Pneumologie 2017; 71(S 01): S1-S125
DOI: 10.1055/s-0037-1598274
Freie Vorträge – Sektion Pneumologische Onkologie
Lungenkarzinom – Bernd Schmidt/Berlin, Sylvia Gütz/Leipzig
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuronale Autoantikörper und assoziierte kognitive Defizite bei Patienten mit kleinzelligem und nichtkleinzelligem Lungenkarzinom

F Bartels
1   Klinik für Neurologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
,
M Wandrey
1   Klinik für Neurologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
,
T Strönisch
1   Klinik für Neurologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
,
K Farmer
1   Klinik für Neurologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
,
A Tessmer
2   Evangelische Lungenklinik Berlin
,
B Teegen
3   Euroimmun AG
,
W Stöcker
3   Euroimmun AG
,
C Grohé
2   Evangelische Lungenklinik Berlin
,
C Finke
1   Klinik für Neurologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 February 2017 (online)

 

Hintergrund:

Kognitive Defizite werden zunehmend als relevantes Symptom von Tumorerkrankungen angesehen, sind aber bisher nur unzureichend charakterisiert. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahren zahlreiche neue Autoantikörper gegen neuronale Oberflächenantigene identifiziert, die mit Tumoren assoziiert sind und kognitive Defizite verursachen können.

Methoden:

Es wurden 97 konsekutive Patienten mit kleinzelligem und nichtkleinzelligem Lungenkarzinom über die Evangelische Lungenklinik Berlin rekrutiert. Die kognitive Leistung der Patienten wurde mit einer umfangreichen neuropsychologischen Testbatterie untersucht, Fatigue und Lebensqualität wurde über standardisierte Fragebögen erfasst und alle Patienten wurden klinisch-neurologisch untersucht. Weiterhin wurde Serum aller Patienten mittels auf indirekter Immunfluoreszenz basierenden Biochips auf neuronale Autoantikörper gegen intrazelluläre Antigene (z.B. anti-Hu), Oberflächenantigene (z.B. NMDA-Rezeptoren) sowie Gewebereaktion mit Hirnschnitten (Hippocampus und Cerebellum) untersucht.

Ergebnisse:

Bei 55% der Patienten bestand unabhängig von der Chemotherapie ein Tumor-assoziiertes kognitives Defizit (Cancer-related cognitive impairment; CRCI). Bei 20,6% der Patienten wurden neuronale Autoantikörper nachgewiesen (10,3% Antikörper gegen neuronalen Oberflächenantigene; 13,4% Antikörper gegen intrazelluläre Antigene). Patienten mit antineuronaler Immunreaktion wiesen signifikant mehr kognitive Defizite auf.

Interpretation:

Mehr als die Hälfte der Patienten mit kleinzelligem und nichtkleinzelligem Lungenkarzinom leidet an klinisch relevanten kognitiven Defiziten. Zugleich fanden sich bei 20,6% der Patienten neuronale Antikörper, die mit kognitiven Defiziten assoziiert waren. Diese Daten sprechen daher für ein kognitives paraneoplastisches Syndrom bei Patienten mit Lungenkarzinom. Da viele Patienten mit neuronalen Antikörpern gegen neuronalen Oberflächenantigene in bisherigen Untersuchungen gut auf eine immunmodulatorische Therapie angesprochen haben, besteht die Hoffnung, dass die beobachteten kognitiven Defizite behandelbar sind.