Klin Monbl Augenheilkd 1993; 203(8): 121-127
DOI: 10.1055/s-2008-1045659
© 1993 F. Enke Verlag Stuttgart

Zur Prognose intralentaler Bleifremdkörper

Intralenticular Lead-Observation for 50 YearsF. E. Kruse1 , K. Rohrschneider1 , Britta Pfau1 , W. F. Müller2 , H. E. Völcker1
  • 1Universitäts-Augenklinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. HE Völcker)
  • 2lnstitut für Mineralogie der TH Darmstadt (Direktor: Prof. Dr. WF Müller)
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Publication History

Manuskript erstmalig eingcrcicht am 5.3.93

in der vorliegenden Form angcnommcn am 14.4.93

Publication Date:
08 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Prognose von intraokularen Bleifremdkörpern ist umstritten. Obwohl experimentelle Untersuchungen demonstrierten, dass selbst infizierte Bleiprojektile durch Abschuß keimfrei werden, wurde sowohl über das reizfreie Einheilen als auch über entzündlich toxische Reaktionen auf intraokulare Bleifremdkörper berichtet. Darüber hinaus kann Blei im Tierversuch zu reversiblen ERG-Veränderungen führen. Die vorliegende Kasuistik dient der Einschätzung der Langzeitprognose von intralentalen Bleifremdkörpern.

Patient und Methodik: Der 69jährige Patient erlitt 1942 eine beidseitige perforierende Schußverletzung. Während die rechte Linse kurze Zeit später wegen einer traumatischen Katarakt extrahiert wurde, fand sich in der weitgehend klaren linken Linse ein nasal unten gelegener metallisch glänzender Fremdkörper. Eine vom Fremdkörper abgegrenzte hintere Schalentrübung machte 1992 eine Linsenentfernung notwendig. Präoperativ war das ERG normal und Röntgenaufnahmen zeigten multiple Fremdkörper im Mittelgesichtsbereich, die für Bleieinsprengungen typisch sind. Nach unkomplizierter extrakapsulärer Kataraktextraktion wurde zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung des Fremdkörpers eine energiedispersive Röntgenfluoreszenz-Mikroanalyse in einem Rasterelektronenmikroskop durchgeführt und zur weiteren strukturellen Charakterisierung eine Röntgenbeugungsaufnahme mit einer Gandolphi-Kamera angefertigt. Danach bestand der Fremdkörper aus Blei. Seine Oberfläche war jedoch wahrscheinlich zu Bleioxid, -hydroxid oder -carbonat verändert, welche eine weitere Reaktion des Bleis unterband. Zusätzlich wurden Kalzium und Phosphor nachgewiesen, welches dafür spricht, dass Kalziumphosphat an den Fremdkörper angelagert worden ist.

Schlußfolgerung: Dieser Verlauf demonstriert, dass sich intraokulare Bleifremdkörper über Jahrzehnte inert verhalten können und bei intralentaler Lokalisation auch keine ERG-Veränderungen zu erwarten sind. Intralentale Bleifremdkörper außerhalb der optischen Achse können daher bei sonst klarer Linse belassen werden.

Summary

Background: The prognosis of intraocular foreign bodies consisting of lead remains controversial. While experiments have shown that infected lead becomes sterile when fired from rifles, both the total absence as well as presence of severe inflammation have been observed following perforating injuries with lead. Furthermore, alterations of the ERG have been described in experimental settings. This case report is presented in order to clarify the long term prognosis of intralenticular lead particles.

Patient and method: The 69-year-old patient suffered from a bilateral perforating injury caused by a bullet during World War II (1942). The right lens was extracted due to a secondary cataract several weeks following the injury. The left lens remained clear despite a paracentrally located metallic foreign body. The patient underwent extracapsular cataract extraction in 1992 because of an opacity of the posterior capsule which was well separated from the foreign body. Preoperatively the ERG was normal. An energy dispersive X-ray microanalysis in a scanning electron microscope was performed in order to determine the chemical composition of the foreign body, and X-ray diffraction with a Gandolphi camera was used for its structural characterisation. The foreign body consists of lead. However, its surface is probably altered to lead oxide, hydroxide or carbonate, which hindered further reaction of the lead. Caiciumphospate was deposited on the walls of the foreign body.

Conclusion: Our report shows that lead in the lens remains inert for several decades and does not cause alterations in the ERG. Therefore, intralenticular lead outside of the optical axis may be left in situ unless a secondary cataract develops.

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