Der Nuklearmediziner 2004; 27(3): 139-140
DOI: 10.1055/s-2004-822715
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nuklearmedizinische Herzdiagnostik - Wegweiser mit Zukunftspotenzial

Cardiovascular Nuclear Medicine - The Way into the FutureF. M. Bengel1
  • 1Nuklearmedizinische Klinik der TU München
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Publication Date:
16 September 2004 (online)

Trotz deutlich verbesserter Therapiemöglichkeiten gelten kardiovaskuläre Erkrankungen nach wie vor als Hauptursache für die Mortalität in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen. Die steigende Vielfältigkeit der Behandlungsansätze hat einen erhöhten Bedarf an diagnostischen Maßnahmen zur Auswahl geeigneter Patientengruppen mit sich gebracht. Die Datenlage für Effektivität und Nutzen nuklearmedizinischer Herzuntersuchungen in diesem Zusammenhang ist zwischenzeitlich geradezu erdrückend. Insbesondere Studien aus den USA haben belegt, dass nuklearkardiologische Verfahren durch eine genaue Risikobeurteilung des einzelnen Patienten als idealer Wegweiser zu einer individuell optimierten Therapiestrategie der koronaren Herzerkrankung dienen können. Untersuchungsfrequenzen in den USA, die um das mehr als 5fache höher liegen als in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern, zeigen das hohe klinische Potenzial dieser Technik auf, welches hierzulande trotz kontinuierlich leicht steigender Zahlen bei weitem nicht ausgeschöpft ist. An der im interkontinentalen Vergleich geringeren Nutzung nuklearkardiologischer Techniken ursächlich beteiligt sind die regulatorischen Rahmenbedingungen, die die Durchführung der Untersuchungen in Deutschland nahezu ausschließlich in die Hände der Nuklearmedizin legen. Dies vereinfacht das Entstehen von Kommunikationslücken zwischen klinisch-therapeutischen und diagnostisch tätigen Kollegen, die für die Akzeptanz nuklearmedizinischer Techniken bei Kardiologen und Internisten nicht förderlich sind.

Das gerade in Deutschland rasche Emporkommen und Voranschreiten anderer nichtinvasiver Methoden wie der Kardio-MRT und der Kardio-CT sollte dabei weniger als drohende Konkurrenz und mögliche Wachablösung für nuklearmedizinische Herzuntersuchungen verstanden werden, sondern vielmehr als Indikator des allgemein zunehmenden Interesses und Bedarfs an nichtinvasiver Bildgebung in der Kardiologie. Für den Nuklearmediziner gilt es, sich diesem Bedarf anzupassen und auf den klinischen Partner zuzugehen. Wenn interdisziplinäre Kommunikation und eine den Bedürfnissen des Zuweisers angepasste, standardisierte und dem aktuellen technischen Stand entsprechende Diagnostik gewährleistet werden, kann in Zukunft trotz alternativer Verfahren sicherlich ein weiterer Anstieg der Nutzung nuklearmedizinischer Herzuntersuchungen erreicht werden.

Die im Vergleich sehr gute Datenlage zu klinischem Nutzen und Kosteneffektivität sowie das Vorhandensein umfangreicher klinischer Richtlinien bieten gerade in Zeiten knapper werdender Ressourcen eine solide Grundlage für die erfolgreiche Interaktion mit dem klinisch-therapeutischen Kollegen. Das vorliegende Themenheft hat daher zum Ziel, neben dem aktuellen Stand der Technik der Myokardszintigraphie gerade deren klinische Bedeutung und effektive Einsatzmöglichkeit hervorzuheben. Grundlagen für den Dialog mit dem Kliniker sollen auch durch Hervorhebung von Bedürfnissen des Überweisers und von einzelnen Aspekten des Befundberichtes als Schlüsselelement der Kommunikation geschaffen werden. Das Heft schließt mit einem Ausblick auf neue, zukunftsträchtige Ansätze, die sich durch Entwicklungen im Bereich von PET und molekularer Bildgebung ergeben.

Dass auf Ebene der Fachgesellschaften bereits eine erfolgreiche Zusammenarbeit besteht, drückt sich nicht nur im Beitrag verschiedener kardiologischer Experten zu diesem Themenheft aus. Die Arbeitsgruppen der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie haben gemeinsam einen Positionsbericht zur nuklearkardiologischen Diagnostik erarbeitet und veranstalten bereits seit Jahren regelmäßige gemeinsame Fortbildungskurse (nächster Kurs: 23.-25.2.2005, Garmisch-Partenkirchen). Auch auf europäischer Ebene haben sich Experten aus EANM und ESC zum European Council of Nuclear Cardiology (ECNC) zusammengeschlossen, um die professionellen Belange der Nuklearkardiologie gemeinsam zu vertreten und deren Position zu stärken. Einer der ersten Schritte des ECNC war dabei die Etablierung einer Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Certification Board of Nuclear Cardiology, um in Europa ein hochprofessionelles Nuklearkardiologie-Examen anbieten zu können.

Es ist zu hoffen, dass diese interdisziplinären Bemühungen auf eine breite nuklearmedizinische und internistische Basis übertragen werden können. Schließlich kann die Weiterentwicklung der Herzdiagnostik durchaus auch als Wegweiser für das gesamte Fachgebiet der Nuklearmedizin gesehen werden: Klinisch relevante Studien und besonders eine erfolgreiche Interaktion mit dem entsprechenden Kliniker werden generell über die Zukunft der diagnostischen Fachrichtungen entscheiden.

PD Dr. Frank M. Bengel

Nuklearmedizinische Klinik der Technischen Universität München · Klinikum rechts der Isar

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