Z Geburtshilfe Neonatol 2020; 224(06): 395
DOI: 10.1055/s-0040-1709321
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Peripartale Hämorrhagie und die Gabe von Erythrozytenkonzentraten in der Schweiz von 1998 bis 2016: Möglichkeiten für Patient Blood Management?

JA Zdanowicz
1   Universitäts-Frauenklinik, Inselspital Bern, Schweiz
,
S Schneider
1   Universitäts-Frauenklinik, Inselspital Bern, Schweiz
,
M Mueller
1   Universitäts-Frauenklinik, Inselspital Bern, Schweiz
,
R Tschudi
2   Sevisa AG, Ermatingen, Schweiz
,
D Surbek
1   Universitäts-Frauenklinik, Inselspital Bern, Schweiz
› Author Affiliations
 

Zielsetzung Peripartale Hämorrhagie (PPH) ist weltweit eines der Hauptursachen für maternale Mortalität. Die Gabe von Erythrozytenkonzentraten (EK) gehört vor allem bei schwerer und symptomatischer PPH zur Therapie. Die Folgen einer EK Gabe, wie transfusionsbedingte Immunreaktionen, aber auch eine längere Hospitalisationsdauer, werden oft unterschätzt. Patient Blood Management (PBM) kann dem entgegenwirken, indem bereits präoperativ bzw. präpartal die Reduktion von Blutverlust und EK Gabe angestrebt wird. In der Geburtshilfe ist PBM jedoch noch nicht effektiv etabliert.

In unserer retrospektiven Studie haben wir die EK Gabe bei PPH in der Schweiz in den letzten 18 Jahren untersucht, um eine Grundlage für ein mögliches PBM zu schaffen.

Methoden und Materialien Mittels ASF (Arbeitsgemeinschaft Schweizer Frauenkliniken), die anonymisiert geburtshilfliche Daten von 40 Kliniken in der gesamten Schweiz erfasst, haben wir Geburten zwischen 1998 und 2016 untersucht. Insbesondere hat uns die EK Gabe in der akuten (innerhalb von 24 Stunden nach Geburt) und subakuten Phase (> 24 Stunden nach Geburt während des stationären Aufenthaltes im Wochenbett) interessiert. Entsprechend den Vorgaben der ASF haben wir die EK Gabe in 1-2 und in 3 oder mehr Einheiten erfasst. Des Weiteren haben wir geburtshilfliche Parameter wie Geburtsmodus, Blutverlust und PPH Risikofaktoren angeschaut.

Ergebnisse Insgesamt haben wir uns 627ʹ921 Geburten untersucht. Die Inzidenz der PPH ist zwischen 1998 und 2016 signifikant (p = < 0.001) angestiegen. Hierbei konnten wir ebenfalls eine Zunahme an vaginaloperativen Geburten und Sectiones beobachten. Die EK Gabe von 1-2 Einheiten ist nach 2012 angestiegen, jedoch von 3 oder mehr Einheiten gesunken. Zudem konnten wir einen signifikanten Anstieg bereits bekannter Risikofaktoren für eine PPH beobachten, wie Plazenta praevia, Polyhydramnion, Mehrlingssschwangerschaften, Plazentareste und St.n. Sectio (p = < 0.001).

Diskussion Unsere Ergebnisse zeigen, dass bezüglich EK Gabe und effektivem PBM in der Geburtshilfe noch Handlungsbedarf besteht. Hierzu könnte ein konsequentes Screening auf Anämie und PPH Risikofaktoren gehören, aber auch die rechtzeitige Verwendung von autologen Transfusionen oder Tranexamsäure. Nur wenige Länder, wie z. B. Australien, haben bisher ein PBM Programm in der Geburtshilfe eingeführt. Jedoch würden davon nicht nur die Patientinnen profitieren, sondern auch die wirtschaftlichen Vorteile für die Spitäler sind dabei nicht zu unterschätzen.



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Article published online:
04 December 2020

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