Pneumologie 2023; 77(02): 94-119
DOI: 10.1055/a-1983-6796
Leitlinie

Pharmakotherapie der idiopathischen Lungenfibrose (ein Update) und anderer progredienter pulmonaler Fibrosen

S2k-Leitline der Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.Pharmacological treatment of idiopathic pulmonary fibrosis (update) and progressive pulmonary fibrosisS2k Guideline of the German Respiratory Society
Jürgen Behr
 1   Medizinische Klinik und Polklinik V, LMU Klinikum der Universität München, Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung; Delegierte/r der DGP
,
Francesco Bonella
 2   Zentrum für interstitielle und seltene Lungenerkrankungen, Klinik für Pneumologie, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen; Delegierter der DGP
,
Björn C. Frye
 3   Klinik für Pneumologie, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland; Delegierter der DGP
,
Andreas Günther
 4   Center for Interstitial and Rare Lung Diseases, University Hospital Giessen Marburg, Giessen, Agaplesion Evangelisches Krankenhaus Mittelhessen, Giessen, Germany; Delegierter der DGP
,
Lars Hagmeyer
 5   Krankenhaus Bethanien Solingen, Klinik für Pneumologie und Allergologie, Zentrum für Schlaf- und Beatmungsmedizin, Institut für Pneumologie an der Universität zu Köln; Delegierter der DGP
,
Jörg Henes
 6   Zentrum für interdisziplinäre Rheumatologie, Immunologie und Autoimmunerkrankungen (INDIRA) und Innere Medizin II; Delegierter DGRh
,
Philipp Klemm
 7   Abt. Rheumatologie und klinische Immunologie, Kerckhoff Klinik und Campus Kerckhoff der Justus-Liebig-Universität Gießen, Bad Nauheim; Delegierter der DGRh
,
Dirk Koschel
 8   Fachkrankenhaus Coswig, Lungenzentrum und Medizinische Klinik 1, Universitätsklinik Carl Gustav Carus der TU Dresden; Delegierter der DGP
,
Michael Kreuter
 9   Zentrum für interstitielle und seltene Lungenerkrankungen & interdisziplinäres Sarkoidosezentrum, Thoraxklinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Deutsches Zentrum für Lungenforschung Heidelberg und Klinik für Pneumologie, Interdisziplinäres Lungenzentrum Ludwigsburg, RKH Klinik Ludwigsburg; Delegierter der DGIM
,
Gabriela Leuschner
 1   Medizinische Klinik und Polklinik V, LMU Klinikum der Universität München, Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung; Delegierte/r der DGP
,
Dennis Nowak
10   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, LMU Klinikum der Universität München, Comprehensive Pneumology Center (CPC) München, Mitglied des Deutsches Zentrums für Lungenforschung; Delegierter der DGAUM
,
Antje Prasse
11   Klinik für Pneumologie und Infektiologie, Medizinische Hochschule Hannover, DZL BREATH und Abteilung für Fibroseforschung, Fraunhofer ITEM, Hannover, Delegierte der DGP
,
Bernd Quadder
12   Deutsche Sarkoidose-Vereinigung e. V.
,
Helmut Sitter
13   Institut für Theoretische Chirurgie, Philipps-Universität Marburg, Moderator
,
Ulrich Costabel
 2   Zentrum für interstitielle und seltene Lungenerkrankungen, Klinik für Pneumologie, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen; Delegierter der DGP
› Author Affiliations
 

1 Präambel: Definitionen: IPF; PPF (PF-ILD)

Interstitielle Lungenerkrankungenerkrankungen (ILD) zeichnen sich durch unterschiedlich ausgeprägte entzündliche und fibrosierende Komponenten aus [1]. Das Ausmaß der Fibrose korreliert außerdem invers mit dem Potenzial der Reversibilität einer ILD. Während die akute (entzündlich-zelluläre) Form der exogen-allergischen Alveolitis folgenlos abheilen kann (restitutio ad integrum), führt die IPF als Modellerkrankung einer fibrosierenden ILD zu einer irreversiblen und fortschreitenden Fibrose des Lungenparenchyms. Einen Überblick über die wichtigsten Krankheitsentitäten und die Häufigkeit der Ausbildung einer progredienten fibrosierenden ILD (PF-ILD) zeigt [Abb. 1] [2].

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Abb. 1 Interstitielle Lungenerkrankung (ILD) ohne die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) [2]. Quelle: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-025 [rerif].

Für die IPF existieren diagnostische Leitlinien, die eine sichere Diagnosestellung erlauben [3] [4]. Außerdem ist vielfach gezeigt, dass die IPF-Diagnose per se in der Mehrzahl der Fälle mit einem progredient fibrosierenden Verlauf und einer hohen Letalität einhergeht, ohne dass schon bei Diagnosestellung eine Progression erkennbar sein muss. Die Progression der IPF zeigt sich in einer Zunahme respiratorischer Symptome, in einer parallel hierzu abnehmenden Lungenfunktion und in einer progredienten Umwandlung von gesundem Lungengewebe in fibrotisches Narbengewebe, erkennbar im hochauflösenden Computertomogramm (HRCT). Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurden bisher zwei Medikamente, Nintedanib und Pirfenidon, zur Therapie der IPF zugelassen, weil sie zu einer Reduktion der Progession, messbar als geringere Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC), führen.

Weniger eindeutig ist die Situation bei anderen ILD, die eine relevante entzündliche Krankheitskomponente aufweisen und oft erst im Krankheitsverlauf den progredient fibrosierenden Charakter entwickeln. Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass durchschnittlich 18–32 % der ILD in einen progredient fibrosierenden Verlauf (PF-ILD) übergehen [5] [6] [7] [8] [9] [10]. Dabei hat die fibrosierende Komponente einer PF-ILD pathobiologisch Gemeinsamkeiten mit der IPF und lässt sich durch antifibrotisch wirkende Medikamente ähnlich günstig beeinflussen wie diese. Durch Studien und eine Metaanalyse belegt ist dies bisher für das Antifibrotikum Nintedanib, welches auf dieser Basis für die Therapie der PF-ILD zugelassen wurde [11] [12]. Weiterhin zeigen zwei randomisierte, kontrollierte Therapiestudien und deren Metaanalyse zwar eine signifikante Verminderung der Krankheitsprogression und Protektion der Lungenfunktion durch das Antifibrotikum Pirfenidon, diese Studien sind jedoch durch fehlerhafte Wahl des primären Studienendpunkt bzw. zu geringe Fallzahl weniger aussagekräftig [1] [13] [14]. Für Pirfenidon existiert zum jetzigen Zeitpunkt keine Zulassung für die Indikation PF-ILD. In den entsprechenden Zulassungsstudien bediente man sich klinischer Verlaufskriterien, um das Vorliegen einer PF-ILD festzustellen. In den Studien zu Nintedanib musste mindestens eines der folgenden Kriterien bereits bei Studieneinschluss erfüllt sein [11]:

  1. Relativer FVC-Abfall ≥ 10 % des Sollwertes innerhalb von 24 Monaten

  2. Relativer FVC-Abfall von ≥ 5 %– < 10 % des Sollwertes und Zunahme der respiratorischen Symptome innerhalb von 24 Monaten

  3. Relativer FVC-Abfall von ≥ 5 %– < 10 % des Sollwertes und Zunahme der Fibrosezeichen im HRCT innerhalb von 24 Monaten

  4. Zunahme der Fibrosezeichen im HRCT und Zunahme der respiratorischen Symptome innerhalb von 24 Monaten

Die Feststellung des PF-ILD Phänotyps in den Studien zu Pirfenidon beruhte auf folgenden Kriterien [13] [14]:

  1. Absoluter FVC-Abfall ≥ 5 % des Sollwertes pro Jahr extrapoliert aus mindestens drei Messungen innerhalb von 6–24 Monaten [13]

  2. Absoluter FVC-Abfall > 5 % des Sollwertes innerhalb von 6 Monaten [14]

  3. Signifikante Zunahme der respiratorischen Symptome innerhalb von 6 Monaten, die nicht durch kardiovaskuläre oder andere Ursachen erklärt werden kann [14]

In einigen Publikationen wurden auch andere Kriterien für die Feststellung der Progression und somit des PF-ILD Phänotyps verwendet:

  • Absoluter Abfall der FVC oder der DLco um ≥ 10 % des Sollwertes (FVC) bzw. ≥ 15 % des Sollwertes (DLco) innerhalb von 24 Monaten [15]

  • Relativer Abfall der FVC um ≥ 5 % und der DLco um ≥ 15 % innerhalb von 24 Monaten [16]

Neben den oben beschriebenen Kriterien können auch die folgenden Befunde und klinischen Ereignisse auf das Vorliegen einer Progression der fibrosierenden ILD hinweisen, insbesondere, wenn andere Ursachen ausgeschlossen sind [17]:

  1. Einleitung einer Langzeitsauerstofftherapie bei Belastung oder in Ruhe nach Maßgabe der aktuellen Leitlinie zur Langzeit-Sauerstofftherapie [18].

  2. Stationäre Behandlung infolge zunehmender Atembeschwerden bzw. wegen einer akuten Exazerbation der ILD

  3. Abnahme der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest

  4. Abnahme der minimalen Sauerstoffsättigung während des 6-Minuten-Gehtests

Während in der RELIEF-Studie eine Mindestbeobachtungszeit von 6 Monaten vorgeschrieben war, hat keine andere Studie oder Empfehlung zur Frage der mindest-erforderlichen Beobachtungszeit, um eine Progression festzustellen, Stellung genommen [13]. Eine anti-inflammatorsiche Vorbehandlung war in keiner der genannten Studien eine zwingende Voraussetzung für den Studieneinschluss.

In der aktuellen internationalen Leitlinie der ATS/ERS/JRS/ALAT wird zum einen der Begriff der „Progredienten Pulmonalen Fibrose“ (PPF) anstelle des bisher verwendeten Begriffs der PF-ILD eingeführt und zum anderen die Progression wie folgt definiert [2]:

Es müssen mindestens zwei der folgenden drei Hauptkriterien jeweils innerhalb eines Jahres erfüllt sein:

  1. Verschlechterung der respiratorischen Symptome

  2. Nachweis einer Krankheitsprogression anhand der Lungenfunktion (eines der folgenden Kriterien muss erfüllt sein):

    • Absoluter Abfall der FVC ≥ 5 % des Sollwertes

    • Absoluter Abfall der DLCO (Hb-korrigiert) ≥ 10 % des Sollwertes

  3. Radiologischer Nachweis der Krankheitsprogression (mindestens eines der folgenden Kriterien muss erfüllt sein):

    • Zunahme von Ausmaß oder Schweregrad von Traktionsbronchi(ol)ektasen

    • Neu auftretende Milchglasverschattung mit Traktionsbronchiektasen

    • Neu auftretende feine Retikulationen

    • Zunahme von Ausmaß oder Deutlichkeit von Retikulationen

    • Neuauftreten oder Zunahme von Honigwaben

    • Zunehmender Volumenverlust von Lungenlappen

Generell müssen andere Ursachen, die eine Verschlechterung der respiratorischen Symptome, der Lungenfunktionsmesswerte oder der radiologischen Befunde hervorrufen können, ausgeschlossen werden, bevor die genannten Kriterien als Nachweis der Krankheitsprogression im Sinne der PPF gewertet werden dürfen. Dies gilt in besonderer Weise für die DLCO, welche durch zahlreiche, auch extrapulmonale Faktoren beeinflusst wird [2].

Die deutsche Leitliniengruppe schließt sich der vorgeschlagenen Nomenklatur „Progrediente Pulmonale Fibrose“ (Progressive Pulmonary Fibrosis, PPF) an und betont, dass dieser Begriff synonym zu verstehen ist mit dem bisherigen Begriff der PF-ILD, der auch im Zulassungstext der EMA verwendet wurde. Die deutsche Leitliniengruppe beurteilt die in der internationalen Leitlinie vorgeschlagene Definition der Progression als zu eng gefasst, insbesondere, weil sie wichtige klinische Indikatoren der Progression außer Acht lässt und weil eine Lungenfunktionsprüfung zur Erfüllung der funktionellen Kriterien bei einigen Patienten, z. B. nach einer Exazerbation, gar nicht mehr durchgeführt werden kann, obwohl eindeutig eine Progression vorliegt. Dadurch könnten relevante Patientengruppen von einer für sie vorteihaften antifibrotischen Therapie ausgeschlossen werden, weil sie die Progressionskriterien nicht mehr erfüllen können.

Aus Sicht der Leitliniengruppe müssen folgende Voraussetzungen für die Einleitung einer antifibrotischen Therapie bei einer PPF erfüllt sein:

  1. Im HRCT muss eine fibrosierende ILD vorliegen, die mindestens 10 % des Lungenparenchyms erfasst hat.

  2. Für den Nachweis der Progression muss eine klinische, funktionelle oder röntgen-morphologische Verschlechterung während eines angemessenen Zeitraums innerhalb von 24 Monaten vorliegen. In Anlehnung an die Zulassungs-relevante INBUILD-Studie [11] gelten orientierend folgende Kriterien:

    • entweder ein relativer Abfall der FVC ≥ 10 %

    • oder Nachweis von mindestens zwei der folgenden Kriterien: 1. Zunahme der respiratorischen Symptome; 2. Relativer FVC-Abfall von ≥ 5 % des Sollwertes

  3. Zunahme der Fibrosezeichen im HRCT[1]

  4. Absoluter Abfall der DLco um ≥ 15 % des Sollwertes (DLco)

  5. Einleitung einer Langzeitsauerstofftherapie bei Belastung oder in Ruhe oder dauerhafte Steigerung des Sauerstoffflusses einer bereits bestehenden Langzeitsauerstofftherapie um mindesten 1 l/min nach Maßgabe der aktuellen Langzeit-Sauerstofftherapie Leitlinie [18]

  6. Stationäre Behandlung infolge zunehmender Atembeschwerden bzw. wegen einer akuten Exazerbation der ILD

  7. Abnahme der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest um ≥ 50 m oder 20 % und/oder Abnahme der minimalen Sauerstoffsättigung während des 6-Minuten-Gehtests um > 5 % und unter 88 % absolut bei Raumluftatmung bzw. konstanter Sauerstoffflussrate

Dieser Vorschlag fasst nach Ansicht der Leitliniengruppe die in Studien erfolgreich eingesetzten und die klinisch plausiblen Kriterien zusammen und schließt keine Patientengruppe aus. Durch das Eingangskriterium eines Befalls von mindestens 10 % des Lungenparenchyms durch einen fibrosierenden Lungengerüstprozess wird zusätzlich die Progressionswahrscheinlichkeit erhöht. Die Leitliniengruppe betont außerdem, dass jedes dieser Kriterien nur valide ist und damit als Indikator einer progredienten Fibrose angewendet werden darf, wenn zuvor andere Ursachen einer Verschlechterung ausgeschlossen wurden. Auszuschließende Ursachen einer klinischen Verschlechterung sind insbesondere die Linksherzinsuffizienz mit pulmonalvenöser Stauung, die Entstehung einer pulmonalen Hypertonie, eine Überwässerung infolge Herz- oder Niereninsuffizienz und Infektionen.

Während die Zulassung von Nintedanib und Pirfenidon zur Behandlung der IPF eine klassische, Diagnose-bezogene Zulassung darstellt, gilt die Zulassung von Nintedanib für die PPF nicht für eine singuläre Erkrankung sondern für eine klinische Verlaufsform, die bei unterschiedlichen Krankheitsentitäten auftreten kann. Zusätzlich zu den Progressionskriterien ist daher zu beachten, dass grundsätzlich CT-morphologisch in einem adäquaten Dünnschicht-HRCT oder im histologischen Präparat (wenn verfügbar) eine fibrosierende ILD vorliegen muss. Sichere radiologische Kriterien einer Lungenfibrosierung stellen Honigwaben und Traktionsbronchiektasen bzw. Bronchiolektasen dar, Retikulationen weisen ebenfalls auf eine Fibrosierung hin, insbesondere wenn sie in größerem Umfang und unmittelbar subpleural auftreten [3] [4].

Im Rahmen dieser Leitlinie beziehen sich alle Aussagen zur medikamentösen Therapie entweder auf Patienten[2], bei denen eine IPF nach den in der aktuellen Leitlinie beschriebenen Kriterien in einer multidisziplinären Diskussion (MDD) diagnostiziert wurde [4], oder im Fall der PPF auf Patienten mit einer fibrosierenden ILD, die mindestens 10 % des Lungenparenchyms befallen hat und bei denen eine Progression entsprechend der o. g. Kriterien nachgewiesen wurden. Für die Feststellung einer PPF ist die multidisziplinäre Diskussion in einem ILD-Board maßgebend.

Die multidisziplinäre Diskussion im ILD-Board spielt somit sowohl für die Diagnosefindung als auch für die Feststellung der Progression und damit für die Therapieindikation eine zentrale Rolle. Um dieser Funktion gerecht werden zu können, muss das ILD-Board als Mindestanforderung einen im Bereich ILD erfahrenen Pneumologen und einen Radiologen mit entsprechender Expertise umfassen; wenn histologische Befunde zur Beurteilung vorliegen, muss zusätzlich ein Pathologe mit Fachexpertise im Bereich der Lungenerkrankungen hinzugezogen werden [3]. Weitere optionale Mitglieder eines ILD-Boards sind u. a. Rheumatologen, Thoraxchirurgen, Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Palliativmediziner.

Als Besonderheit abzugrenzen sind die Interstitiellen Lungen-Auffälligkeiten (ILA, interstitial lung abnormalties), welche definitionsgemäß > 5 % des Lungenparenchyms in mindestens einer Lungenzone (oben, Mitte, unten) ausmachen und bei asymptomatischen Personen zufällig entdeckt werden [19]. Für deren Management wird an dieser Stelle auf das entsprechende Positionspapier der Fleischner Society verwiesen [19].


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2 Diskussion und Wertung einzelner medikamentöser Verfahren

2.1 Sollen IPF-Patienten antifibrotisch behandelt werden?

E1

Empfehlung

↑↑

IPF-Patienten sollen mit einem der aktuell zugelassenen Antifibrotika – Nintedanib oder Pirfenidon – behandelt werden.

Konsensstärke: 100 %

2.1.1 Sollen IPF-Patienten mit Nintedanib behandelt werden?

Nintedanib inhibiert verschiedene Rezeptortyrosinkinasen und blockiert dadurch insbesondere die Signaltransduktion der Wachstumsfaktoren Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), Fibroblast Growth Factor (FGF) und Platelet Derived Growth Factor (PDGF).

Im letzten Update der S2k-Leitlinie zur medikamentösen Therapie der IPF von 2017 lautete die Empfehlung: „Patienten mit IPF sollen mit Nintedanib behandelt werden“ [20]. Inzwischen gilt eine antifibrotische Therapie in der Behandlung von Patienten mit IPF als „standard of care“. Die Effektivität der Therapie mit Nintedanib konnte in mehreren Studien belegt und in Real-World-Kollektiven weiter erhärtet werden.

Vor der Zulassung wurde Nintedanib in drei klinischen Studien untersucht, einer Phase II-Studie (TOMORROW) und zwei Zwillings-Phase III-Studien (INPULSIS-1 und -2) [21] [22]. Alle drei Studien zeigten übereinstimmend, dass 150 mg Nintedanib 2-mal täglich den jährlichen FVC-Abfall reduzieren und somit das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann (TOMORROW: Placebo-Arm –190 ml/Jahr, Therapie-Arm: –60 ml/Jahr; INPULSIS-1: Placebo-Arm –239,9 ml/Jahr, Therapie-Arm –114,7 ml/Jahr; INPULSIS-2: Placebo-Arm –207,3 ml/Jahr, Therapie-Arm –113,6 ml/Jahr; jeweils p < 0,001. Außerdem war in INPULSIS-2 die Zeit bis zur ersten akuten Exazerbation verlängert [22]. In der gepoolten Analyse der beiden INPULSIS-Studien ergab sich bei den adjudizierten akuten Exazerbationen ein signifikant positiver Effekt [22]. In der gepoolten Analyse von TOMORROW, INPULSIS-1 und INPLUSIS-2 zeigte sich auch die Zeit bis zur ersten Untersucher-berichteten akuten Exazerbation signifikant verlängert [22], und bei der Lebensqualität gemessen mittels SGRQ (Saint George Respiratory Questionnaire) ergab sich ein Trend zu Gunsten von Nintedanib [22].

Die häufigsten Nebenwirkungen in diesen Studien waren Diarrhoen und Übelkeit. Andere und insbesondere schwere unerwünschte Nebenwirkungen wurden in vergleichbarer Häufigkeit im Verum- wie im Placebo-Arm beobachtet [22].

Die Daten der Verlängerungsstudien von TOMORROW und der INPULSIS-Studien (INPULSIS-ON) bestätigten den positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf von Nintedanib bei IPF über 52 Wochen hinaus (mittlere Behandlungsdauer 45, maximale 68 Monate) bei unverändertem Nebenwirkungsprofil [23] [24].

Diverse Post-hoc-Analysen der INPULSIS-Studien hinsichtlich Subgruppen ergaben keine Unterschiede des Effekts von Nintedanib bezüglich Alter, Geschlecht, Ethnie, Raucherstatus, baseline FVC, baseline SGRQ, Therapie mit Steroiden, Therapie mit Bronchodilatatoren, Komedikation mit Antazida, CT-Muster, Begleit-Emphysem und Komorbiditäten [25] [26] [27] [28] [29] [30]. In einer gepoolten Analyse aus fünf randomisierten Studien war der positive Effekt von Nintedanib auf den Verlust an FVC auch bei Patienten < 75 Jahren und ≥ 75 Jahren ebenso wie bei Patienten mit 5 Komorbiditäten und ≥ 5 Komorbiditäten vergleichbar [31]. Weitere Post-hoc-Analysen der INPULSIS-Studien ergaben, dass mehr Patienten aus dem Nintedanib-Arm als aus dem Placebo-Arm eine Verbesserung bzw. keinen Abfall der FVC über den Studienzeitraum aufwiesen (25 % vs. 9 %) [32] und dass Nintedanib das Risiko für das Auftreten von akuten Exazerbationen senkt [33] [34].

In den INPULSIS-Studien wurden keine Patienten mit stark eingeschränkter Lungenfunktion (FVC ≤ 50 % oder DLCO ≤ 30 %) eingeschlossen. Dies war jedoch in der INPULSIS-ON-Studie [24] [35] und in der INSTAGE-Studie der Fall, welche über 24 Wochen den Effekt von Nintedanib vs. die Kombination aus Nintedanib und Sildenafil bei Patienten mit IPF und einem stark eingeschränkten Gasaustausch (DLCo ≤ 35 %) untersuchte [36]. Der Effekt von Nintedanib auf den Verlust an FVC war in diesen Studien bei Patienten mit fortgeschrittener Lungenfunktionseinschränkung vergleichbar zu den INPULSIS-Zulassungsstudien mit geringer bis moderater Lungenfunktionsstörung [36]. Sicherheit und Verträglichkeit von Nintedanib waren in beiden Patientengruppen ähnlich [37].

Klinische Erfahrungswerte aus deutschen IPF-Zentren bestätigten die positiven Effekte von Nintedanib bei Real-World-Patienten [38]. Auch sog. Real-World-Erfahrungsberichte aus verschiedenen anderen Ländern bestätigen ähnliche klinische Verläufe mit dem bereits bekannten Nebenwirkungsprofil auch bei Patienten mit weiter fortgeschrittener Erkrankung wie in den klinischen Studien [39] [40] [41] [42]. Retrospektive Studien konnten zeigen, dass die Therapie mit Nintedanib bei Patienten vor Lungentransplantation sicher ist in Hinblick auf Blutungsrisiko, Wundheilung und kurzfristiges post-operatives Überleben [43] [44] [45].

Bezüglich der Gesamtmortalität konnten in der gepoolten Analyse der INPULSIS-Studien Vorteile einer Nintedanibtherapie beobachtet werden, die statistische Signifikanz wurde aber nur bei der On-treatment-Auswertung erreicht [11]. Die Extrapolation gepoolter Daten aus sechs klinischen Studien legt mittlerweile die Vermutung nahe, dass Nintedanib die Lebenserwartung von Patienten mit IPF verlängert [46]. Dies unterstützen auch Daten von Medicare-versicherten Patienten aus den USA und dem deutschen INSIGHTS-IPF-Register sowie dem europäischen IPF-Register, die Hinweise darauf geben, dass eine antifibrotische Therapie einen protektiven Effekt in Hinblick auf das Überleben haben könnte [47] [48] [49]. Allerdings war der Anteil der mit Nintedanib oder Pirfenidon behandelten Patienten unterschiedlich; sofern Vergleiche zwischen den beiden Therapieoptionen durchgeführt wurden, ergaben sich keine Unterschiede.

Die Auswertung von weltweiten Pharmakovigilanz-Datensätzen von 2014–2018 zeigte, dass auch hier das Sicherheitsprofil von Nintedanib bei Patienten mit IPF nicht von dem abweicht, was bereits in den klinischen Studien zu beobachten war und in der Packungsbeilage beschrieben ist [50]. Sicherheitsbedenken wurden nicht geäußert.

Aus Sicht der Leitliniengruppe untermauern diese neuen Post-hoc-Analysen, Langzeitdaten und Real-World-Beobachtungen, dass Nintedanib einen positiven und klinisch relevanten Effekt auf den Krankheitsverlauf der IPF ausübt, bei einem insgesamt akzeptablen Nebenwirkungsprofil (Nebenwirkungsmanagement siehe Kapitel 4.3.2 „Wann sollte ein Therapiewechsel erfolgen – Bei PPF?“).


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2.1.2 Sollen IPF-Patienten mit Pirfenidon behandelt werden?

Pirfenidon ist ein antifibrotisches Medikament, welches die Produktion von profibrotischen und proinflammatorischen Zytokinen hemmen [51] und die Kollagensynthese und Fibroblastenproliferation reduzieren kann [52].

In der letzten Version der S2k-Leitlinie „Idiopathische Lungenfibrose – Update zur medikamentösen Therapie“ von 2017 wurde für Pirfenidon eine gleich lautende Empfehlung wie für Nintedanib ausgesprochen: „Patienten mit IPF sollen mit Pirfenidon behandelt werden“ [20] (siehe Kapitel 2.1 „Sollen IPF-Patienten antifibrotisch behandelt werden?“). Die Effektivität der Therapie mit Pirfenidon konnte in mehreren Studien und in Real-World-Situationen erhärtet werden.

Pirfenidon wurde bei Patienten mit IPF in sechs klinischen Studien untersucht: zwei Phase-II-Studien, wovon eine offen [54] und eine randomisiert [55] war, und vier Phase-III-Studien [56] [57] [58]. Während die Patienten in der Phase-III-Studie CAPACITY 1 in drei Gruppen randomisiert wurden (Hochdosis-Pirfenidon: 2403 mg/Tag; Niedrigdosis-Pirfenidon: 1197 mg/Tag; Placebo), bestand die ansonsten identisch angelegte Studie CAPACITY 2 lediglich aus zwei Gruppen (Hochdosis-Pirfenidon: 2403 mg/Tag; Placebo) [57]. Über 72 Wochen kam es bei CAPACITY 1 unter Pirfenidon in der Hochdosis-Therapiegruppe im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Reduktion des FVC-Abfalls (mittlere Abweichung vom Ausgangswert –8,0 % absolut vs. –12 % absolut; p = 0,01, wohingegen bei CAPACITY 2 kein signifikanter Unterschied beobachtet werden konnte (–9,0 % vs. –9,6 %; p = 0,50). Die gepoolte Analyse beider CAPACITY-Studien (Hochdosis vs. Placebo) ergab signifikante Vorteile einer Therapie mit Pirfenidon für den FVC-Abfall, den kategorialen Abfall der FVC > 10 %, das progressionsfreie Überleben und die 6-Minuten-Gehstrecke, nicht jedoch in Bezug auf die Gesamtmortalität [57]. In der ASCEND-Studie (A Randomized, Double-Blind, Placebo Controlled Trial of Pirfenidone in Patients with Idiopathic Pulmonary Fibrosis) erhielten die Patienten entweder Pirfenidon (2403 mg/Tag) oder Placebo [58]. Unter Therapie mit Pirfenidon war nach 52 Wochen der Abfall der FVC (% Soll) um 41,5 % und der Anteil der verstorbenen Patienten oder derer mit FVC-Verlust ≥ 10 % um 47,9 % geringer (p = 0,001) als unter Placebo. Die Therapie mit Pirfenidon ergab signifikante Vorteile für die 6-Minuten-Gehstrecke, das progressionsfreie Überleben und reduzierte die Mortalität numerisch, wenn auch nicht signifikant (HR 0,55; KI 0,26–1,15; p = 0,10) [58]. Die gepoolte Analyse von CAPACITY 1 und 2 und ASCEND unter Betrachtung aller Patienten mit 2403 mg Pirfenidon und Placebo ergab signifikante Therapiebenefits für den FVC-Abfall, einen FVC-Abfall ≥ 10 % oder Tod, das progressionsfreie Überleben, die 6-Minuten-Gehstrecke und das Dyspnoeempfinden [59]. Die gepoolten Analysen aller drei Studien zeigten für die Gesamtmortalität, die IPF-assoziierte Gesamtmortalität sowie die jeweils unter aktiver Therapie beobachtete Gesamt- und IPF-assoziierte Mortalität einen signifikanten Vorteil für eine Therapie mit Pirfenidon [58] [60]. In der Open-Label-Verlängerungsstudie von ASCEND und CAPACITY (RECAP) ergaben sich keine neuen Gesichtspunkte in Bezug auf Langzeitverträglichkeit und Sicherheitsprofil von Pirfenidon [61].

Die gepoolten Daten belegen, dass unter Therapie mit Pirfenidon v. a. Übelkeit, Hauteffloreszenzen (inkl. Phototoxizität) und Anorexie häufiger auftreten [59] [62].

Für die Studien CAPACITY und ASCEND wurden verschiedene Post-hoc-Analysen von Subgruppen veröffentlicht. So ergaben sich keine Unterschiede in der Therapiewirkung in Bezug auf baseline FVC und GAP (Geschlecht, Alter, Physiologie)-Index [63]. Auch Patienten mit stark eingeschränkter Lungenfunktion (FVC < 50 % und/oder DLCO < 35 %) profitierten von einer Therapie mit Pirfenidon in Hinblick auf FVC-Verlust, Gesamtmortalität und Hospitalisierung ohne wesentlich erhöhtes Risiko für unerwünschte Ereignisse [64]. Post-hoc konnte außerdem gezeigt werden, dass Pirfenidon das Risiko für eine respiratorisch bedingte stationäre Aufnahme innerhalb eines Jahres reduziert [65]. Eine weitere Post-hoc-Analyse der CAPACITY und ASCEND Daten ergab, dass Pirfenidon das mehrfache Auftreten eines als Krankheitsprogression definierten Ereignisses (definiert als relativer FVC-Verlust ≥ 10 % absolut, Verlust ≥ 50 m in der 6-Minuten-Gehstrecke, respiratorisch-bedingte Hospitalisierung oder Tod jeglicher Ursache) und den Tod nach einem solchen Progressionsereignis innerhalb eines Jahres reduziert [66]. Außerdem kam es bei Patienten mit weiter fortgeschrittener Erkrankung (FVC < 80 % und/oder GAP-Stadium II/III) zu positiven Effekten auf die subjektive Dyspnoe unter Pirfenidon [67]. Eine Post-hoc-Analyse der RECAP-Extensionsstudie zeigte, dass es auch bei Patienten mit stark eingeschränkter Lungenfunktion (FVC < 50 % und/oder DLCO < 35 %) über einen längeren Zeitraum zu einem ähnlichen Verlauf des FVC-Abfalls kommt wie bei Patienten mit weniger stark eingeschränkter Lungenfunktion und sich das Sicherheitsprofil ähnelt [68]. Außerdem war die Kombinationstherapie aus Pirfenidon und Antazida vergleichbar zu Pirfenidon allein bei den Patienten aus den CAPACITY- und ASCEND-Studien [69].

Die Beobachtungen aus der multizentrischen PASSPORT-Studie, in der Real-World-IPF-Patienten unter Pirfenidontherapie über zwei Jahre beobachtet wurden, stimmten mit dem aus den klinischen Studien bekannten Sicherheitsprofil überein [70]. Auch Real-World-Daten aus Deutschland bestätigen den Therapiebenefit von Pirfenidon ohne das Auftreten neuer unerwünschter Ereignisse [71] [72] [73]. Eine Therapie mit Pirfenidon scheint auch bei Patienten vor Lungentransplantation sicher zu sein und geht nicht mit einem erhöhten Blutungsrisiko, verzögerter Wundheilung oder schlechterem kurzfristigen post-operativen Überleben einher [43] [44] [45].

Insgesamt scheint eine antifibrotische Therapie mit einem der bis dato zugelassenen Medikamente das Überleben bei IPF zu verlängern [47] [48] [49]. Daten aus einer kleinen Studie mit 43 Patienten zeigen außerdem positive Effekte einer Therapie mit Pirfenidon auf eine vorhandene Hustensymptomatik bei Patienten mit IPF [74].

Aus Sicht der Leitliniengruppe belegen die Studien unverändert, dass Pirfenidon einen positiven und klinisch relevanten Effekt auf den Krankheitsverlauf der IPF ausübt, bei einem insgesamt akzeptablen Nebenwirkungsprofil (Nebenwirkungsmanagement siehe Kapitel 4.2 „Wann sollte eine antifibrotische Therapie beendet werden?“).


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2.2 Sollen IPF-Patienten mit einer antaziden Medikation behandelt werden?

E2

Empfehlung

↓↓

IPF-Patienten sollen zur Behandlung der Lungenfibrose nicht mit Antazida therapiert werden.

Konsensstärke: 100 %

Bei Patienten mit einer IPF ist die Prävalenz des gastro-ösophagealen Reflux (GERD) erhöht [75] und die Aspiration von Refluat führt möglicherweise zu einer Lungenparenchymschädigung [76]. In diesem Zusammenhang legt eine kleine Studie mit IPF-Patienten nahe, dass eine operative Intervention zur Reduktion des Refluxes mittels Fundoplikatio zu einer langsameren Progression der IPF führt [77]. Inwieweit eine antazide Therapie einen ähnlichen Effekt auf die IPF-Progression hat, wurde bisher nicht in einer prospektiven, placebokontrollierten Studie geprüft. In verschiedenen Post-hoc-Analysen zeigt sich kein Hinweis auf einen Überlebensvorteil oder einen langsameren Verlust der Lungenfunktion bei Patienten mit einer antaziden Therapie [78]. So ergab sich weder im Placebo- noch im Verum-Arm der Pirfenidon- und Nintedanib-Studien ein positiver Effekt auf Überleben oder Lungenfunktionsverlust für die Patienten, die zusätzlich Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) erhielten [29] [79] [80]. Diese Post-hoc-Beobachtungen passen auch zu Analysen aus dem britischen Gesundheitssystem. Hier wurde in einem sogenannten „new user cohort design“ der Effekt einer begonnenen PPI-Therapie bei mehr als 1800 Patienten mit einer bereits diagnostizierten IPF im Vergleich zu passenden Patienten mit einer IPF ohne eine PPI-Therapie untersucht [81]; es zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich der Gesamtmortalität oder der Hospitalisationsrate [82].

Auf Basis der Studiendaten ist eine antazide Therapie der IPF (mit PPI) nicht gerechtfertigt. Unabhängig hiervon besteht auch bei IPF-Patienten die Indikation für eine leitliniengerechte Therapie einer gastro-ösophagealen Refluxkrankheit.


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2.3 Sollen IPF-Patienten mit N-Acetylcystein behandelt werden?

E3

Empfehlung

↓↓

IPF-Patienten sollen nicht mit N-Acetylcystein behandelt werden.

Konsensstärke: 100 %

Seit den initialen Studien zur Wirkung von N-Acetylcystein in Kombination mit Azathioprin und Kortison sowie als Monotherapie bei der IPF [83] [84], in denen keine überzeugende Wirkung von N-Acetylcystein auf die FVC gezeigt werden konnte, haben weitere Studien die Wirkung von N-Acetylcystein bei der IPF untersucht. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2019 [85] beschreibt zwar einen positiven Effekt von N-Acetylcystein auf die FVC, einschränkend muss aber konstatiert werden, dass überwiegend nicht ausreichend gepowerte Studien mit geringen Fallzahlen sowie Studien, die eine Kombination von N-Acetylcystein mit Kortikosteroiden untersuchten, analysiert wurden. Die Kombination von N-Acetylcystein mit Pirfenidon als einem der aktuell für die IPF-Therapie empfohlenen Medikamente zeigt keinen Zusatznutzen hinsichtlich Lebensqualität oder einer Progressionsverlangsamung [86] [87]. Die inhalative Gabe von N-Acetylcystein zusätzlich zu Pirfenidon scheint sogar einen schädlichen Effekt zu haben [88]. Interessant sind Post-hoc-Analysen von Patientenkohorten, welche mit N-Acetylcystein im Rahmen von (u. a. der oben erwähnten) Studien behandelt wurden. In diesen Analysen zeigt sich ein in Abhängigkeit vom TOLLIP-Genotyp unterschiedlicher Verlauf der Lungenfunktion bei N-Acetylcystein-behandelten Patienten [89]. Eine entsprechende prospektive Studie rekrutiert gerade IPF-Patienten für eine Genotyp-stratifizierte Behandlung mit N-Acetylcystein (clinicaltrials.gov; NCT04300920). Zudem legt eine weitere retrospektive Untersuchung einen positiven Effekt von N-Acetylcystein auf das Transplantat-freie Überleben von Patienten mit einer ANA-positiven Lungenfibrose nahe [90].

Auf Grundlage der bisher verfügbaren Daten sollen IPF-Patienten nicht mit N-Acetylcystein behandelt werden. Es erscheint jedoch möglich, dass in Zukunft IPF-assoziierte Genpolymorphismen und/oder Phänotypen identifiziert werden, bei denen N-Acetylcystein wirksam ist.


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2.4 Sollen IPF-Patienten mit den dualen Endothelinrezeptorantagonisten (ET-A und ET-B) Bosentan oder Macitentan behandelt werden?

E4

Empfehlung

↓↓

IPF-Patienten sollen zur Behandlung der Fibrose nicht mit Macitentan oder Bosentan therapiert werden.

Konsensstärke: 100 %

Eine Reihe von In-vitro- sowie tierexperimentellen Daten legen nahe, dass die Blockade der Endothelinrezeptoren einen positiven Einfluss auf die Progression der Lungenfibrose haben könnte [91] [92]. Zu Bosentan gab es in der BUILD-1 Studie bei Nicht-Erreichen des primären Endpunktes (6-Minuten-Gehtest) einen statistisch nicht signifikanten Hinweis auf eine verringerte Krankheitsprogression in der Bosentan-Gruppe [93]. Dieser Effekt konnte in der Nachfolge-Studie (BUILD-3) in einem größeren Patientenkollektiv nicht bestätigt werden [94]. Ähnlich waren die Ergebnisse der MUSIC-Studie, die den Effekt von Macitentan v. a. auf die klinische Verschlechterung und Lungenfunktion in einem Kollektiv von 178 Patienten mit IPF untersuchte. Es zeigte sich durch die Therapie mit Macitentan kein signifikant positiver Effekt auf die Lungenfunktion oder die klinische Verschlechterung der IPF [95].

Eine Studie, welche den Einfluss von Bosentan auf die Hämodynamik im Lungenkreislauf von IPF-Patienten untersuchte, konnte keinen therapeutischen hämodynamischen oder klinischen Effekt nachweisen [96].

Auf Basis der aktuellen Datenlage sollen IPF-Patienten nicht mit Bosentan oder Macitentan behandelt werden.


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2.5 Sollen IPF-Patienten mit dem PDE5-Hemmer Sildenafil behandelt werden?

E5

Empfehlung

IPF-Patienten sollten zur Behandlung der Lungenfibrose nicht mit Sildenafil therapiert werden.

Konsensstärke: 100 %

Die Behandlung der IPF mit Sildenafil wurde initial in zwei prospektiven Studien untersucht, wobei in der größeren der beiden Studien (STEP-IPF-Studie) prospektiv 180 IPF-Patienten mit 3 × 20 mg Sildenafil behandelt wurden [97] [98]. Der primäre Endpunkt (Zunahme der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest) wurde in keiner der beiden Studien erreicht, wobei in der STEP-IPF-Studie sich einige sekundäre Endpunkte, wie die Oxygenierung und das Dyspnoe-Empfinden, unter der Sildenafil-Therapie signifikant besserten. Ein signifikanter Effekt auf die Gehstrecke sowie die Lebensqualität war insbesondere in der Substudie bei Patienten mit echokardiografischen Zeichen der rechtsventrikulären Dysfunktion nachweisbar [99]. Aufgrund dieser Hinweise auf einen eventuellen Benefit einer Sildenafiltherapie wurde in zwei großen Studien untersucht, in wie weit sich durch die Hinzugabe von Sildenafil zu einer bestehenden antifibrotischen Therapie mit Nintedanib [36] oder Pirfenidon [100] ein positiver Effekt auf Lebensqualitätsparameter, 6-Minuten-Gehtest und Lungenfunktion erzielen lässt. Beide Studien schlossen v. a. Patienten mit einer schwer eingeschränkten Diffusionskapazität (DLco ≤ 35 % bzw. ≤ 40 %) ein. Zusätzlich wurden für die Pirfenidon-/Sildenafil-Studie nur Patienten mit einer nachgewiesenen oder echokardiografisch als wahrscheinlich erachteten präkapillären Hypertonie eingeschlossen [101]. Beide Studien legen nahe, dass die Hinzunahme von Sildenafil zu einer vorbestehenden antifibrotischen Therapie sicher ist. Jedoch konnten beide Studien ihren primären Endpunkt nicht erreichen. Die Kombination von Sildenafil und Nintedanib führte zu keiner signifikanten Besserung des Dyspnoe-Empfindens (gemessen mit spezifischen Fragebögen) in Woche 12 oder Woche 24, auch die lungenfunktionellen Parameter unterschieden sich nicht signifikant. Lediglich eine signifikante Senkung der brain natriuretic peptide (BNP)-Plasmakonzentratoion als mögliches Zeichen einer verminderten kardialen (mutmaßlich rechstventrikulären) Belastung konnte im Verumarm beobachtet werden. Eine Subgruppenanalyse von Patienten mit oder ohne echokardiografischen Zeichen der Rechtsherzbelastung ergab ebenfalls keinen Hinweis auf einen signifikanten Unterschied bezüglich Lebensqualität und Lungenfunktion, auch wenn der Effekt auf das BNP bei Patienten mit vorbestehender Rechtsherzbelastung ausgeprägter war [102]. Ebenfalls keinen signifikanten positiven Effekt auf die Krankheitsprogression konnte durch die Kombination von Pirfenidon mit Sildenafil im Vergleich zu Pirfenidon alleine erzielt werden [100]. Hierbei war die Krankheitsprogression als ein signifikanter Abfall im 6-Minuten-Gehtest, Hospitalisation aufgrund respiratorischer Beschwerden oder Tod definiert.

Aus den vorliegenden Daten ergeben sich keine belastbaren Hinweise, dass die Einnahme von Sildenafil (als alleinige Therapie oder zusätzlich zu einer antifibrotischen Therapie) bei Patienten mit einer IPF zu einer signifikanten Verbesserung relevanter Endpunkte führt. IPF-Patienten mit oder ohne zusätzlich bestehender pulmonaler Hypertonie sollten Sildenafil weder als Monotherapie noch in Kombination mit antifibrotischen Medikamenten erhalten.


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2.6 Sollen PPF-Patienten antiinflammatorisch behandelt werden?

2.6.1 Nicht-autoimmune PPF

E6

Empfehlung

↑↑

Nicht-autoimmune PPF-Patienten sollen antiinflammatorisch behandelt werden, wenn Hinweise für die Beteiligung einer entzündlichen Komponente an der Progredienz der Lungenfibrose vorliegen und weitere Maßnahmen, wie z. B. Antigen- oder Expositionskarenz berücksichtigt wurden. Die Therapieeinleitung soll im ILD-Board festgelegt werden.

Konsensstärke: 100 %

Bei der Mehrzahl der Erkrankungen, die einen progredient fibrosierenden Verlauf aufweisen können, triggert eine chronisch-entzündliche Immunreaktion die progrediente Lungenfibrosierung. Persistierende Entzündungen führen auf Dauer zu Narbenbildung. Aufgrund solcher Überlegungen wird von Klinikern bei vielen PF-ILDs regelhaft eine antiinflammatorische Therapie eingesetzt. Komplizierend kommt allerdings hinzu, dass unterschiedliche Arten von Entzündungen, wie z. B. B- oder T-Zell-getriebene Prozesse den diversen PF-ILDs zugrunde liegen und deshalb auch unterschiedliche antiinflammatorische Medikamente/Medikamentenkombinationen bei den einzelnen Erkrankungen verwendet werden. Die zugrundliegende entzündliche Aktivität der einzelnen PF-ILDs ist als sehr unterschiedlich zu bewerten und variiert zudem von Patient zu Patient. Darüber hinaus kann sich die entzündliche Aktivität im Verlauf ändern [103]. Bei vielen Erkrankungen nimmt sie mit fortschreitender Fibrosierung eher ab. Eine retrospektive Studie aus Japan zeigte bei Patienten mit chronisch fibrotischen ILDs (37 iNSIP, 16 iPPFE, 133 unclassifiable IIP), dass eine BAL-Lymphozytose nur bei den antiinflammatorisch behandelten Patienten mit einer günstigeren Prognose assoziiert war, nicht jedoch bei den unbehandelten Patienten [104].

Die Evidenz für den Einsatz einer antiinflammatorischen Therapie bei ILDs außerhalb der durch rheumatologische Systemerkrankungen hervorgerufenen ILDs ist begrenzt, da keine randomisierten-kontrollierten Studien existieren. Trotzdem wird sie bei progredienten fibrosierenden ILDs regelhaft eingesetzt. Selbst in der INBUILD-Studie waren Patienten mit einem UIP-ähnlichen Muster zu Beginn der Studie in etwa 50 % mit Glukokortikoiden (< 20 mg täglich) und in 18 % mit anderen Immunmodulatoren behandelt [103]. Gleiches gilt für die RELIEF-Studie zu PF-ILD, hier erhielten 81 % der Patienten Glukokortikoide und/oder Immunmodulatoren in Kombination [13]. In einer jüngsten internationalen Online-Befragungen gaben Experten an, dass sie 25–70 % [105] ihrer PF-ILD-Patienten nicht antiinflammatorisch behandeln würden, v. a. traf dies auf Patienten mit idiopathischer NSIP und unklassifizierbarer ILD zu [106].

Grund dafür ist die kontroverse Datenlage über die Wirksamkeit einer antiinflammatorischen Therapie bei progredient fibrosierender ILD, v. a. bei den idiopathischen Formen. Bei Patienten mit chronisch progredienter idiopathischer NSIP und EAA, die eine Progredienz trotz Steroid-Monotherapie zeigen, werden v. a. Azathioprin, Mycophenolatmofetil, Cyclophosphamid zusätzlich zur Steroidtherapie, meist als steroidsparende Strategie, verwendet [107] [108] [109] [110] [111] [112] [113].

Über eine erfolgreiche Anwendung von Rituximab wurde bei einer kleinen Kohorte von Patienten mit progredienter chronischer EAA berichtet [114]. Erwartet werden die Daten einer französischen Studie zum Stellenwert des Rituximabs bei Patienten mit ILD (NCT02990286).

Wann sollte die antiinflammatorische Therapie bei nichtautoimmunen ILD eingeleitet werden? Bei Patienten mit cEAA, DIP, Silikose und Asbestose soll zuerst ausgeschlossen werden, dass die Progredienz der Lungenfibrose mit der fortgeführten Exposition (z. B. auslösendes Antigen, Rauchen, arbeitsbedingt) zusammenhängt. Bei der cEAA hat es sich herauskristallisiert, dass das Progressionsrisiko und die Prognose schlechter sind, wenn keine Antigenkarenz erfolgt oder das auslösende Antigen unbekannt und infolgedessen eine Antigenkarenz nicht möglich ist [115] [116].

Die Autoren der Leitlinie stützen ihre Therapieentscheidung für die Einleitung oder Steigerung der antiinflammatorischen Therapie bei PPF Patienten auf

  1. klinische Parameter,

  2. HRCT – Morphologie (entzündlich vs fibrotisch),

  3. laborchemische Parameter (z. B. CRP, IL-6, sIL2 R),

  4. eine etwaig vorhandene BAL-Differenzialzytologie und ggf.

  5. den histologischen Befund.

Optimalerweise sollte diese Entscheidung multidisziplinär im ILD-Board erfolgen.

In der Studie von Yamagata et al. war eine BAL-Lymphozytose < 15 % ein unabhängiger negativer Prädiktor für das Ansprechen auf antiinflammatorische Therapie [104]. In einer retrospektiven Studie bei 91 Patienten mit fibrotischer EAA war eine BAL-Lymphozytose < 20 % gemeinsam mit Honigwabenmuster im HRCT mit fehlendem Ansprechen auf die Steroidtherapie assoziiert [117].


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2.6.2 Autoimmune PPF

2.6.2.1 Einleitung

Innerhalb der ILD-Manifestationen im Rahmen von Autoimmunerkrankungen besteht eine erhebliche Heterogenität.

Aufgrund dieser Heterogenität sowie der eingeschränkten Datenlage gilt generell:

Die Behandlung soll analog zu den nicht-autoimmunen PF-ILDs in interdisziplinärer Zusammenarbeit mithsilfe eines ILD-Boards erfolgen und die rheumatologische Fachexpertise mit einbezogen werden.

In die Entscheidung zur antiinflammatorischen Behandlung der autoimmunen ILD soll die Art der zugrundeliegenden rheumatologischen Erkrankung einfließen. Weitere Organmanifestationen sollen bei der Wahl des Medikaments berücksichtigt werden. Diese Therapie soll dabei bestenfalls sowohl die autoimmune ILD als auch etwaige weitere Organmanifestation behandeln.

Es folgt eine Übersicht der Evidenz zu einzelnen Krankheitsbildern. Soweit möglich, werden die Empfehlungen spezifiziert.

2.6.2.2 Rheumatoide Arthritis-assoziierte ILD (RA-ILD)

E7

Empfehlung

Die fortschreitende RA-ILD sollte antiinflammatorisch behandelt werden. Die Auswahl der Therapie soll im ILD-Board festgelegt werden.

Konsensstärke: 100 %

Die RA-ILD tritt bei ca. 10 % aller RA-Patienten auf und betrifft vor allem APCA-positive Patienten. Zigarettenrauchen, Staubbelastung und männliches Geschlecht sind Risikofaktoren für die RA-ILD. Zudem ist der für die IPF als Hauptrisikofaktor beschriebene MUC5b-Polymorphismus auch für die RA-ILD von hoher Relevanz [118] [119]. Die genannten Risikofaktoren sind insbesondere mit dem Auftreten eines UIP-Musters assoziiert, welches ca. die Hälfte der RA-ILD Fälle ausmacht und eine deutlich höhere Progredienz aufweist [118].

Die Evidenzlage für die antiinflammatorische Therapie bei der RA-ILD ist generell schlecht. Randomisierte, kontrollierte Studien existieren nicht und die vorhandenen berücksichtigen nur selten das zugrundeliegende HRCT-Muster.

Mehrere retrospektive Studien berichten über einen besseren Verlauf und besseres Ansprechen auf diese Therapie bei RA-ILD-Formen, die kein UIP-Muster aufwiesen [120]. Eine große Beobachtungstudie mit 2.701 Patienten [120] und eine Metaanalyse [121] kommen zu dem Schluss, dass die Methotrexat-Therapie nicht mit dem Auftreten einer ILD assoziiert ist, im Gegenteil die Manifestation der ILD bei RA-Patienten womöglich eher herauszögert. Zahlreiche weitere Medikamente werden regelhaft zur Therapie der RA-ILD eingesetzt, wie bspw. Abatacept, Tocilizumab, Rituximab, Cyclophosphamid, Mycophenolat und neuerdings auch Jak-Inhibitoren [122] [123]. Aufgrund einer Metaanalyse entstand der Eindruck, dass die Therapie mit Leflunomid, TNF-Inhibitoren, Rituximab oder Tocilizumab das Risiko für das Auftreten einer RA-ILD möglicherweise erhöhen könnte [124]. Mittlerweile geht man jedoch eher davon aus, dass diese Medikamente gehäuft von den behandelnden Klinikern bei schweren Verläufen und Lungenbeteiligung ausgewählt worden waren und hierdurch die Assoziation zustande kam. Eine Studie der British Society of Rheumatoloy zeigte, dass Rituximab bei der Behandlung der RA-ILD gegenüber TNF-Inhibitoren überlegen ist [125].

2.6.2.3 Sjögren-assoziierte ILD

E8

Empfehlung

Die fortschreitende Sjögren-ILD sollte antiinflammatorisch behandelt werden.

Konsensstärke: 100 %

E9

Empfehlung

↑↑

Die Auswahl der Therapie soll im ILD-Board festgelegt werden.

Konsensstärke: 100 %

E10

Empfehlung

Bei nachgewiesener follikulärer Komponente bzw. Ansammlungen von Sekundärlymphfollikelbildungen kann eine B-Zell modulierende Therapie erfolgen.

Konsensstärke: 100 %

Die ILD im Rahmen eines Sjögren-Syndroms gilt als selten [126]. Angesichts der hohen Inzidenz der Erkrankung und des häufig sehr langen Verlaufes ist das Auftreten einer ILD in der klinischen Praxis des Pneumologen jedoch nicht selten zu beobachten. An einem Sjögren-Syndrom erkranken überwiegend Frauen. Die einzelnen ILD-Manifestationsformen bei Sjögren-Syndrom sind sehr variabel und treten häufig zusammen mit einer bronchialen Beteiligung auf [127]. Nicht selten ist histologisch eine follikuläre Komponente vorhanden, es treten aber auch eine Lympozytäre interstitielle Pneumonie (LIP) und seltener ein definitives UIP-Muster und Amyloidosen auf. Prospektive Therapiestudien, die spezifisch Sjögren-ILD untersucht haben, wurden nicht gefunden [126]. Zumeist werden Sjögren-ILD-Patienten unter Kollagenose-assoziierter ILD subsumiert.

2.6.2.4 Myositis-assoziierte ILD (MA-ILD)

E11

Empfehlung

Eine antiinflammatorische Therapie sollte bei fortschreitender MA-ILD durchgeführt werden. Die Auswahl der Therapie soll im ILD-Board festgelegt werden.

Konsensstärke: 100 %

Die Myositiden stellen eine seltene heterogene Gruppe an Erkrankungen dar mit einer sehr unterschiedlichen Prävalenz der ILD. Insgesamt kommt es ca. bei 20–40 % aller Myositis-Patienten zur Entwicklung einer ILD, nicht selten als Erstmanifestation [128]. Es gibt zudem Myositis-ILD-Formen, die ohne klinisch relevante Myositis auftreten. Bestimmte Autoantikörper sind gehäuft mit ILD assoziiert, zu nennen sind hier insbesondere AK gegen MDA5-, SSA- und Aminoacyl-tRNA-Synthetase („Anti-Synthetase AK“: Jo-1, PL-7, PL-12, EJ, OJ, KS, YRS [HA], Zo). Dabei ist die seltene MDA-5-assoziierte ILD mit einer im Vergleich zu den anderen MA-ILD deutlich erhöhten Progression und Letalität verbunden [129]. Im Rahmen der MA-ILD scheint die inflammatorische Komponente von größerer Bedeutung als die fibrotische Komponente, sodass die antiinflammatorische Therapie eine große Bedeutung hat.

Derzeit liegen keine randomisiert-kontrollierten Studien zur Therapie der ILD im Rahmen einer immun-vermittelten Myositis vor. Die Therapie beruht auf Case-, Case-Control- und (retrospektiven) Kohorten-Studien und kann von Zentrum zu Zentrum unterschiedlich sein. Wichtig ist die enge Zusammenarbeit von Rheumatologen und Pneumologen bei der Behandlung der MA-ILD. Oft werden Glukokortikoide (GC) allein oder in Kombination mit Cyclophosphamide (CYC), Azathioprin (AZA), Mycophenolat Mofetil (MMF), Calcineurininhibitoren (Tacrolimus [TAC] und Cyclosporin A [CsA]) und Rituximab (RTX) eingesetzt.

In einer offenen Phase-II-Studie zeigte intravenöses CYC eine Verbesserung bei vielen Patienten mit MA-ILD [130]. Eine retrospektive Studie der John-Hopkins-Universität untersuchte MMF und Azathioprin bei 66 Patienten. Beide Substanzen zeigten einen positiven Effekt auf Lungenfunktionswerte [131]. In einer amerikanischen Kohorte zeigten die meisten der 54 Patienten mit MA-ILD eine Stabilisierung unter einer Therapie mit GC + konventionellen DMARDS (AZA, MTX oder MMF). Bei Nichtansprache erfolgte eine Therapie mit TAC, wodurch großteils wieder ein Ansprechen erreicht wurde [132]. Eine prospektive, multizentrische Studie zeigte eine Überlegenheit von einer initialen Kombination aus GC + TAC im Vergleich zu einer (historischen) alleinigen GC-Therapie in Bezug auf die frühe Mortalität über 52 Wochen und auf die FVC bei Patienten mit Dermato-/Polymyositis [132]. Eine randomisierte, prospektive und kontrollierte Studie an 85 MA-ILD Patienten untersuchte Unterschiede zwischen einer Therapie mit GC + TAC oder GC + CSA. Als primärer Endpunkt wurde das progressionsfreie Überleben gewertet. Hier konnte ein kleiner Vorteil der TAC-Behandlung gegenüber CSA gezeigt werden. In beiden Gruppen kam es zu einer Verbesserung der FVC-Werte [133]. Eine Kombinationstherapie aus GC + TAC + i. v. CYC zeigte in einer prospektiven, multizentrischen Untersuchung einen positiven Effekt auf die Lungenfunktion bei 29 Patienten mit MDA5-assoziierter MA-ILD [134]; ebenso zeigte der JAK-Inhibitor Tofacitinib bei 18 Patienten mit MDA5-positiver ILD einen positiven Effekt [135]. Bei 5 therapierefraktären Patienten mit MDA-5-assoziierter ILD unter Therapie mit G + CYC + CSA wurde eine additive Tofacitinib-Therapie durchgeführt. Im Vergleich zu historischen Kontrollen zeigte sich ein verbessertes Überleben bei vermehrten infektiösen Komplikationen [136]. Zu beachten ist hierbei die kleine Patientenzahl. Rituximab zeigte sich in einer Metaanalyse ebenfalls vielversprechend bei der Behandlung der MDA5-positiven ILD [136]. Ebenso führte Rituximab bei anti-Synthetase-AK-positiver ILD zu einer Verbesserung oder Stabilisierung der ILD bei 9/10 Patienten in einem prospektiven Setting [137].

Zusammengefasst fanden wir keine prospektiv-randomisierten, kontrollierten Studien zur Therapie der MA-ILD. Dennoch berichten einige Gruppen von positiven Effekten unterschiedlicher Substanzen auf die MA-ILD, sodass eine antiinflamatorische Therapie bei diesen Patienten durchgeführt werden sollte. Die Behandlung erfolgt i. d. R. mittels Kombination verschiedener Medikamente. Eine klare Empfehlung zur Substanz(klasse) der Therapie kann hier aus den aktuellen Daten nicht erfolgen.

2.6.2.5 Systemische Sklerose (SSc)-assoziierte ILD

E12

Empfehlung

Patienten mit einer SSc-ILD sollten antiinflammatorisch behandelt werden.

Konsensstärke: 100 %

E13

Empfehlung

↑↑

Die Auswahl der Therapie soll im ILD-Board festgelegt werden.

Konsensstärke: 100 %

Eine Lungenbeteiligung findet sich sehr häufig bei der systemischen Sklerose (SSc), sie ist hier auch Haupttodesursache [138] [139]. Daher existiert bei der SSc-ILD die bisher beste Datenlage zur antiinflammatorischen Therapie, allerdings ohne Berücksichtigung des PF-ILD Phänotyps. Hoyels et al. zeigten 2006 eine Verbesserung von Haut und Lunge durch eine Cyclophosphamid (CYC) i. v.-Puls-Therapie gefolgt von Azathioprin bei 45 Patienten mit SSc-ILD im Vergleich zu Placebo und einer Behandlungsdauer von 1 Jahr, die wegen zu geringer Power die statistische Signifikanz knapp verfehlte [140].

Eine weitere randomisierte, placebokontrollierte multizentrische Studie (Scleroderma lung study SLS I) konnte 2006 die Überlegenheit von oralem Cyclophosphamid (CYC) gegenüber Placebo bei 158 SSc-Patienten demonstrieren. CYC führte über 1 Jahr zu einer moderaten Verbesserung der FVC und TLC, neben anderen Verbesserungen wie Haut- und Thorax-CT-Befund [141]. Nachdem die CYC-Therapie nach einem Jahr beendet wurde, konnte am Ende des zweiten Beobachtungsjahres keine FVC-Verbesserung mehr nachgewieen werden [139]. In der darauffolgenden SLS II wurde von der gleichen Gruppe 12 Monate orales CYC mit Mycophenolatmofetil (MMF) (Zieldosis 2 × 1,5 g/Tag) über 24 Monate bei 142 Patienten verglichen [142]. Hier konnte ein vergleichbarer positiver Effekt beider Therapien beobachtete werden; knapp 70 % der Patienten zeigten unter Therapie eine Verbesserung der FVC, Unterschiede zeigten sich in der besseren Verträglichkeit von MMF. Anzumerken ist, dass in beiden Studien (SLS I und SLS II) nur Patienten mit Nachweis von Milchglasverschattungen randomisiert wurden. Die SENSCIS-Studie, bei der etwa die Hälfte der eingeschlossenen Patienten unter einer Therapie mit MMF stand, legt ebenfalls die Wirksamkeit dieses Medikaments in der Behandlung der SSc-ILD nahe [143].

Die doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II + III-Studien mit dem Interleukin-6-Antagonisten Tocilizumab [144] [145] konnten beim primären Endpunkt an der Haut keine Überlegenheit zeigen. Allerdings war der Unterschied der sekundären Endpunkte der Phase-III-Studie an der Lunge so überzeugend, dass 2021 von der FDA eine Zulassung von Tocilizumab zur Behandlung der schweren SSc-ILD erfolgte.

Ebata et al. zeigten 2021 Daten zu einer randomisierten, doppelblinden placebokontrolierten Studie mit Rituximab (4 × 375 mg/m²) bei 56 japanischen SSc-Patienten [146]. Auch wenn der primäre Endpunkt die Haut betraf, zeigte sich bei den sekundären Endpunkten eine signifikante Verbesserung der FVC im Vergleich zu Placebo. Eine Phase-II-Studie aus Indien verglich bereits 2018 i. v. Rituximab mit i. v. CYC bei 60 Ssc-Patienten mit Haut- und Lungenbeteiligung und konnte eine signifikante Überlegenheit von Rituximab beim Verlauf der FVC nach 6 Monaten aufzeigen [147]. Ausstehend sind die Daten der RECITAL-Studie (NCT01862926), die bei Patienten mit CTD-ILD Rituximab vs. CYC randomisierte.

Bei SSc-Patienten mit besonders raschem Verlauf in den ersten fünf Jahren der Erkrankung zeigten insgesamt 3 randomisierte, kontrollierte Studien hinsichtlich des Gesamtüberlebens eine signifikante Überlegenheit einer autologen Stammzell-Transplantation (HSCT) gegenüber einer CYC-Pulstherapie, die allerdings nur über 12 Monate durchgeführt wurde [148] [149] [150]. Eine prospektive, nicht-interventionelle Real-Life-Beobachtungsstudie bestätigte diesen positiven Effekt an der Lunge [151].

2.6.2.6 Mixed-Connective-Tissue-Disease-assoziierte ILD

Die ILD bei Mixed-connective tissue disease (MCTD) ähnelt der der Ssc-ILD und wird deshalb nicht gesondert betrachtet.


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2.7 Sollen PPF-Patienten antifibrotisch behandelt werden?

2.7.1 Einleitung

Diese Empfehlung lehnt sich an die jüngste internationale Leitlinie „Idiopathic pulmonary fibrosis (an Update) and progressive pulmonary fibrosis in adults: An Official ATS/ERS/JRS/ALAT Clinical Practice Guideline“ an, die von internationalen Experten erarbeitet und abgestimmt wurde [2].

Die deutsche Leitliniengruppe hat die der ATS/ERS/JRS/ALAT zugrunde liegende systematische Literatursuche um neuere Literatur seit der Erarbeitung der Leitlinie ergänzt. Zusätzliche, originäre Therapiestudien wurden demzufolge nicht publiziert. Ein systematischer Review mit Metaanalyse schloss kontrollierte randomisierte Studien bei Erwachsenen mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) oder Nicht-IPF-ILDs ein, die Pirfenidon oder Nintedanib prüften und Daten zur Mortalität und Lungenfunktion (Forcierte Vital Kapazität [FVC]) enthielten [152]. Die Analyse von 13 Studien zeigte ähnliche, signifikante Effekte der antifibrotischen Therapie bei IPF und Nicht-IPF-PF-ILD bezüglich der Lungenfunktion; gepoolte Daten zeigten zudem einen signifikanten Effekt auf die Mortalität, der jedoch in der Analyse der Nicht-IPF-Studien nicht signifikant war (Risk Ratio 0,908 [0,547–1,508], p = 0,71). Eine kleine (n = 21) retrospektive Analyse unterstützte den Einsatz von Nintedanib bei progredienter pleuroparenchymaler Fibroelastose [153]. Zudem wurden mehrere Subanalysen zur INBUILD-Studie veröffentlicht, die die bisherige Datenlage unterstützte [154] [155] [156]. Hierzu zählt auch eine Arbeit, die die Kombination von Immunmodulatoren (Prednison ≤ 20 mg/die) mit Nintedanib vs. Placebo im Rahmen der INBUILD-Studie untersuchte [103] und zeigte, dass der Effekt von Nintedanib auf den FVC-Abfall und das Nebenwirkungsprofil nicht durch die antiinflammatorische Therapie beeinflusst wurde.


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2.7.2 Sollen PPF-Patienten mit Nintedanib behandelt werden?

E14

Empfehlung

↑↑

PPF-Patienten sollen mit Nintedanib behandelt werden. Die Therapieeinleitung soll im ILD-Board festgelegt werden.

Konsensstärke: 100 %

Nintedanib ist eine antifibrotische Substanz, die ähnlich wie Pirfenidon die Erkrankungsprogression einer IPF verlangsamt. Bei Nintedanib handelt es sich um einen oralen Tyrosinkinase-Inhibitor, der Schlüsselwege, die in die Fibrosierung involviert sind, blockiert und für die Therapie der IPF in früheren Leitlinien empfohlen wurde [157].

Die Frage „Sollen PPF-Patienten mit Nintedanib behandelt werden?“ wurde, da verschiedene Formen von ILDs mit einem PPF-Phänotyp existieren, auch für die 8 speziellen Subentitäten analysiert. Essentielle Endpunkte waren dabei Mortalität und Erkrankungsprogression (Änderung der FVC), wichtige Endpunkte inkludierten Symptome (Änderungen im Kingʼs Brief Interstitial Lung Disease Questionnaire [K-BILD]) und akute Exazerbationen.

Zusammenfassung der Evidenz

Ein systematischer Review, der der Empfehlung der internationalen Leitlinie zugrunde lag, wurde separat publiziert [12]. Zusammengefasst identifizierte der systematische Review eine randomisierte Studie [11] und eine Post-hoc-Analyse der Studie [158]. Die randomisierte Studie (INBUILD Studie) wies 663 Patienten mit PPF per Zufall Nintedanib oder Placebo für 52 Wochen zu, während die Post-hoc-Analyse Effekte von Nintedanib mit Placebo in Subentitäten von ILDs mit PFF verglich. Die Subentität der ILD wurde durch die Studienzentren bestimmt ohne prä-spezifizierte diagnostische Kriterien und ohne einen zentralen Review-Prozess, sodass eine diagnostische Variation zwischen unterschiedlichen Institutionen möglich war.

Erkrankungsprogression

Unter allen Patienten mit PPF fiel die FVC sowohl im Nintedanib- als auch im Placebo-Arm der INBUILD-Studie ab, jedoch war der mittlere jährliche Abfall im Nintedanib-Arm signifikant (um 107 ml) geringer. Die Studie beschrieb „Progression der ILD“ als ein unerwünschtes Event, ohne es im Kontext zu definieren, jedoch verminderte Nintedanib das Risiko dieser Progression um das 2,4-Fache. Der Unterschied im jährlichen FVC-Abfall zwischen Nintedanib und Placebo betrug 128 ml/Jahr bei Patienten mit einem radiologischen UIP-Muster, während es 75,3 ml/Jahr bei Patienten ohne UIP-Muster waren [11]. Nintedanib reduzierte das Progressionsrisiko, gemessen als ein unerwünschtes Ereignis, um das 2,3-Fache bei Patienten mit einem radiologischen UIP-Muster, während kein signifikanter Unterschied bei Patienten mit einem radiologischen Nicht-UIP-Muster vorlag [11]. Patienten mit PPF, die Nintedanib erhielten, hatten einen signifikant geringeren jährlichen Abfall ihrer FVC, wenn eine autoimmune ILD (106,2 ml/Jahr weniger), eine idiopathische NSIP (141,7 ml/Jahr weniger) oder eine Expositions-assoziierte ILD (ohne EAA) (252,8 ml/Jahr weniger) vorlag [158]. Bei PFF-Patienten mit anderen Diagnosen wie fibrosierender EAA, unklassifizierbarer ILD oder Subentitäten der autoimmunen ILDs fand sich ein Unterschied im jährlichen Abfall der FVC, der jedoch nicht statistisch signifikant war. Zudem fand sich kein signifikanter Unterschied bzgl. der Progression im Kontext eines unerwünschten Ereignisses für jeglichen ILD Typ. Zu bedenken ist, dass die Schätzwerte auf kleinen Subgruppenzahlen basierten: Autoimmune ILD (n = 147), idiopathische NSIP (n = 125), fibrosierende EAA (n = 173), andere Expositions-assoziierte ILD (n = 39), Sarkoidose (n = 12), unklassifizierbare ILD (n = 114), und andere (n = 53) [158].

Mortalität

Die INBUILD-Studie fand keinen signifikanten Unterschied bzgl. Gesamt-Mortalität hinsichtlich des radiologischen Musters der PPF [11].

Unerwünschte Wirkungen

Die beobachteten Nebenwirkungen entsprachen den von den IPF-Studien bekannten Daten.

Qualität der Evidenz

Die Evidenzqualität wurde insgesamt als niedrig gewertet. Diese Einstufung berücksichtigte die niedrigste Evidenzqualität der zwei kritischen Ergebnisse: Die Evidenzqualität für die Erkrankungsprogression war moderat, jedoch niedrig für die Mortalität, da es sich um eine einzige randomisierte Studie mit geringer Zahl an Ereignissen handelte.

Aus zwei wesentlichen Gründen sprachen sich die internationalen Experten der ATS/ERS/JRS/ALAT-Leitlinie 2022 für eine bedingte Empfehlung für den Einsatz von Nintedanib bei Patienten mit PPF aus:

  1. Es fand sich eine statistisch signifikante Reduktion in der Erkrankungsprogression, die anhand des jährlichen Abfalls der FVC bestimmt wurde, und

  2. die UWs waren nach Unterbrechung der Medikation reversibel.

Inzwischen wurden weitere Daten der INBUILD-Studie publiziert, die auch eine signifikante Reduktion der akuten Exazerbationen belegen [155], und es liegen systematische Reviews mit Metaanalyse vor, die übereinstimmend zu einer positiven Bewertung kommen [12] [152], sodass aus Sicht der deutschen Leitliniengruppe eine starke Empfehlung gerechtfertigt ist.

Zu beachten ist, dass sich die Effekte der Therapie in Abhängigkeit vom Subtyp der ILD unterscheiden könnten und dass das Management zukünftig in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden ILD bestimmt werden könnte. Allerdings liegen aktuell keine ausreichenden Daten vor, die einen zielgerichteten Ansatz unterstützen würden. Daher empfiehlt die internationale Leitlinie Forschungsinitiativen, um die Wirksamkeit, Effektivität, Effizienz und UWs von Nintedanib bei Patienten mit PF-ILD bei verschiedenen ILD-Entitäten zu untersuchen.


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2.7.3 Sollen PPF-Patienten (off-label) mit Pirfenidon behandelt werden?

E15

Empfehlung

PPF-Patienten sollten mit Pirfenidon behandelt werden, sofern eine antifibrotische Therapie mit Nintedanib sich als unzureichend wirksam erwiesen hat oder wegen Nebenwirkungen abgebrochen wurde.

↑↑

Die Therapieumstellung soll im ILD-Board festgelegt werden.

Konsensstärke: 100 %

Neben den – zur Zulassung führenden – Studien zur Erfassung der Wirksamkeit von Pirfenidon bei Patienten mit IPF [57] [58] ist Pirfenidon bis dato auch in zwei prospektiv randomisierten Studien bei Patienten mit PPF untersucht worden. In der uILD-Studie [14] wurden 253 Patienten mit nicht klassifizierbarer, aber progredient verlaufender Lungenfibrose (PPF) eingeschlossen und erhielten entweder Placebo oder Pirfenidon (2403 mg/Tag) über einen Zeitraum von 24 Wochen. Der primäre Studienendpunkt war der Unterschied in der heimspirometrisch ermittelten forcierten Vitalkapazität (FVC), sekundäre Endpunkte waren Unterschiede in der am Zentrum gemessenen FVC, CO-Diffusionskapazität (TLco) und im 6-Minuten-Gehtest (6MWT). Der primäre Endpunkt der Patientenselbstmessung war wegen erheblicher Variabilitäten und Inplausibilitäten der Messwerte, die zumindest teilweise technische Ursachen hatten, nicht sinnvoll auswertbar und somit negativ. Demgegenüber wurde in den am Zentrum gemessenen FVC-Werten ein signifikant geringerer Abfall beobachtet, und dies wurde orchestriert durch ebenfalls verringerte Abfälle hinsichtlich der TLco und auch der 6-Minuten-Gehstrecke (6MWT). In der RELIEF-Studie [13] wurden 127 Patienten mit PPF aufgrund fibrosierender NSIP, chronischer EAA, autoimmuner ILD oder Asbestose eingeschlossen und randomisiert einer Behandlung mit Pirfenidon oder Placebo über ein Jahr zugeführt. Die Studie wurde wegen zu langsamer Rekrutierung frühzeitig abgebrochen und die Ergebnisse sind daher mit Vorsicht zu interpretieren. Dennoch zeigten die mit Pirfenidon behandelten Patienten bzgl. des primären Studienendpunktes einen signifikant geringeren Abfall der FVC im Vergleich zum Placebo-Arm, und es wurden ein konsistent geringerer Abfall der TLco und der 6MWT-Gehstrecke im Verum-Arm beobachtet. Eine weitere prospektiv randomisierte Studie zur Überprüfung der Sicherheit und Effektivität von Pirfenidon bei Patienten mit ILD infolge rheumatoider Arthritis (TRAIL-1-Studie, NCT02808871) ist bereits abgeschlossen worden, bis dato aber nur bzgl. des Studiendesigns publiziert [159].

In zwei jüngst durchgeführten Metaanalysen zur Wirksamkeit anti-fibrotischer Therapien bei IPF und bei PPF [53] [152] wurden neben den Studien mit Nintedanib auch jene mit Pirfenidon inkludiert. Hier zeigte sich eine signifikante Reduktion des FVC-Abfalls bei fast identischer Effektgröße (~ –31 %) sowohl bei der IPF wie auch der PPF und eine signifikante Reduktion der Mortalität.

Aufgrund der Datenlage ist bis dato noch keine Zulassung von Pirfenidon für die Behandlung der PPF beantragt worden. Die bislang verfügbaren Daten deuten aber an, dass Pirfenidon bei der PPF ähnlich gut wirksam sein könnte wie Nintedanib, wenngleich Schwächen der beiden Studien (Endpunkt, geringe Rekrutierung) evident sind. Patienten mit PPF sollten daher prioritär mit dem zugelassenen standard-of-care (Nintedanib) behandelt werden. Ist diese Therapie nicht hinreichend wirksam genug (unveränderter FVC-Abfall unter Therapie oder größer 10 % pro Jahr) oder nicht verträglich, erscheint der Leitliniengruppe die vorhandene Datenlage bzgl. Pirfenidon bei PPF aber hinreichend positiv, um einen sekundären, Off-label-Behandlungsversuch mit Pirfenidon bei diesen Patienten und nach Genehmigung eines Off-label-Antrags bei der Krankenkasse zu beginnen.


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2.7.4 Therapie von Lungenfibrosen nach beruflicher Exposition mit fibrogenen Noxen

Bei interstitiellen Lungenerkrankungen müssen durch die gewissenhafte Erhebung der Arbeitsanamnese beruflich bedingte Formen von ILDs herausgearbeitet werden, insbesondere auch um weitere schädliche Arbeitseinflüsse zu eliminieren, um die gesetzlich vorgeschriebene Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige zu erstatten, wodurch ggf. die Gefährdung weiterer potenziell exponierter Personen vermieden wird.

IPF-Krankheitsbilder nach beruflicher Exposition gegenüber Stäuben

Der mit einer attributablen Fraktion von 26 % überraschend hohe Anteil potenzieller beruflicher Ursachen bei der vordergründig „idiopathischen“ Lungenfibrose [192] ist Mahnung zu konsequenten arbeitsanamnestischen Erhebungen. Bei den „idiopathischen” Lungenfibrosen in den von Blanc et al. zusammengestellten Arbeiten waren Asbestose- und Silikose-Kollektive ausgeschlossen worden, aber andere berufliche Ursachen interstitieller Lungenerkrankungen hatten in den zugrundeliegenden Publikationen diagnostisch nicht zu anderen Einordnungen als eben IPF geführt [192].

Bei dem hohen Anteil beruflicher Risikofaktoren bei der IPF sind zwei Mechanismen vorstellbar:

  1. In relevantem Umfang sind klassische Pneumokoniosen nicht erkannt worden, oder/und

  2. die berufliche Exposition gegenüber Dampf/Gas/Staub/Rauch stellt einen Trigger für die Entstehung einer IPF dar, ohne dass eine Pneumokoniose im klassischen Sinne vorliegt.

Damit stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß dies durch chronische Low-level-Expositionen oder durch etwaige Expositionsspitzen verursacht worden sein kann. Berufskrankheitenrechtlich ist die letztere Möglichkeit bislang nicht bearbeitet worden. Hier wird Bearbeitungsbedarf gesehen.

Park et al. sichteten in einem systematischen Review mit Metaanalyse-Fall-Kontrollstudien über berufliche und umweltbedingte Risikofaktoren einschließlich solcher, in denen nach Berufen mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten idiopathischer Lungenfibrosen gesucht wurde [193]. Von 2.490 Fundstellen wurden 12 Studien eingeschlossen. Es ergaben sich folgende signifikant erhöhte Odds Ratios:

  • Metallstaub: OR = 1,83 (95 % KI; 1,15–2,91)

  • Holzstaub: OR = 1,62 (95 % KI; 1,04–2,53)

  • Pestizid-Einsatz: OR = 2,07 (95 % KI, 1,24–3,45)

  • Tätigkeiten in der Landwirtschaft; OR = 1,88 (95 % KI; 1,17–3,04)

Darüberhinausgehend sei auch der Faktor „Rauchen“ genannt; OR = 1,39 (95 % KI; 1,01–1,91).

In den systematischen Review mit Metaanalyse von Park et al. [193] war eine größere australische Fall-Kontrollstudie aus dem Jahr 2020 noch nicht eingegangen: Abramson et al. rekrutierten 503 Fälle idiopathischer Lungenfibrose und 902 Kontrollen und fanden folgende Risikofaktoren [194]:

  • Positive IPF-Familienanamnese: OR = 12,6 (95 % KI 6,52–24,2)

  • Berufliche Exposition gegenüber Passivrauch: OR = 2,1 (95 % KI 1,2–3,7)

  • Berufliche Staubexposition: OR = 1,38 (95 % KI 1,04–1,82)

  • Berufliche Asbest-Exposition: OR = 1,57 (95 % KI 1,15–2,15)

Der Faktor „jemals Rauchen“ ging mit OR = 2,2 (95 % KI 1,74–2,70) ein.

Die Autoren schlussfolgerten naheliegenderweise, dass die Krankheitslast infolge IPF durch eine verbesserte Tabakkontrolle, Kontrolle beruflicher Staubexpositionen und die Elimination von Asbest am Arbeitsplatz reduziert werden könnte [194].

(Anmerkung: Es ist bekannt, dass Asbestosen durchaus mit einem „UIP-Muster“ einhergehen können. Gutachterlich führt dies bei Fehlen von Brückenphänomenen wie Pleuraplaques und eher geringer früherer Asbestexposition vielfach zu größeren Schwierigkeiten, wenn einerseits die kumulative Asbestexposition nicht als hinreichend für eine Asbestose angesehen wird und andererseits das UIP-Muster nicht als „Asbetose-typisch“ angesehen wird.)

Pragmatisch spricht nichts dagegen, IPF-Krankheitsbilder, die nach beruflicher Exposition gegenüber Stäuben aufgetreten sind und die bis dato in der deutschen Liste der Berufskrankheiten nicht abgebildet sind, wie idiopathische Lungenfibrosen ohne berufliche Expositionen zu behandeln. Die Indikationen von Pirfenidon („Behandlung von leichter bis mittelschwerer idiopathischer pulmonaler Fibrose [IPF])“ und von Nintendanib („Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose [IPF]“, „Behandlung anderer chronischer progredient fibrosierender interstitieller Lungenerkrankungen [ILDs]“) decken diese Krankheitsbilder mit ab.

Nicht-IPF-Krankheitsbilder nach beruflicher Exposition gegenüber Stäuben

Nintedanib verzögert die Krankheitsprogression bei Patienten mit progredienten Lungenfibrosen, die nicht als IPF klassifiziert sind [11]. In zwei Phase-2-Studien mit nichtklassifizierbaren Lungenfibrosen und progressiven Nicht-IPF-Lungenfibrosen konnte gezeigt werden, dass der Abfall der FVC unter Pirfenidon verzögert werden kann [13] [14]. In der Studie von Behr et al. (2021) waren drei Asbestose-Patienten inkludiert [13].

Miedema et al. gingen in einer prospektiven 24-Wochen-Phase-1-Beobachtungsstudie bei 10 Patienten mit einer Asbestose und progressivem Lungenfunktionsverlust der Frage nach Sicherheit und Verträglichkeit einer 3-mal täglichen Gabe von 801 mg Pirfenidon nach [195]. Während die häuslich durchgeführten spirometrischen Messungen in den 12 Wochen vor dem Beginn der Pirfenidon-Medikation einen FVC-Abfall zeigten, kam es in der Behandlungsphase über 24 Wochen zu keinem weiteren Abfall, allerdings waren die Unterschiede statistisch nicht signifikant [195].

In der INBUILD-Studie wurden 332 Patienten mit fibrosierenden Nicht-IPF-Lungenerkrankungen mit über 16 ± 7 Monate Nintedanib im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit 331 Patienten behandelt [11]. Sowohl im Gesamt-Kollektiv als auch in der Untergruppe mit UIP-Muster (n = 206 Patienten Nintedanib und n = 206 Patienten Placebo) zeigte sich eine hochsignifikante Verminderung des FVC-Abfalls unter Nintendanib. In welchem Umfang Pneumokoniosen darin enthalten waren, ist nicht explizit ausgeführt.

Bonella et al. werteten in einer Metaanalyse der vier placebokontrollierten Phase-III-Studien zur Wirkung von Nintedanib bei fibrosierenden Lungenerkrankungen aus: INPULSIS-1 und -2 bei IPF, SENSCIS bei SSc-ILD und die vorstehend genannte INBUILD-Studie [196]. Die Autoren konnten zeigen, dass die Therapieeffekte nicht signifikant zwischen den verschiedenen Krankheitsbildern variierten. Auch wenn diese Metaanalyse keine Daten zu beruflich verursachten fibrosierenden Lungenerkrankungen explizit ausweist bzw. separat auswertet, liegt es nahe, die Schlussfolgerung auch auf „beruflich induzierte IPF“ und Pneumokoniosen im engeren Sinne zu beziehen [196].

Zeng et al. werteten acht kontrollierte Studien mit insgesamt 292 Pneumokoniose-Patienten aus, die nach einer Ganzlungen-Lavage mindestens ein Jahr lang funktionsanalytisch nachverfolgt werden konnten [197]. Trotz Suche in allen Sprachen fanden sich nur Studien in chinesischer Sprache. Bei den Pneumokoniosen handelte es sich größtenteils um Bergarbeiter-Pneumokoniosen, also Mischstaub-Pneumokoniosen. Nur zwei Studien wurden als qualitativ gut bewertet. Die Qualitätskriterien der Lungenfunktionsbefunde waren großenteils unzureichend beschrieben. Der mittlere Abfall von FEV1 und FVC war in allen Studien nach zwei und vier Jahren, in einer Studie nach sechs Jahren, in der Interventionsgruppe geringer als in der Kontrollgruppe [197]. Mit zunehmender Länge des Follow-up nahm die Heterogenität zwischen den Studien zu. Insgesamt scheint es schwierig, aufgrund problematischer Studienqualität valide Schlussfolgerungen zu ziehen. In welchem Ausmaß möglicherweise „sub“-akute Silikosen im Sinne von Alveolarproteinosen enthalten waren, wird nicht ersichtlich.


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2.8 Sollen Patienten mit fibrosierender ILD (inkl. IPF) und mit pulmonaler Hypertonie mit inhalativen Prostanoiden behandelt werden?

E16

Empfehlung

↑↑

IPF/PPF mit Hinweisen auf eine pulmonale Hypertonie sollen zur weiteren Abklärung und ggf. Therapieeinleitung in einem PH-Zentrum vorgestellt werden.

Konsensstärke: 100 %

Bei Patienten mit IPF stellt die zusätzliche Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie (PH) ein prognostisch ernstes Ereignis dar. In mehreren Studien konnte dargestellt werden, dass mit der Entwicklung einer PH die Belastungstoleranz und die Überlebenswahrscheinlichkeit von IPF-Patienten deutlich absinken [61] [160]. In früheren Studien konnte zudem gezeigt werden, dass bei ILD-Patienten und PH die inhalative Verabreichung von Prostaglandin I2 (PGI2), eine bei der PAH etablierte und zugelassene Behandlungsoption, mit einer Absenkung des pulmonal-vaskulären Druckes bzw. Widerstandes ohne Auslösung bzw. ohne relevante Verstärkung eines Ventilations-Perfusions-Verteilungsstörung (V/Q mismatch) einher geht. Dabei zeigte sich keine weitere Verschlechterung des ohnehin schon gestörten Gasaustausches dieser Patientengruppe [162]. Im Gegenteil kann es sogar zu einer Verbesserung des V/Q-Verhältnisses kommen, weil durch die inhalative Therapie v. a. die gut ventilierten Areale der Lunge erreicht werden und dort die Durchblutung verbessert wird.

Basierend auf diesen Vorarbeiten wurden in der in 2021 publizierten, prospektiv-randomisierten INCREASE-Studie 326 Patienten mit ILD und einer FVC < 70 % Soll sowie einer per Rechtsherzkatheter gesicherten, präkapillären PH eingeschlossen und erhielten entweder per inhalationem 4 × tgl. 72 µg Treprostinil, ein synthetisches PGI2-Analogon oder Placebo über einen Zeitraum von 16 Wochen [163]. Der primäre Studienendpunkt war die 6MWT-Gehstrecke, sekundäre Endpunkte waren der NT-proBNP-Spiegel, die Häufigkeit klinischer Verschlechterungen wie auch lungenfunktionelle Parameter wie die FVC. Bei Studieneinschluss waren die relevanten Kenngrößen wie Alters- und Geschlechtverteilung, Häufigkeit der idiopathischen interstitiellen Pneumonie bzw. IPF oder einer zugrunde liegenden Therapie mit Antifibrotika in beiden Gruppen vergleichbar. Die Behandlung mit Treprostinil war im Vergleich zum Placebo-Arm mit einer statistisch hochsignifikanten Zunahme der 6MWT-Gehstrecke vergesellschaftet. Der Unterschied in der Gehstrecke zwischen Verum- und Placebo-Arm betrug 31,12 m, ein Wert, der über dem für IPF-Patienten als minimal klinisch bedeutsamem Unterschied (minimal important clinical difference, MICD) von 28 m liegt [164]. Auch bzgl. der sekundären Endpunkte waren eine synchrone Absenkung der pro-BNP-Spiegel und der Häufigkeit klinischer Verschlechterungen erkennbar. Interessanterweise wurde in der Studie im Rahmen einer Post-hoc-Analyse auch ein – im Vergleich zum Placebo-Arm – (teilweise) signifikanter Anstieg der FVC beobachtet. Dieser Effekt war innerhalb der IPF-Patienten am stärksten ausgebildet. Angesichts der vielfältigen, extravaskulären, positiven Effekte von Prostacyclin auf das epitheliale [165] wie auch das mesenchymale [166] [167] Kompartiment ist es durchaus denkbar, dass inhalatives Prostacyclin auch antifibrotische Wirksamkeit bei Patienten mit fibrosierenden Lungenerkrankungen entfaltet.

Mit der Studie von Waxman [163] existiert erstmals der Nachweis einer klinisch relevanten Wirksamkeit bei Patienten mit PH bei relevanter ILD durch ein pulmonal vasoaktives Medikament, hier durch das PGI2-Analogon Treprostinil.


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3 Grundlage und Zielsetzung der allgemeinen Empfehlungen

Die folgenden Empfehlungen befassen sich mit häufigen und klinisch relevanten Fragestellungen, für deren Beantwortung es keine oder noch keine ausreichende wissenschaftliche Evidenzbasis gibt. Die im Folgenden getroffenen Aussagen stellen die Meinung der in der Leitliniengruppe vertretenen Experten dar.


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4 Diskussion und allgemeine Empfehlungen zur antifibrotischen Therapie bei der IPF und bei PPF

4.1 Wann sollte eine antifibrotische Therapie begonnen werden?

4.1.1 Bei IPF

E17

Empfehlung

↑↑

IPF-Patienten sollen ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung antifibrotisch behandelt werden.

Konsensstärke: 100 %

Im letzten Update der S2k-Leitlinie „Idiopathische Lungenfibrose – Update zur medikamentösen Therapie der IPF“ von 2017 lautete der Expertenkonsensus, dass symptomatischen Patienten mit einer definitiven IPF ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung eine antifibrotische Behandlung empfohlen werden soll.

An dieser Empfehlung zum möglichst frühen Therapiebeginn hat sich seither nichts geändert. Eine Therapieeinleitung bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung der IPF erscheint sinnvoll, um möglichst früh die Krankheitsprogression zu verlangsamen und damit die Prognose zu verbessern. Bedeutsam ist, dass in den Placebo-Armen der Therapiestudien Patienten mit „normaler“ FVC einen vergleichbar starken FVC-Verlust aufwiesen wie Patienten mit eingeschränkter FVC. Auch tritt der FVC-Verlust bereits nach kurzer Beobachtungszeit ein. Schon nach 12 Wochen zeigte sich in einer Studie, bei der nur IPF-Patienten mit einer FVC > 80 % eingeschlossen wurden, ein FVC-Verlust von 70 ml in der Placebogruppe [168]. Daher soll auch bei einer Lungenfunktion im Referenzbereich eine antifibrotische Therapie eingeleitet werden [25] [27] [63] [73] [169].

In besonderen Fällen (z. B. Zufallsbefund bei CT-Untersuchung oder Lungenresektion aus anderer Indikation) kann bei nicht symptomatischen Patienten mit fehlender oder nur geringgradiger Einschränkung der Lungenfunktion zunächst ein abwartendes Verhalten bezüglich der Therapieeinleitung eingenommen werden. Auch die Prognose limitierende Begleiterkrankungen (z. B. Lungenkrebs) können ein Grund dafür sein, auf die Einleitung einer antifibrotischen Therapie zu verzichten. In jedem Fall muss das individuelle therapeutische Vorgehen mit dem Patienten offen und verständlich besprochen werden. Auch bei Entscheidung gegen eine sofortige Therapieeinleitung sollen immer engmaschige klinische und lungenfunktionelle Kontrollen erfolgen (zumindest alle 3 Monate).


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4.1.2 Bei PPF

E18

Empfehlung

↑↑

PPF-Patienten sollen antifibrotisch behandelt werden, wenn andere für die jeweilige Diagnose angemessene Behandlungen (z. B. anti-inflammatorische Therapie, Expositionskarenz) keine ausreichende Wirksamkeit gezeigt haben. Die individuelle Therapieentscheidung soll im ILD-Board festgelegt werden.

Konsensstärke: 100 %

Zum Phänotyp der PPF zählen ILDs mit den unterschiedlichsten Diagnosen. Die meisten Patienten mit Nicht-IPF-Diagnosen sind nicht progredient und sprechen z. B. auf antiinflammatorische Therapie oder Expositionskarenz an [7] [170].

Daher wird zum Zeitpunkt der Diagnosestellung i. d. R. entweder zunächst der Verlauf engmaschig kontrolliert und/oder eine antiinflammatorische Therapie eingeleitet, bei EAA und anderen expositionsbedingten Erkrankungen (Metallstäube, Medikamente, etc.) auch die Karenz gegenüber der auslösenden Noxe empfohlen. Erst wenn trotz dieser Maßnahmen nach den in der Präambel definierten Progressionskriterien der Krankheitsverlauf als PPF zu klassifizieren ist, sollte mit einer antifibrotischen Therapie unabhängig vom HRCT-Muster begonnen werden [16] [170]. Hierbei ist auch eine retrospektive Analyse des Krankheitsverlaufs zulässig.

Offen ist die Frage, ob Patienten mit ungünstigen Prognosekriterien, z. B. mit UIP-Muster, bereits ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung eine antifibrotische Behandlung erhalten sollen [171] [172]. In der INBUILD-Studie war bei Patienten mit UIP-Muster tendenziell der FVC-Verlust in der Placebogruppe größer und der Therapieeffekt von Nintedanib stärker als bei Patienten mit anderen fibrotischen HRCT-Mustern [11].

Für die Auswahl des Antifbrotikums bei PF-ILD verweisen wir auf (siehe Kapitel 2.7 „Sollen PPF-Patienten antifibrotisch behandelt werden?“ und siehe Kapitel 4.3 „Wann sollte ein Therapiewechsel erfolgen?“).


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4.2 Wann sollte eine antifibrotische Therapie beendet werden?

4.2.1 Bei IPF

E19

Empfehlung

↑↑

Vor dem Hintergrund der hohen Mortalität der IPF soll eine vom Patienten gut vertragene antifibrotische Therapie zeitlich unbegrenzt, inkl. Therapiewechsel, ggf. bis zur Möglichkeit einer Lungentransplantation fortgeführt werden.

Konsensstärke 100 %

E20

Empfehlung

↑↑

Die antifibrotische Behandlung soll beendet werden, wenn Nebenwirkungen trotz symptomatischer Therapie, Dosisreduktionen oder temporärer Behandlungsunterbrechungen nicht zu beherrschen sind.

Konsensstärke 100 %

E21

Empfehlung

↑↑

Die Entscheidung zum Therapieabbruch soll in Abstimmung mit dem Patienten getroffen werden.

Konsensstärke 100 %

Grundsätzlich können Therapieversagen oder nicht tolerable Nebenwirkungen einen Therapieabbruch rechtfertigen. Eine einheitliche Definition für das Vorliegen eines Therapieversagens existiert nicht. Eine akute Exazerbation oder eine sonstige akute respiratorische Verschlechterung ist kein Grund zum Therapieabbruch, da Post-hoc-Analysen zeigen konnten, dass das Fortführen der antifibrotischen Therapie nach einem solchen akuten Ereignis mit einem Überlebensvorteil verbunden ist [33] [65]. Auch Patienten mit schwergradiger IPF profitieren noch von einer antifibrotischen Therapie [35] [64] [68]. Daher ist das Erreichen eines fortgeschrittenen Krankheitsstadiums im Verlauf ebenfalls kein Grund, die Therapie zu beenden.

Die Datenlage für die Wirksamkeit einer antifibrotischen Therapie über eine Dauer von länger als 52–72 Wochen, d. h. über den Therapiezeitraum der placebokontrollierten Zulassungsstudien hinausgehend, ist begrenzt. Zur Verträglichkeit und Sicherheit liegen für beide antifibrotische Medikamente inzwischen weitere Daten aus Langzeit-Beobachtungsstudien und Real-Life-Kohorten vor. In der Open-Label-Verlängerungsstudie von ASCEND und CAPACITY (RECAP) (mittlere Behandlungsdauer 122, maximale 349 Wochen) und in der Phase-IV-Studie (PASSPORT) (Real-World-IPF-Patienten) ergaben sich für Pirfenidon keine neuen Gesichtspunkte in Bezug auf Langzeitverträglichkeit und Sicherheitsprofil [61] [70]. Darüber hinaus belegen Langzeitanalysen von 1.299 Patienten aus 5 klinischen Studien, dass Pirfenidon auch über einen längeren Zeitraum von bis zu 9,9 Jahren (Median 1,7 Jahre) gut toleriert wird [62]. Die Open-Label-Verlängerungsstudie von TOMORROW (Nintedanib) zeigte, dass die Wirksamkeit von Nintedanib und die Verträglichkeit über 52 Wochen erhalten bleibt (mittlere Behandlungsdauer 28, maximale 86 Monate) [173]. Die Langzeit-Beobachtungsstudie mit Nintedanib (INPULSIS-ON) bestätigte den positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf (mittlere Behandlungsdauer 45, maximale 68 Monate) bei unverändertem Nebenwirkungsprofil [24]. Real-Life-Daten von Medicare-versicherten Patienten aus den USA, dem deutschen INSIGHTS-IPF-Register und dem europäischen IPF-Register legen nahe, dass eine antifibrotische Therapie das Überleben verlängern kann [47] [48] [49].


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4.2.2 Bei PPF

E22

Empfehlung

↑↑

Eine vom Patienten gut vertragene und die Progression verlangsamende antifibrotische Therapie soll zeitlich unbegrenzt, inkl. Therapiewechsel oder Studienteilnahme, ggf. bis zur Möglichkeit einer Lungentransplantation fortgeführt werden.

Konsensstärke 100 %

E23

Empfehlung

↑↑

Wenn Nebenwirkungen trotz symptomatischer Therapie, Dosisreduktionen oder temporärer Behandlungsunterbrechungen nicht zu beherrschen sind, soll die Therapie beendet werden.

Konsensstärke 100 %

E24

Empfehlung

↑↑

Die Entscheidung zum Therapieabbruch soll in Abstimmung mit dem Patienten getroffen werden.

Konsensstärke 100 %

Im Gegensatz zur IPF liegen für die antifibrotische Therapie der PPF noch keine belastbaren Daten aus Langzeitbeobachtungen von Studienpatienten, Register- oder Real-World-Populationen vor. Im Unterschied zur IPF ist allerdings bei Patienten mit PPF i. d. R. die Progressionsrate vor Therapiebeginn bekannt. Daher kann dies bei der Entscheidung, ob die Therapie wegen Therapieversagens abgebrochen werden soll, berücksichtigt werden. Falls die Progression während eines Therapiezeitraums von 6–12 Monaten in der Gesamtbetrachtung unverändert stark erscheint, kann die Beendigung der Therapie, ggf. nach vorausgegangenem Wechsel des Medikaments, erwogen werden (siehe Kapitel 4.3.: „Wann sollte ein Therapiewechsel erfolgen?“).


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4.3 Wann sollte ein Therapiewechsel erfolgen?

4.3.1 Bei IPF

E25

Empfehlung

↑↑

Bei IPF-Patienten soll im Falle des Auftretens von nicht beherrschbaren Nebenwirkungen unter antifibrotischer Therapie ein Therapiewechsel erfolgen.

Konsensstärke: 100 %

E26

Empfehlung

Bei IPF-Patienten mit Progression der Lungenfibrose trotz mehrmonatiger antifibrotischer Therapie kann ein Therapiewechsel nach gründlicher Risiko-Nutzen-Abwägung im Einzelfall erwogen werden.

Konsensstärke: 100 %

E27

Empfehlung

↑↑

Ein Therapiewechsel soll im ILD-Board festgelegt werden. Auch die Möglichkeit einer Studienteilnahme soll in diesem Fall geprüft werden.

Konsensstärke: 100 %

In mehreren retrospektiven Studien wurden IPF-Patientenkollektive untersucht, bei denen eine Umstellung der antifibrotischen Therapie erfolgt ist [38] [40] [174] [175] [176].

In einer retrospektiven Multizenter-Analyse wurden 62 IPF-Patienten analysiert, die mit Nintedanib behandelt wurden. 48 Patienten aus diesem Kollektiv waren mit Pirfenidon vorbehandelt worden. Gründe für die Therapieumstellung waren bei diesen Patienten eine Pirfenidonunverträglichkeit (56 %) oder eine Krankheitsprogression (44 %). Als Progression wurde in dieser Analyse ein Abfall von FVC (%pred) > 5 % in 6 Monaten gewertet oder ein Abfall FVC (%pred) < 5 % bei gleichzeitiger Verschlechterung der Symptome oder des radiologischen Befundes [38]. Suzuki et al. analysierten ein Kollektiv von 262 antifibrotisch behandelten IPF-Patienten [174]. Bei 37 Patienten (14 %) wurde ein Therapiewechsel (Pirfenidon zu Nintedanib n = 29; Nintedanib zu Pirfenidon n = 8) vollzogen (46 % bei Progress, 46 % bei Antifibrotika-Nebenwirkungen, 8 % bei Erstdiagnose Lungenkarzinom, vasospastischer Angina oder explizitem Patientenwunsch). Bei den als progredient klassifizierten Patienten betrug der mediane Abfall des FVC (%Soll)-Wertes 14,0 % (5,1–22,2) innerhalb eines Zeitraums von im Median 29,9 (24,2–41,6) Monaten vor Beginn der Second-Line-antifibrotischen Therapie. Brunnemer et al. untersuchten 64 mit Nintedanib behandelte IPF-Patienten [40]. 30 Patienten waren mit Pirfenidon vorbehandelt, Gründe für die Umstellung auf Nintedanib waren auch hier unerwünschte Nebenwirkungen (70 %) und Progression der IPF unter Pirfenidon (30 %). Progressionskriterien waren ein Abfall des FVC (%pred) um ≥ 5 % und/oder ein Abfall des DLCO-Werts um ≥ 15 % zu jedwedem Zeitpunkt. Eine kleinere Fallserie von 12 Patienten, die von Pirfenidon auf Nintedanib umgestellt wurden, zeigte ähnliche Daten (Nebenwirkungen n = 9; Progression n = 3) [175].

Ob die unter antifibrotischer Therapie progredienten Patienten von einer Umstellung auf das alternative Antifibrotikum generell profitieren, geht aus den genannten Studien nicht eindeutig hervor. In einer jüngst veröffentlichten kanadischen Registerstudie wurden 165 IPF-Patienten untersucht, bei denen es unter antifibrotischer Therapie zu einem FVC-Abfall ≥ 10 % innerhalb von 6 Monaten gekommen war. Hier zeigte sich bezüglich des weiteren lungenfunktionellen Verlaufs kein Unterschied zwischen den Patienten, deren antifibrotische Therapie umgestellt wurde, und den Patienten, deren antifibrotische Therapie unverändert weitergeführt wurde. Eine deutlich schlechtere Prognose zeigten allerdings die Patienten, deren antifibrotische Therapie komplett beendet wurde [177]. Post-hoc-Subgruppenanalysen aus den zulassungsrelevanten Studien hatten für beide antifibrotische Substanzen bereits aufgezeigt, dass eine konsequente Therapieweiterführung die Prognose im Vergleich zu Placebo verbessert, auch wenn nach der Therapieeinleitung ein weiterer FVC-Abfall beobachtet wird [178] [179].


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4.3.2 Bei PPF

E28

Empfehlung

Bei PPF-Patienten sollte im Falle des Auftretens nicht beherrschbarer Nebenwirkungen oder einer unverminderten Progression unter Nintedanib ein Therapiewechsel auf Pirfenidon oder eine Studienteilnahme erwogen werden.

Konsensstärke: 100 %

E29

Empfehlung

↑↑

Die Frage eines Therapiewechsels soll im ILD-Board entschieden werden.

Konsensstärke: 100 %

Bei Patienten mit PPF wurden noch keine Daten zur Umstellung der antifibrotischen Therapie publiziert. Noch ist unklar, ob die Progressions-Kriterien zur Definition der PPF-Verlaufsform (siehe Präambel) auch als Indikation für eine Umstellung der antifibrotischen Therapie gelten können. Bei unvermindertem Progress trotz antifibrotischer Therapie sollte eine Therapiewechsel oder eine Studienteilnahme erwogen werden.

Analog zu IPF sollten ein Therapiewechsel oder eine Studienteilnahme erfolgen, wenn Nebenwirkungen trotz symptomatischer Therapie, Dosisreduktionen oder temporärer Behandlungsunterbrechungen nicht zu beherrschen sind. Diese Entscheidung sollte im ILD-Board getroffen werden.

Hinsichtlich des optimalen Managements von Nebenwirkungen der antifibrotischen Therapie verweisen wir an dieser Stelle auf die einschlägige Literatur zu diesem Thema [180] [181] [182].


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4.4 Kann eine antifibrotische Kombinationstherapie sinnvoll sein?

E30

Empfehlung

↓↓

IPF- oder PPF-Patienten sollen nicht mit einer Kombinationstherapie aus Nintedanib und Pirfenidon außerhalb kontrollierter klinischer Studien behandelt werden

Konsensstärke: 100 %

Aufgrund der Verfügbarkeit von zwei zugelassenen antifibrotischen Medikamenten stellt sich die Frage, ob eine Kombinationstherapie ähnlich wie bei anderen Krankheiten (z. B. Asthma bronchiale, COPD, PAH oder Lungenkarzinom) einen noch effektiveren Therapieansatz darstellen könnte. Aufgrund der multifaktoriellen und heterogenen Pathogenese der IPF und der damit verbundenen Notwendigkeit, durch die medikamentöse Therapie verschiedenste profibrotische Signalwege und Pfade gezielt zu beeinflussen, könnte eine Kombinationstherapie effektiv sein [183]. Allerdings ist unklar, ob die Kombination zweier wirksamer Wirkstoffe zu einer synergistischen bzw. additiven Wirkung führt oder ob sich die beiden Medikamente gar antagonisieren, d. h. in ihrer Wirkung gegenseitig abschwächen. Ein Beispiel hierfür ist die PANORAMA-Studie, in der die Kombination aus Pirfenidon und N-Acetylcystein vs. Pirfenidon und Placebo untersucht wurde und in der nicht nur kein positiver Effekt, sondern möglicherweise eine negative Wirkung von N-Acetylcystein auf den Therapieeffekt von Pirfenidon gezeigt wurde [86]. Auch können unvorhersehbare Medikamenteninteraktionen mit nicht akzeptablen Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden. In einer japanischen Phase-2-Studie wurden das Nebenwirkungsprofil, die Tolerabilität und die Pharmakokinetik von Nintedanib allein und in Kombination mit Pirfenidon bei IPF-Patienten untersucht. Es fanden sich eine Reduktion der maximalen Plasmaspiegel und der AUC von Nintedanib sowie häufiger auftretende Nebenwirkungen bei Komedikation mit Pirfenidon im Vergleich zur Nintedanib-Monotherapie [184]. In der offenen, randomisierten INJOURNEY-Studie wurde primär die Verträglichkeit der zusätzlichen Gabe von Pirfenidon zu einer etablierten Nintedanib-Therapie untersucht [185]. Dabei zeigte sich unter der Kombinationstherapie eine Zunahme der gastrointestinalen Nebenwirkungsrate und eine ähnliche Plasmakonzentration von Nintedanib allein oder in Kombination mit Pirfenidon. In der explorativen Effektivitätsanalyse zeigte sich zumindest ein Signal bezüglich des geringeren FVC-Abfalls in der Kombinationsgruppe über den kurzen Studienzeitraum von 12 Wochen (D FVC –13,3 ± 17,4 ml vs. –40,9 ± 31,4 ml). In einer offenen, einarmigen Phase-IV-Studie über 24 Wochen wurde die zusätzliche Gabe von Nintedanib zu einer etablierten Therapie mit Pirfenidon bezüglich der Verträglichkeit und des Nebenwirkungsprofils überprüft [186]. Die Mehrheit der Studienpatienten (73 von 89) tolerierte die Kombinationstherapie über den Beobachtungszeitraum und berichteten über ein ähnliches Nebenwirkungsprofil wie unter den einzelnen Wirkstoffen. In einer kleinen retrospektiven Beobachtungsstudie aus Japan wurde die zusätzliche Gabe von Nintedanib oder Pirfenidon zu einer etablierten antifibrotischen Therapie bezüglich der Verträglichkeit analysiert. Dabei wurde von 30,4 % aller Patienten die Therapie mit entweder einem der beiden Wirkstoffe oder mit beiden Medikamenten abgebrochen [187]. Bevor eine Kombinationstherapie bei Patienten mit IPF mit Pirfenidon und Nintedanib empfohlen werden kann, müssen daher kontrollierte Studien belegen, dass die Kombinationstherapie ein besseres Wirkungsprofil bei ähnlichem Sicherheitsprofil aufweist als die jeweilige Einzeltherapie.

Aktuell ist für die PPF aufgrund der Daten der INBUILD-Studie [11] nur eine antifibrotische Behandlung mit Nintedanib zugelassen. Die Ergebnisse der deutschen RELIEF-Studie [13] zeigen auch eine Wirksamkeit für Pirfenidon bei PF-ILD, dieses ist aber für die Therapie der PPF nicht zugelassen. Publizierte Daten zur Wirksamkeit der Kombinationstherapie von Nintedanib und Pirfenidon bei PPF liegen nicht vor. Analog zu der Behandlung von Patienten mit IPF ist mit einer erhöhten Nebenwirkungsrate zu rechnen. Bevor eine Kombinationstherapie bei Patienten mit PPF mit Pirfenidon und Nintedanib empfohlen werden kann, müssen daher kontrollierte Studien belegen, dass die Kombinationstherapie ein besseres Wirkungsprofil bei ähnlichem Sicherheitsprofil aufweist als die jeweilige Einzeltherapie.


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4.5 Welche Bedeutung hat die unterschiedliche Zulassung von Pirfenidon und Nintedanib bei IPF?

E31

Empfehlung

↑↑

Bei Patienten mit IPF soll die Wirkstoffauswahl unter Berücksichtigung des Schweregrades, des Nebenwirkungsprofils, der Komorbiditäten und Komedikationen sowie des Lebensstils und der persönlichen Präferenz des Patienten erfolgen.

Konsensstärke: 100 %

Die Daten der klinischen Studien zeigen bei fehlenden direkten Vergleichsuntersuchungen keine Überlegenheit eines der beiden Wirkstoffe, sodass keine Empfehlung bezüglich eines bevorzugten Einsatzes gegeben werden kann. Ein Vergleich der beiden Substanzen ist erschwert durch die unterschiedlichen Patientenkohorten in den jeweiligen Zulassungsstudien, die sich aufgrund der unterschiedlichen Ein- und Ausschlusskriterien in den Studien CAPACITY, ASCEND und INPULSIS ergaben [22] [57] [58]. In Deutschland ist Nintedanib für alle Patienten mit IPF ohne Berücksichtigung des Schweregrades zugelassen, während Pirfenidon nur für die leichte und mittelschwere Form der IPF zugelassen ist, wobei es keine verbindlichen Definitionskriterien des Schweregrades gibt, sodass die Einschätzung dem behandelnden Arzt – optimalerweise dem ILD-Board – obliegt, unter Berücksichtigung von klinischer Symptomatik, funktionellen Einschränkungen, radiomorphologischem Bild und Komorbiditäten [188]. Mittlerweile wurde für Pirfenidon eine Post-hoc-Analyse der CAPACITY- und ASCEND-Phase-III-Studiendaten bezüglich Patienten mit stärkerer Einschränkung der Lungenfunktion (FVC < 50 % d.S. oder DLCO < 35 % d.S.) publiziert [64]. Dabei konnte eine signifikante Überlegenheit von Pirfenidon gegenüber Plazebo für die Endpunkte Gesamt-Mortalität, Abfall der FVC ≥ 10 % d.S. oder Gesamt-Mortalität und Abfall der FVC ≥ 10 % d.S. oder Gesamt-Mortalität oder respiratorisch-bedingte Hospitalisierung nachgewiesen werden. Die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen war nicht erhöht. Eine koreanische Beobachtungsstudie untersuchte prospektiv die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pirfenidon bei 219 Patienten, davon 18 % mit fortgeschrittener IPF, definiert als FVC < 50 % d.S. oder DLCO < 35 % d.S. [189]. Bei ähnlich häufigem Auftreten von Nebenwirkungen zeigte sich eine unveränderte Wirksamkeit. In einer retrospektiven Analyse aus Korea konnte für Pirfenidon eine ähnliche Wirksamkeit und ähnliches Nebenwirkungsprofil bei Patienten mit fortgeschrittener IPF (definiert als FVC < 50 % d.S. oder DLCO < 30 % d.S.) belegt werden wie mit nicht-fortgeschrittener IPF [190]. In der prospektiv-kontrollierten SP-IPF-Studie wurden Patienten mit fortgeschrittener IPF und Risiko für eine pulmonale Hypertonie mit Pirfenidon behandelt und erhielten randomisiert zusätzlich Sildenafil 3 × 20 mg/Tag oder Placebo. Auch in dieser Studie zeigte sich nur das bekannte Nebenwirkungsprofil von Pirfenidon ohne neue Aspekte, insbesondere ohne Zunahme der Häufigkeit oder Intensität [100]. Insgesamt sprechen die vorliegenden Studienergebnisse dafür, dass Pirfenidon auch bei fortgeschrittener IPF wirksam ist und ein vergleichbares Nebenwirkungsprofil aufweist wie bei milder bis moderater IPF. An der formalen Zulassung von Pirfenidon für milde bis moderate IPF in der EU ändert dies bisher nichts.

Anmerkung: Die Frage der unterschiedlichen Zulassung von Nintedanib und Pirfenidon stellt sich für die PPF nicht, weil Pirfenidon bisher für diese Indikation nicht zugelassen ist.


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4.6 Wann sollte eine immunmodulatorische Therapie beendet werden?

E32

Empfehlung

Bei nicht-autoimmuner und autoimmuner PPF sollte eine antiinflammatorische Therapie beendet werden, wenn über eine angemessene Beobachtungszeit eine unverminderte Progredienz oder Komplikationen (v. a. Infektionen) bzw. nicht beherrschbare Nebenwirkungen auftreten.

Konsensstärke: 100 %

E33

Empfehlung

↑↑

Bei autoimmuner PPF soll die Aktivität der Grunderkrankung und ihrer extrapulmonalen Manifestationen in die Entscheidung zur Therapiebeendigung einbezogen werden. Die Entscheidung zur Therapiebeendigung soll interdisziplinär, z. B. in einem ILD-Board, getroffen werden.

Konsensstärke: 100 %

Die Frage, wann eine antiinflammatorische Therapie bei nicht-autoimmuner oder autoimmuner PPF beendet werden sollte, kann nicht generell beantwortet werden. Es handelt sich um eine komplexe Fragestellung, in deren Beantwortung zahlreiche Überlegungen einfließen und die von Fall zu Fall entschieden werden sollten. Infektkomplikationen und/oder eine Zunahme der bestehenden fibrotischen Veränderungen und insbesondere die Entwicklung von Honigwabenzysten und Traktionsbronchiektasien sollten als ein wichtiges Kriterium für die Reduktion oder gar das Absetzen der antiinflammatorischen Therapie betrachtet werden [170].

In einer placebokontrollierten Studie bei IPF-Patienten konnte gezeigt werden, dass die antiinflammatorische Kombinationstherapie mittels Prednisolon und Azathioprin zu vermehrten respiratorischen Infekten, akuten Exazerbationen und einem schlechteren Überleben führt [191]. Eine hohe Infektkomplikationsrate und Nebenwirkungen unter der genannten immunsuppressiven Kombinationstherapie weisen v. a. Patienten mit einer unter der 10-Perzentile liegenden Telomerlänge [198]. Die Daten der INBUILD-Studie zeigen, dass in beiden Behandlungsgruppen mehr Atemwegsinfekte und Bronchitiden auftraten bei Patienten, die zum Studienbeginn antiinflammatorisch behandelt wurden, als bei denjenigen ohne solche Therapie [103].

Die antiinflammatorische Behandlung sollte ebenso beendet werden, wenn Nebenwirkungen auch durch Begleitmedikation, Dosisreduktionen, Medikamentenwechsel oder temporäre Behandlungsunterbrechungen nicht zu beherrschen sind.

Ergänzend sind bei den autoimmunen PPF die Aktivität der Grunderkrankung und ihre extrapulmonalen Manifestationen für die Steuerung und ggf. Beendigung der antiinflammatorischen Therapie zu berücksichtigen.

Erratum

Behr J, Bonella F, Frye BC et al. Pharmakotherapie der idiopathischen Lungenfibrose (ein Update) und anderer progredienter pulmonaler Fibrosen Pneumologie 2023; 77: 94–119 DOI 10.1055/a-1983-6796
Im oben genannten Artikel sind auf S. 98 (rechte Spalte, dritter Absatz) die Angaben zum FCV-Abfall fehlerhaft. Richtig ist: (TOMORROW: Placebo-Arm –190 ml/Jahr, Therapie-Arm: –60 ml/Jahr). Die Korrektur wurde in der Onlineversion des Artikels ausgeführt am: 01.03.2023.


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Interessenkonflikt

Eine Übersicht der Interessenkonflikte findet sich im Internet unter: http://awmf.org; AWMF-Registriernummer 020-025.

1 Radiologische Fibrosezeichen definiert als: – Zunahme von Ausmaß oder Schweregrad von Traktionsbronchi(ol)ektasen; – Neu auftretende Milchglasverschattung mit Traktionsbronchiektasen; – Neu auftretende feine Retikulationen; – Zunahme von Ausmaß oder Deutlichkeit von Retikulationen; – Neuauftreten oder Zunahme von Honigwaben; – Zunehmender Volumenverlust von Lungenlappen.


2 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit gilt in dieser Leitlinie das generische Maskulinum immer geschlechtsneutral für alle Geschlechter.



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Medizinische Klinik und Poliklinik V
LMU Klinikum der Universität München
Marchioninistr. 15
81377 München
Deutschland   

Publication History

Article published online:
15 February 2023

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Interstitielle Lungenerkrankung (ILD) ohne die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) [2]. Quelle: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-025 [rerif].