Laryngorhinootologie 2017; 96(01): 4-5
DOI: 10.1055/s-0042-113593
Referiert und diskutiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prognosefaktoren für Langzeit-Tracheostoma nach Chemoradiatio

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Publication Date:
08 February 2017 (online)

Jefferson GD et al. Predictors and outcomes for chronic tracheostomy after chemoradiation for advanced laryngohypopharyngeal cancer. Laryngoscope 2016; 126: 385–391

Die primäre Chemoradiotherapie (CRT) hat die Behandlung des lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms der Kopf-Hals-Region deutlich verbessert. Sie erzielt der primären Chirurgie vergleichbare Ergebnisse, birgt aber das Risiko funktioneller Einbußen bis hin zum dauerhaften Tracheostoma. Hilfreich wären demnach Prognosefaktoren, die im Vorfeld der CRT auf eine Tracheotomieabhängigkeit hinweisen und damit eine gezielte Patientenselektion ermöglichen.

Ziel der CRT ist neben der Tumorkontrolle der Funktions- und Organerhalt. Den Vorteilen (Erhalt der Sprech- und Schluckfunktion, kosmetisches Ergebnis) stehen zahlreiche toxische und radiogene Nebenwirkungen und Spätfolgen wie Mukositis, Xerostomie, Dysphagie, Aspiration, Hypomotilität und Atemwegsobstruktion gegenüber. Ein permanentes Tracheostoma ist dann oft unvermeidbar. Forscher aus Chicago suchten daher nach patienten-, tumor- und therapiebezogenen Prädiktoren für eine Tracheostomaabhängigkeit nach kurativer CRT. Von sekundärem Interesse war, welchen Einfluss ein dauerhaftes Tracheostoma auf Krankheitskontrolle und Gesamtüberleben hat.

G. Jefferson et al. analysierten retrospektiv die Daten von 71 Patienten mit lokoregional fortgeschrittenem Larynx- und 38 mit Hypopharynxkarzinom. Die Patienten waren zwischen 1992 und 2013 kurativ mittels CRT behandelt worden. Die Bestrahlungstechnik wandelte sich im Laufe der Studie von der 3-dimensionalen konformalen Radiotherapie (3DCRT) zur intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT). Das Nachuntersuchungsprogramm beinhaltete CT oder MRT und/oder PET/CT und Laryngoskopie. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug etwa 17 Monate.

Bezogen auf die gesamte Studienkohorte waren laut multivariater Analyse 4 Faktoren mit einer dauerhaften Tracheostomie assoziiert:

  • Tracheostomie bereits vor Beginn der CRT,

  • Subglottische Ausdehnung des Tumors,

  • Lymphknotendissektion nach Radiotherapie,

  • 3-dimensionale konformale Radiotherapie (3DCRT).

Bewertungssystem

★★★★★ Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete Übersicht bietet.

★★★★ Gute experimentelle Arbeit, gute klinische Studie oder gute Übersichtsarbeit.

★★★ Mittelmäßige publikation mit etwas geringerem Innovationscharakter oder nur für Spezialisten geeignet.

★★ Mäßige publikation von geringerem klinischen und erxperimentellen Interesse und leichten methodischen Mängeln.

★ Nur für die Literatursammlung, wesentliche inhaltliche oder formale Mängel.

Die IMRT als neuere Technik war dagegen mit einem geringeren Risiko für eine persistierende Tracheostomie verbunden. Bei separater Analyse in Abhängigkeit der Tumorlokalisation war beim Larynxkarzinom keine eindeutige Assoziation mehr zur Lymphknotendissektion nach Radiotherapie nachweisbar. Beim Hypopharynxkarzinom bestand nur noch eine signifikante Korrelation zur Tracheostomie vor Bestrahlung und zur Abhängigkeit von Sondenernährung. Die Tracheostomieabhängigkeit hatte keinen Einfluss auf lokale Tumorkontrolle, progressionsfreies Überleben oder Gesamtüberleben.

Fazit

Als Hauptrisikofaktoren für ein Langzeit-Tracheostoma nach kurativer CRT von Patienten mit lokal fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom der Kopf-Hals-Region erwiesen sich ein bestehendes Tracheostoma, eine Lymphadenektomie nach Radiotherapie, die Bestrahlungstechnik und die subglottische Tumorausdehnung. Dies sollte in die Entscheidung zwischen primärer CRT und primär operativem Therapieansatz einfließen, um Patienten, die nicht von der organerhaltenden CRT profitieren, keinen unnötigen Risiken auszusetzen.

Renate Ronge, Münster