Geburtshilfe Frauenheilkd 2014; 74 - A13
DOI: 10.1055/s-0034-1376473

Monströser Totalprolaps als interdisziplinäre Herausforderung

S Jeschke 1, A Kolterer 1, A Schindelhauer 1, P Wimberger 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Potenzielle Risikofaktoren für die Entstehung eines Deszensus genitalis sind ein höheres Lebensalter, Multiparität, Adipositas und Erkrankungen, die mit einem erhöhten intraabdominalen Druck einhergehen.

Kasuistik:

Vorstellung einer 68-jährigen Patientin in der gynäkologischen Ambulanz mit Verdacht auf CUP-Syndrom und massiven Totalprolaps bei ausgeprägter Aszitesbildung. Anamnestisch auffällig sind progrediente Unterschenkelödeme, eine Zunahme des Bauchumfanges und des Gewichtes um 12 kg in den letzten 2 Monaten und eine seit 3 Wochen bestehende Belastungsdyspnoe mit deutlich eingeschränkter Gehstrecke von 3 – 5 m. 4 Spontangeburten.

Die Patientin musste aufgrund einer akuten kardialen Dekompensation mit hämodynamisch wirksamer Rechtsherzbelastung bei Tachyarrhythmia absoluta (150spm, RVESP 50 mmHg, RV-EF 30%, TI III°) und konsekutiven Aszites umgehend auf die internistische Intensivstation verlegt werden. Nebenbefundlich zeigten sich eine Leberzirrhose a.e. ethyltoxischer Genese (CHILD B) mit deutlicher Einschränkung der Gerinnungsfunktion und Ösophagusvarizen II°. Es folgten eine medikamentöse Rekompensation nach Ausschluss eines Morbus embolicus, Aszitespunktionen, Varizenligatur und eine therapeutische Antikoagulation mit Einstellung auf Falithrom.

Gynäkologische Mitbetreuung: Aufgrund großflächiger Ulzerationen der Vaginalschleimhaut zunächst tägliche Estriol-Tamonaden-Wechsel mit dem Ziel einer Pessartherapie bei hohem OP-Risikos. Nach Entlassung Weiterführung der Lokaltherapie durch Patientin selbst. Ausschluss einer vaginalen Dysplasie bei therapierefraktärer kleinerer Erosion. 4 Monaten später, Therapieversuch mittels Siebwürfelpessar Größe 7 (65 mm) endet aufgrund wiederholter Dislokationen bei massiv überdehntem Hiatus urogenitalis frustran.

Nach internistischer Konditionierung und Stabilisierung des Allgemeinzustandes wünscht die Patientin bei weiterhin stark eingeschränkter Lebensqualität aufgrund des bestehenden kindskopfgroßen Totalprolapses die operative Therapie, welche im Sinne einer abdominalen Hysterosakropexie nach Substitution von Gerinnungsfaktoren und unter intensivmedizinischer perioperativer Betreuung komplikationslos durchgeführt werden kann.

Fazit:

Angesichts zunehmender Lebenserwartung und demographischer Entwicklungen ist mit einer Zunahme multimorbider Patientinnen in der urogynäkologischen Sprechstunde zu rechnen. Die Versorgung dieser Patientinnen ist eine Herausforderung an ein interdisziplinäres Team, wobei das Vorhandensein maximalmedizinischer Einrichtungen und Erfahrung über sowohl konservative als auch operative urogynäkologische Therapieoptionen notwendig sind.