzt oder voll mit Kleidung, Taschen etc. Dr. Wolpaw hockte sich also irgendwie neben dem Bett auf den Boden – bis ihm die rettende Idee kam: sein klappbarer Campinghocker. Den brachte er von nun an zu jeder Visite mit. Und musste nicht mehr das halbe Zimmer umräumen, um sich bequem auf Augenhöhe unterhalten zu können.

Im Lauf der Zeit bekam das Utensil auch eine wichtige Rolle in der Lehre: Bevor Dr. Wolpaw mit Assistenzärzten und Studenten ein Krankenzimmer betrat, konnte er den Hocker an jemanden weiterreichen. Derjenige war dann an der Reihe, sich ans Bett zu setzen und mit dem Patienten ein gutes Gespräch zu führen. Dr. Wolpaw fasst seine Erfahrungen so zusammen: ”Sitting down at the bedside helps us to not look away.“ Der Campinghocker – ein Symbol für den Willen, sich auf den konkreten Patienten einzulassen. Und vielleicht eine lohnende Investition auch für deutsche Stationen?

Weitere praxistaugliche Ideen wünschen wir Ihnen beim Lesen dieses Hefts!

Ihre Herausgeber und Ihre Redaktion

Herausgeber

P. Galle, Mainz

G. Geldner, Ludwigsburg

A. Königsrainer, Tübingen

F.-G. B. Pajonk, Göttingen

Experten-Panel

P. Berlit, Essen

S. Bleich, Hannover

J. Bossenmayer, Stuttgart

H.- P. Bruch, Lübeck

M. Christ, Nürnberg

B. Debong, Karlsruhe

T. Hemmerling, Montreal

D. F. Hollo, Celle

J. Riemann, Ludwigshafen

Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover

Redaktion

Dr. Daniela Erhard

Georg Thieme Verlag KG

Rüdigerstraße 14 74069 Stuttgart

E-Mail: legeartis@thieme.de