Laryngorhinootologie 1996; 75(3): 129-134
DOI: 10.1055/s-2007-997550
OTOLOGIE

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der klinische Einsatz von Distorsionsprodukten otoakustischer Emissionen bei Presbyakusis*

Distortion-Product Otoacoustic Emissions - Values for Clinical UseM. Nieschalk, B. Hustert
  • HNO-Universitätsklinik Münster (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. W. Stoll)
* Herrn Prof. Dr. med. H. Feldmann zum 70. Geburtstag gewidmet.
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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Im Hinblick auf die sog. „Altershörigkeit” (Presbyakusis) ist der klinische Einsatz von Distorsionsprodukten otoakustischer Emissionen (DPOAE) Gegenstand der Forschung. Patienten und Methode: Ziel der vorliegenden Arbeit war die Untersuchung des Wachstumsverhaltens der DPOAE bei der Altersschwerhörigkeit. Hierzu wurden 15 normalhörende Erwachsene und 15 gleichaltrige Patienten mit einer Presbyakusis verglichen. Wir haben uns die Frage gestellt, ob sich mit Hilfe der Wachstumsfunktionen der DPOAE cochleäre Funktionsstörungen bei altersschwerhörigen Menschen erkennen lassen. Die Registrierung der DPOAE der Frequenz 2f1-f2 erfolgte unter Beibehaltung eines konstanten Frequenzverhältnisses (f2/f1 = 1,23) im Bereich zwischen f2 = 1129 Hz und f2 = 8875 Hz. √f1·f2 entsprach den Audiometerfrequenzen im Bereich zwischen 1,0 kHz und 8,0 kHz. Zur Erstellung der DPOAE Wachstumsfunktionen wurden die Primärtonpegel L1 und L2 (L1 = L2) in 3-dB Schritten zwischen 20 und 71 dB SPL variiert. Ergebnisse: Die DPOAE Wachstumskurven normalhörender Ohren zeigten zwei unterschiedliche Kurvenanteile. Der erste Kurvenanteil - als Antwort auf Primärtonpegel von bis zu 60 dB SPL - wies einen gekrümmten Verlauf mit einer Sättigungscharakteristik auf. Bei Primärtonpegeln oberhalb von 60 dB SPL näherten sich die Wachstumsfunktionen einem linearen Kurvenverlauf. Die Ohren mit altersbegleitender Hochtonschwerhörigkeit zeigten eine Linearisierung der DPOAE Wachstumsfunktionen mit Verlust der Sättigungscharakteristik nicht nur für Primärtöne aus dem Frequenzbereich des Hörverlustes, sondern auch für die tonaudiometrisch noch normalhörenden Frequenzen. Schlußfolgerungen: Die Registrierung der DPOAE Wachstumsfunktionen bei Presbyakusis ermöglicht somit zusätzliche Informationen über degenerative Veränderungen der äußeren Haarzellen und erlaubt neue Einblicke in den Pathomechanismus der altersbegleitenden Schwerhörigkeit. Die DPOAE Wachstumsfunktionen sind in der Lage, bei einer Presbyakusis auch diskrete pathologische Zustände sowohl in der aktiven als auch der passiven cochleären Signalverarbeitung aufzudecken - bevor dies die klinische Audiometrie vermag.

Summary

Background: DPOAE are still undergoing evaluation for clinical use. The aim of the present study is to assess DPOAE in a clinical setting in order to examine the response of 15 normally hearing adults and to compare the results with those of 15 people with presbycusic ears of known sensorineural high-frequency hearing loss. Methods: For realizing DPOAE input-output (I/O) functions, the two primary stimuli were presented at intensities of the same level ranging from 20 to 71 dB SPL. The geometric mean of primaries represented auditory frequencies varying between 1.0 and 8.0 kHz. Results: We found two clearly separated portions in I/O functions of normally hearing ears. The first portion, in response to primary intensities of 60 dB SPL and below, showed saturation behavior. If primary intensities exceeded 60 dB SPL, I/O functions became more linear. In presbycusic ears, the loss of a saturation portion in response to stimulus levels below 60 dB SPL shows two particularities: Firstly, the linearity in I/O functions, as a response to geometric mean value of primaries with elevated audiometric threshold (above 1.5 kHz), could be explained by lesions in the active properties of the outer hair cells, revealing the cochlear nature of presbycusis. Secondly, the additional loss of a saturation portion in frequencies with normally pure-tone audiometric threshold (up to and including 1.5 kHz) could be interpreted as a result of onset of injury in the active micromechanics of the cochlea - just before its clinical manifestation. Conclusions: DPOAE growth functions may reveal discrete pathological alterations both in the active cochlear signal processing and in the passive mechanisms of the presbycusic cochlea prior to their detection by clinical audiometric tests.

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