Pneumologie 2023; 77(04): 206-219
DOI: 10.1055/a-2020-4284
Leitlinie

Tabakentwöhnung bei COPD

Smoking Cessation in Patients with COPD
Stefan Andreas
1   Lungenfachklinik Immenhausen; Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
,
Daniel Kotz
2   Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Schwerpunkt Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
,
Anil Batra
3   Klinik für Psychatrie und Psychotherapie, Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung, Universitätsklinikum Tübingen
,
Andreas Hellmann
4   Praxis für Pneumologie, Onkologie und Schlafmedizin am Diako, die Stadtklinik, Augsburg
,
Stephan Mühlig
5   Institut für Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Chemnitz
,
Dennis Nowak
6   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, LMU Klinikum, Ludwig-Maximilians-Universität München, Comprehensive Pneumology Center (CPC) Munich, Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
,
Konrad Schultz
7   Klinik Bad Reichenhall der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd
,
Heinrich Worth
8   Facharztforum Fürth
,
Sabine Schüler
9   Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Berlin
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Tabakabhängigkeit ist eine häufige Komorbidität bei Patient*innen mit COPD (englisch: Chronic Obstructive Pulmonary Disease) und hat einen negativen Effekt auf den Verlauf der Erkrankung. Eine klinisch relevante Verbesserung der COPD kann jedoch nur durch vollständige und dauerhafte Abstinenz erreicht werden. Daher ist der Verzicht auf Tabakkonsum ein zentrales Therapiekonzept.

Nach ausführlicher Dokumentation der Rauchgewohnheiten und einer motivierenden Beratung, in der die Risiken des Rauchens aufgezeigt werden, soll allen rauchenden Patient*innen mit COPD eine strukturierte Therapie zur Tabakentwöhnung angeboten werden. Es gibt hochwertige Evidenz für die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie aus Verhaltenstherapie und Medikamenten (zur Behandlung des Entzugssyndroms). Aufgrund der aktuell unzureichenden Datenlage gibt es derzeit keine Empfehlung für die Verwendung von E-Zigaretten als primäre Option für einen Entwöhnungsversuch.

Das Rauchen ist die mit Abstand häufigste Ursache der COPD. Die Tabakentwöhnung ist die wirksamste und kosteneffektivste Einzelmaßnahme, um das Risiko der COPD-Entstehung und das Voranschreiten der Erkrankung zu reduzieren.


#

Abstract

Tobacco dependence is a common comorbidity in patients with COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) that negatively affects the course of the disease. However, clinically relevant improvement in COPD can only be achieved by complete and permanent abstinence. Therefore, abstinence from tobacco use is a central therapeutic concept in smoking patients with COPD and requires specific and targeted treatment.

After detailed documentation of smoking behaviour and motivational counseling outlining the risks of smoking, all such patients shall be offered a structured therapy for tobacco cessation. There is high-quality evidence for the effectiveness of a combination therapy of behavioral therapy and medication (to treat the withdrawal syndrome). Due to insufficient data, there is currently no recommendation for the use of e-cigarettes as a primary option for a cessation attempt.

Smoking is the most important cause of COPD. Smoking cessation is the most effective and cost-efficient single intervention to reduce the risk of developing and progressing COPD.


#

1 Einleitung

In der Pneumologie ist bereits im Jahr 2008 und im Jahr 2014 eine AWMF-Leitlinie zur Tabakentwöhnung bei COPD (englisch: Chronic Obstructive Pulmonary Disease) publiziert worden [1] [2]. Diese beiden S3-Leitlinien wurden mit großem Aufwand aller Beteiligten von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) betreut.

Da S3-Leitlinien besonders hohe methodische Anforderungen erfüllen, ist es von großem Vorteil, kooperative Anstrengungen bei ihrer Erstellung zu unternehmen. In einem gemeinsamen Austausch zwischen der DGP und den Trägern des Programms für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL)[1] kam es zu der Überlegung, die zur Überarbeitung anstehende Leitlinie Tabakentwöhnung bei COPD in die ebenfalls zu aktualisierende NVL COPD zu integrieren.

Zwei wesentliche Vorteile wurden hierbei gesehen:

  • Reduktion und Vereinheitlichung der Leitlinien durch eine ausführliche Abbildung der für die Behandlung der COPD zentralen Tabakentwöhnung in einer umfassenden NVL.

  • Vermeidung von Doppelarbeit und effektive Nutzung von Ressourcen durch Kooperation. So lassen sich Leitlinienprozesse effektiver gestalten und harmonisieren.

Dies ist das erste Beispiel dafür, dass sich eine Fachgesellschaft dazu entschieden hat, eine eigene Leitlinie in eine NVL zu integrieren. Somit konnten zwei Leitlinien erfolgreich zusammengeführt werden.

Die Pneumolog*innen und die DGP zusammen mit dem Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP) setzen sich seit Jahrzehnten gesundheitspolitisch und in der alltäglichen Patientenversorgung für die Tabakentwöhnung ein. Um den Pneumolog*innen die relevanten Abschnitte der NVL COPD zur Tabakentwöhnung einfach zugänglich zu machen, werden diese hier eigens in der „Pneumologie“ publiziert. Die gesamte NVL COPD ist über https://www.leitlinien.de/themen/copd sowie über das Portal der AWMF (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-003) zugänglich.


#

2 Diagnostik

2.1 Allgemeine Anamneseinhalte

Eine ausführliche Anamnese ist wesentlicher Bestandteil der initialen Diagnostik. In [Tab. 1] werden orientierend diejenigen Punkte dargestellt, welche inhaltlich in einem Anamnesegespräch nach Meinung der Leitliniengruppe vorkommen bzw. abgefragt werden sollen. An erster Stelle wird in der NVL die Frage nach einer Exposition gegenüber Tabakrauch und anderen Risikofaktoren gestellt.

Tab. 1

Anamnese (modifiziert nach [3]).

Anamneseinhalte

Exposition gegenüber

  • Tabakrauch
    (aktiv: In Packungsjahren [pack-years; werden vom Arzt oder von der Ärztin berechnet] sowie passiv)
    und

  • anderen Risikofaktoren

  • Bezugnahme auf ausführlichen Fragebogen für rauchende Patient*innen mit COPD (siehe [Abb. 2])
    oder

  • in verkürzter Form:

    • Rauchen Sie (noch)?

    • Seit wann?

    • Welche Tabakprodukte?

    • Wie viele pro Tag?

Beschwerden (Wann bestehen Symptome wie Atemnot, Husten und Auswurf?)

Häufigkeit von Exazerbationen mit und ohne Krankenhausaufenthalt[1]

Arbeitsanamnese, einschließlich Schadstoffexpositionen

Lungenkrankheiten in der Familienanamnese (inklusive Suchtanamnese)

Frühgeborene

Infekte in der Kindheit

Angaben über Asthma, Allergien und andere Lungen- sowie HNO-Erkrankungen

Komorbiditäten (siehe Tabelle 8 in der NVL-Langfassung)

B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust)

gegenwärtige Medikation

Körperliche Aktivität

1 Für eine strukturierte Erfassung der Exazerbationen kann der MEP-Fragebogen (Monitoring of Exacerbation Probability) [4] herangezogen werden. Nähere Angaben hierzu finden sich im Kapitel 2.7 Strukturierte Symptomerfassung der NVL COPD.


Weiterführende Informationen zur Erfassung der häufig vorkommenden Symptome Husten, Auswurf und/oder Atemnot werden in der NVL-Langfassung im Kapitel 2.7 Strukturierte Symptomerfassung dargestellt (https://www.leitlinien.de/themen/copd).

2.1.1 Zusätzliche Anamnese für rauchende Patient*innen mit COPD

Der in [Abb. 1] (modifiziert nach [5] [6]) dargestellte Fragebogen ist ein Vorschlag der Leitliniengruppe für eine strukturierte und ausführliche Anamnese zum aktuellen Rauchverhalten für rauchende Patient*innen mit COPD. Dieser kann im Wartezimmer ausgelegt und bereits vor der ärztlichen Konsultation selbstständig von Patient*innen ausgefüllt werden.

Zoom Image
Abb. 1 Fragebogen für rauchende Patient*innen mit COPD. Abrufbar unter www.leitlinien.de/themen/copd/weitere-dokumente [rerif].

#

2.1.2 Risikofaktoren

Die bedeutendste Ursache einer COPD ist die Exposition gegenüber Tabakrauch über mehrere Jahre. Weitere Risikofaktoren sind in [Tab. 2] aufgeführt.

Tab. 2

Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD (modifiziert nach [3]).

Exogene Faktoren

Genuine Faktoren

  • Inhalativer Tabakkonsum (auch passiv)

  • Inhalativer Konsum alternativer Tabakprodukte (wie Wasserpfeife, Tabakerhitzer, E-Zigaretten)

  • Berufsbedingte inhalative Noxen

  • Umweltnoxen (Biomassenexposition, Luftverunreinigung)

  • Intrauterine und frühkindliche Einwirkungen

  • Atemwegsinfektionen (in der Kindheit)

  • Tuberkulose

  • Sozioökonomischer Status

  • Genetische Prädisposition (z. B. Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel)

  • Bronchiale Hyperreaktivität (Asthma)

  • Störungen des Lungenwachstums

In den letzten Jahren nahm das Angebot alternativer Tabakprodukte zu. Da diese Produkte Feinstaub und andere Emissionen freisetzen – und der Zusammenhang zwischen Feinstaub und der möglichen Entwicklung einer COPD bereits in der breiten Literatur belegt werden konnte –, wurden auch Alternativen zu klassischen Tabakprodukten als potenzielle Risikofaktoren zusätzlich in die [Tab. 2] aufgenommen (siehe auch Abschnitt 3.3 E-Zigaretten).

Weiterführende Informationen

Dieser Abschnitt ist ein Auszug aus dem Kapitel 2 Diagnostik und Monitoring der NVL COPD. Ausführliche Informationen zur Diagnostik einer COPD finden sich in der Langfassung unter https://www.leitlinien.de/themen/copd/2-auflage/kapitel-2.


#
#

2.2 Tabakabhängigkeit

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Bei rauchenden Patient*innen mit COPD soll der Fagerströmtest (FTCD) zur weiterführenden Diagnostik eingesetzt werden, wenn es für die Therapie relevant ist, die Stärke der Zigarettenabhängigkeit einzuschätzen.

↑↑

Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf einem Expert*innenkonsens und wurde mit der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ [6] abgestimmt.

Erwägungen, die die Empfehlung begründen

Tabakabhängigkeit ist eine häufige Komorbidität bei Patient*innen mit COPD – so werden bspw. im Qualitätsbericht 2017 des DMP Nordrhein [7] 38 % der eingeschriebenen Patient*innen als Raucher*innen dokumentiert. Auch die Angaben der DACCORD-Studie [8] zum Baseline-Rauchstatus der Gesamtpopulation zeigen, dass in dieser Gruppe zu Beginn der Studie 38,3 % (n = 2271) der Patient*innen mit COPD aktiv rauchten. Eine valide Erfassung der Rauchgewohnheiten ist daher zentral für die Therapieplanung (siehe auch Abschnitt 3 Tabakentwöhnung).

Die S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ [6] beschreibt die Reliabilität des Fagerströmtests (Fagerström Test for Cigarette Dependence; FTCD; deutsch: Fagerström Test für Zigarettenabhängigkeit; FTZA) als gut belegt, für die Validität lägen einzelne, z. T. widersprüchliche Studien vor. Der FTCD sei – neben anderen quantitativen Instrumenten – ein gutes Screeninginstrument für die Erfassung der Tabakabhängigkeit bei täglichen Tabakkonsumenten; er scheint jedoch bei Raucher*innen mit geringerer Abhängigkeit etwas reliabler zu sein. Der Fagerströmtest ist im deutschsprachigen Raum das einzige validierte Instrument zur Diagnostik der Tabakabhängigkeit [6]. Dieser psychometrische Test besteht aus 6 Fragen zum Rauchverhalten und ermöglicht die Einschätzung der Stärke der Zigarettenabhängigkeit.

Rationale

Bei rauchenden Patient*innen mit COPD ist Verzicht auf Tabakkonsum ein zentrales Therapiekonzept. Da Tabakabhängigkeit einer besonderen und gezielten Behandlung bedarf, ist deren Erfassung essenziell für die Therapieplanung. Mit dem Fagerströmtest liegt ein niederschwellig einsetzbarer, validierter Test vor. Aus diesem Grund spricht die Leitliniengruppe – basierend auf der Empfehlung der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ [6] – konsensbasiert eine starke Empfehlung aus.

Vertiefende Informationen: Objektive Messung des Tabakkonsums

Dieser Abschnitt beruht auf den Inhalten der S3-Leitlinie „Tabakentwöhnung bei COPD“ [5]. Die Leitliniengruppe schätzt die dort beschriebenen Sachverhalte als weiterhin gültig ein.

Objektive Messverfahren stellen eine Handlungsoption dar, wenn Zweifel an den Selbstauskünften des/der Patient*in hinsichtlich des Rauchverhaltens bzw. einer Tabakabstinenz nach Tabakentwöhnungsversuch bestehen. Entsprechende Tests bedürfen der aktiven Zustimmung der Patienten*innen. Als Messverfahren stehen biochemische Marker wie die Nikotin-Plasma-Konzentration, die Thiozyanat-Konzentration (mit geringer Spezifität bei niedrigem Tabakkonsum) sowie der Cotinin-Spiegel im Serum, Speichel und Urin zur Verfügung.

Kohlenmonoxid (CO) kann sowohl mit Geräten in der Ausatemluft als auch durch kapilläre Blutgasanalysen bestimmt werden. Da letztere im Rahmen der pneumologischen Diagnostik oft durchgeführt werden, besteht die Möglichkeit, das Kohlenmonoxid im Hämoglobin direkt mit zu erfassen.

Ein CO-Wert ≥ 10 ppm gilt hierbei als Indikator für Tabakrauchen [9].


#
#

3 Tabakentwöhnung

Das Kapitel Tabakentwöhnung bei COPD wurde in enger Zusammenarbeit mit den Leitliniengruppen der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. Tabakentwöhnung bei COPD [5] sowie der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ [6] erarbeitet.

3.1 Therapieziel

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Eine relevante Verbesserung der COPD kann nur mit totaler Abstinenz erreicht werden. Deshalb soll rauchenden Patient*innen mit COPD dringend die vollständige und dauerhafte Abstinenz empfohlen werden.

↑↑

Evidenzbasis

Die Empfehlung stellt einen Expert*innenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

Erwägungen, die die Empfehlung begründen

In einer selektiv eingebrachten Sekundärdatenanalyse der NHLBI-Kohorte (National Heart Lung and Blood Institute) [10] wurden die Effekte des Rauchens auf die Lungenfunktion untersucht. 25 352 Teilnehmer*innen mit mindestens zwei spirometrischen Untersuchungen im Verlauf (medianer Follow-up: 7 Jahre) wurden hierbei analysiert.

Die FEV1-Abnahme bei Raucher*innen, welche weniger als 5 Zigaretten pro Tag rauchten (niedrige Intensität), betrug dennoch 7,65 ml pro Jahr (95 %-KI 6,21; 9,09), die Verringerung der FEV1 bei Raucher*innen, welche mindestens 30 Zigaretten pro Tag konsumierten, lag bei 11,24 ml/Jahr (95 %-KI 9,86; 12,62). Bei ehemaligen Raucher*innen wurde hingegen eine FEV1-Abnahme von 1,57 ml im Jahr beobachtet (95 %-KI 1,00; 2,14). Die Autor*innen dieser Analyse schlussfolgern daraus, dass möglicherweise alle Intensitäten des Tabakkonsums mit einer dauerhaften und progressiven Lungenschädigung assoziiert sind. [10]

Für den fehlenden positiven Effekt der Tabakreduktion werden insbesondere Kompensationsmechanismen angenommen, bei denen ein verändertes Rauchverhalten (tiefere und längere Inhalation) den Effekt der geringeren Anzahl an inhalierten Zigaretten aufwiegt [5]. Dementsprechend ist eine Verbesserung der Lungenfunktion nicht zu erwarten, wenn der Tabakkonsum lediglich reduziert wird [5] nach [11] [12] [13].

Rationale

Die Leitliniengruppe spricht konsensbasiert eine starke Empfehlung aus, um die Relevanz der totalen Abstinenz als Therapieziel der Tabakentwöhnung zu unterstreichen und weil Tabakabstinenz auch in Bezug auf allgemeine Gesundheitsparameter einen zu erwartenden Nutzen hat. Um dem Risiko der Stigmatisierung und der Frustration bei Nicht-Erreichen dieses Therapieziels bestmöglich entgegenzuwirken, ist die nicht-direktive und wertschätzende Unterstützung der Patient*innen durch die behandelnden Ärzt*innen von großer Bedeutung.

Patienteninformation

Zur Unterstützung der Aufklärung und Beratung der Patient*innen wurde das Patientenblatt „Warum Rauchstopp wichtig ist“ (https://www.patienten-information.de/patientenblaetter/copd-rauchstopp) entwickelt.


#

3.2 Algorithmus zur Tabakentwöhnung

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Bei allen rauchenden Patient*innen mit COPD soll gemäß dem Algorithmus in [Abb. 2] vorgegangen werden.

↑↑

Zoom Image
Abb. 2 Algorithmus Tabakentwöhnung (modifiziert nach [5]) [rerif].

Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf einem Expert*innenkonsens sowie auf einer systematischen Recherche zu Interventionen der Tabakentwöhnung bei COPD. Für einzelne Interventionen wurde auf die systematischen Recherchen anderer S3-Leitlinien zurückgegriffen. Die Darstellung der Evidenz sowie der Rationalen zu den einzelnen Interventionen erfolgt in den jeweils zugehörigen Abschnitten des Kapitels.

Hinweise

Für die Diagnose einer Tabakabhängigkeit bei rauchenden Patient*innen mit COPD wird auf die Anwendung des Fagerströmtests verwiesen (siehe Abschnitt 2.2 Tabakabhängigkeit).

In der aktuellen NVL COPD wird zudem betont, dass eine Therapie zur Tabakentwöhnung nicht nur zur Tabakentwöhnung motivierten Patient*innen mit COPD, sondern auch Patient*innen ohne Entwöhnungswunsch anzubieten ist.

3.2.1 Dokumentation der Rauchgewohnheiten

Die Autor*innen der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ [6] gehen davon aus, dass eine systematische Erfassung des Tabakkonsums die Interventionsraten verbessert (OR 3,1 (95 %-KI 2,2; 4,2); zitiert nach [6]), wobei bereits die Erfassung der Anamnese zu einer Erhöhung der Anzahl der erfolgreich entwöhnten Patient*innen führt [6]. Hinweise zur Umsetzung einer Kurzanamnese zur Abfrage der Rauchgewohnheiten finden sich im Abschnitt 2.1 Allgemeine Anamneseinhalte. Dort steht eine praktikable Kurzabfrage zum aktuellen Rauchverhalten im allgemeinmedizinischen Setting zur Verfügung. Darüber hinaus wurde auch ein ausführlicher und detaillierter Fragebogen speziell für rauchende Patient*innen mit COPD (siehe [Abb. 1]) entwickelt, welcher für eine umfassende Dokumentation herangezogen werden kann. Dieser kann im Wartezimmer ausgelegt und bereits vor der ärztlichen Konsultation von den Patient*innen ausgefüllt werden.


#

3.2.2 Kurzberatung und motivierende Gesprächsführung

Die S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ [6] beschreibt die Kurzberatung als eine i. d. R. in Arztpraxen oder anderen Settings der medizinischen oder psychosozialen Versorgung durchgeführte Intervention mit einer Dauer von etwa 1–2 Minuten bis zu 20 Minuten in einer Beratungseinheit. Meist werden die Patient*innen zunächst allgemein auf das Rauchen angesprochen, Risiken werden dargestellt und eine Empfehlung zum vollständigen Rauchstopp ausgesprochen. Die S3-Leitlinie weist auf Basis systematischer Recherchen darauf hin, dass eine Ansprache von Raucher*innen in einer Kurzberatung wirkungsvoller ist als überhaupt keine Ansprache (ärztliche Kurzberatung vs. keine Beratung oder Usual Care: RR 1,66 (95 %-KI 1,42; 1,94); 17 Studien, n = 13 724, zitiert nach [6]). Zudem scheint ein Schadenspotenzial durch die Intervention nicht plausibel.

Zur inhaltlichen Ausgestaltung der Kurzberatung stehen verschiedene Konzepte zur Verfügung.

5As: Fiore et al. [14] schlagen bspw. 5 Schritte vor, die sich ins Deutsche übersetzt auch in der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ wiederfinden [6].

  • Abfragen des Rauchstatus („ask“): alle Patient*innen zum Rauchen befragen und den Rauchstatus dokumentieren;

  • Anraten des Rauchverzichts („advise“): individuelle und motivierende Empfehlung zum Rauchstopp geben;

  • Ansprechen der Aufhörmotivation („assess“): erfassen, ob die/der Rauchende bereit ist, das Rauchverhalten zu ändern;

  • Assistieren beim Rauchverzicht („assist“): Raucher*innen, die aufhören wollen, qualifiziert unterstützen oder an ein anerkanntes Entwöhnungsangebot weiterleiten;

  • Arrangieren von Folgekontakten („arrange“). [14]

Das ABC-Modell von Robbie et al. [15] beinhaltet 3 Schritte, die ebenfalls in der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ aufgeführt wurden [6]:

  • Ask (Abfragen des Rauchstatus, Dokumentation);

  • Brief advice or intervention (Individuelle und motivierende Empfehlung zum Rauchstopp) und

  • Cessation support (qualifizierte Unterstützung bei Aufhörwunsch, Weiterleitung an ein anerkanntes Entwöhnungsangebot). [15]

Aufgrund des geringen zeitlichen Aufwandes einer Kurzberatung empfiehlt die Leitliniengruppe analog der S3-Leitlinie [6] diese Form der Ansprache bevorzugt und flächendeckend für alle Settings (siehe [Abb. 2]), ohne jedoch speziell ein einzelnes Konzept hervorzuheben.

Motivierende Gesprächsführung ist eine zusätzliche Option bei Raucher*innen [6], deren Motivation, mit dem Rauchen aufzuhören, gering ist. Hier besteht das Ziel darin, die intrinsische Motivation zur Verhaltensänderung aufzubauen. Das Konzept basiert auf einem non-direktiven, klientenzentrierten Ansatz der Gesprächsführung. Die Rauchenden werden nicht von außen zum Rauchstopp motiviert oder gedrängt, sondern entwickeln im gemeinsamen Gespräch durch wertfreie und zieloffene Abwägung der Vor- und Nachteile des Rauchens selber eine zunehmende Änderungsmotivation. [5]


#

3.2.3 Therapie zur Tabakentwöhnung

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Eine Therapie zur Tabakentwöhnung soll

  • sowohl zur Tabakentwöhnung motivierten rauchenden Patient*innen mit COPD als auch

  • Patient*innen ohne Entwöhnungswunsch

angeboten werden.

↑↑

Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf einem Expert*innenkonsens sowie indirekt auf der Evidenz zur Wirksamkeit der Therapiemaßnahmen zur Tabakentwöhnung.

Rationale

Tabakabhängigkeit ist eine häufige Komorbidität bei Patient*innen mit COPD (siehe Abschnitt 2.2 Tabakabhängigkeit) und hat einen negativen Effekt auf den Verlauf der Erkrankung. Das Angebot einer Entwöhnungsbehandlung zeigt allen Patient*innen eine konkrete Handlungsoption auf. Da Evidenz für den Nutzen solcher Therapieangebote vorliegt (siehe nächste Empfehlung), geht die Leitliniengruppe davon aus, dass ein Therapieangebot allen Patient*innen mit COPD nutzen kann und kein relevantes Schadenspotenzial hat. Deshalb spricht sie konsensbasiert eine starke Empfehlung aus. Dabei beziehen sich Empfehlung und Empfehlungsstärke ausschließlich auf das Angebot der Therapie. In jedem Fall ist eine wertschätzende Kommunikation die Basis für ein solches Angebot. Dieses Angebot darf im Sinne der Empfehlung nicht zur Folge haben, weiterhin nicht aufhörbereite Patient*innen zu stigmatisieren (siehe Abschnitt 3.1 Therapieziel).

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Bei entwöhnungsbereiten Patient*innen mit COPD soll eine kombinierte Therapie mit Verhaltenstherapie und medikamentöser Entzugssyndrombehandlung nachdrücklich empfohlen und angeboten werden.

↑↑

Evidenzbasis

Diese Empfehlung basiert auf einer systematischen Recherche und der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

Evidenzbeschreibung

Ein in der Recherche identifizierter Cochrane-Review [16] untersuchte die Wirksamkeit verhaltensbezogener und/oder pharmakologischer Maßnahmen zur Raucherentwöhnung bei rauchenden Patient*innen mit COPD. Als primärer Endpunkt wurde der prozentuale Anteil der Teilnehmer*innen erfasst, welcher dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum (≥ 6 Monate) abstinent war.

Wurde eine verhaltenstherapeutische Intervention mit einer üblichen medizinischen Versorgung (care as usual) verglichen, so zeigte sich eine prolongierte Abstinenz nach 6 Monaten zu Gunsten der Verhaltenstherapie (44/1000 vs. 2/1000; RR 25,38 [95 %-KI 8,03; 80,22]; 1 RCT, n = 3562, Evidenzqualität moderat). Eine hochintensive verhaltenstherapeutische Maßnahme resultierte in verbesserten Abstinenzraten nach 6 Monaten im Vergleich zu Verhaltenstherapien mit niedriger Intensität (17/42 vs. 8/43; RR 2,18 [95 %-KI 1,05; 4,49]; 1 RCT, n = 85, Verzerrungsrisiko [RoB] 4 × niedrig/1 × hoch/2 × unklar).

Wenn eine Nikotinersatztherapie gegen Placebo untersucht wurde, so zeigte sich eine Risk Ratio von 2,6 nach 12 Monaten ([95 %-KI 1,29; 5,24]; 1 RCT, n = 370, Evidenzqualität hoch). Ähnliche Aussagen konnten zum Vergleich Nortriptylin vs. Placebo nach 6 Monaten hinsichtlich der längeren Abstinenz abgeleitet werden (RR 2,54 [95 %-KI 0,87, 7,44]; 1 RCT, n = 100; Evidenzqualität niedrig). Vareniclin zeigt nach 12 Monaten ebenfalls eine Verbesserung der prolongierten Abstinenz (RR 3,34 [95 %-KI 1,88; 5,92]; 1 RCT, n = 504; Evidenzqualität hoch). Für Bupropion vs. Placebo nach 6 Monaten ergab sich eine RR von 2,03 ([95 % KI 1,26; 3,28]; 2 RCTs, n = 503, Evidenzqualität moderat).

Verglich man die Kombination aus verhaltenstherapeutischen Maßnahmen und pharmakologischen Verfahren im Allgemeinen gegen Placebo und Verhaltenstherapie, konnte eine verlängerte Abstinenz nach 6–12 Monaten dargestellt werden (168/1000 vs. 66/1000; RR 2,53 [95 %-KI 1,83; 3,50]; I² = 0 %, 4 RCTs, n = 1429, Evidenzqualität hoch).

Aufgrund klinischer und statistischer Heterogenität zwischen den Studien konnte keine Metaanalyse für eine Kombination aus Verhaltenstherapie und pharmakologischer Verfahren gegenüber anderen Kombinationen bzw. Usual Care durchgeführt werden. Alle Einzelstudien ergaben jedoch höhere Effekte hinsichtlich einer dauerhaften Abstinenz zu Gunsten der Kombinationstherapie (individuelle Risk Ratios der Einzelstudien: RR 4,10 [95 %-KI 3,36; 5,00]; RR 2,22 [95 %-KI 1,06; 4,68]; RR 1,91 [95 %-KI 0,65; 5,61]; RR nicht beurteilbar).

Eine in Zusammenarbeit mit der Cochrane Airways Group durchgeführte systematische Update-Recherche ergab zwei zusätzliche RCTs [17] [18], welche die Aussagen des Cochrane-Reviews [16] stützen.

Sicherheit

An dieser Stelle weist die Leitliniengruppe explizit auf mögliche Nebenwirkungen bei der Therapie mit Bupropion entsprechend der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ hin [6]: Möglicherweise besteht ein Risiko für neurologische und der Verdacht auf schwerwiegende neuropsychiatrische Nebenwirkungen. Für Letzteres besteht eine unsichere Evidenz auf Basis von Melderegistern (FDA). Die Wertigkeit dieser Melderegister ist für den speziellen Fall des Nikotinentzugs stark eingeschränkt, da der Entzug selbst mit neuropsychiatrischen Symptomen einhergeht wie z. B. dysphorische und depressive Stimmung, Angst, Anhedonie, Reizbarkeit, Ruhelosigkeit, Insomnie, Appetitsteigerung, Antriebsverlust und Konzentrationsschwierigkeiten. Auch der systematische Vergleich mit Placebo fehlt generell bei der Auswertung von Melderegistern [6].

Rationale

Die Evidenzqualität für die Wirksamkeit der Kombinationstherapie wird als hoch eingeschätzt. Die Leitliniengruppe hält die Evidenz für belastbar und sieht die Hinweise für die Überlegenheit einer Kombinationsbehandlung für Patient*innen mit COPD als ausreichend an. Dies ist auch mit der besonderen Situation und dem potenziellen Suchtdruck von rauchenden Patient*innen mit COPD erklärbar. Gleichzeitig ist bei einer Nicht-Behandlung der Tabakabhängigkeit von fortschreitender Verschlechterung der COPD auszugehen. Deshalb spricht sie eine starke Empfehlung zugunsten eines kombinierten Therapieangebots mit verhaltenstherapeutischen und medikamentösen Maßnahmen aus, weil sie nach Einschätzung der Evidenz davon ausgeht, dass die Kombination wirksamer ist. Dabei konkretisiert sie nicht bezüglich der medikamentösen Maßnahmen, da für alle Interventionen Hinweise auf Nutzen mit überwiegend hoher bis moderater Evidenzqualität identifiziert werden konnten und sich die Indikation auch nach dem jeweiligen Nebenwirkungsprofil richtet.

Weiterführende Empfehlungen zu spezifischen Fragestellungen – z. B. die Wahl des medikamentösen Verfahrens – werden in der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ dargestellt (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/076-006) [6].

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Patient*innen mit COPD soll eine intensive verhaltenstherapeutisch-orientierte Einzel- oder Gruppenintervention angeboten werden.

↑↑

Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf einer systematischen Recherche sowie den klinischen Erfahrungen der Leitliniengruppe.

Rationale

Die Evidenzqualität wird als gering eingeschätzt. Ein Cochrane-Review [16] sieht einen Vorteil für eine hoch-intensive verhaltenstherapeutische Intervention hinsichtlich besserer Abstinenz-Outcomes im Vergleich zu einer weniger intensiven Maßnahme (siehe Evidenzbeschreibung vorhergehende Empfehlung). Allerdings beruhen diese Aussagen nur auf einem RCT mit wenigen Teilnehmer*innen. Da gleichzeitig keine Hinweise auf Schaden gefunden wurden und die Tabakentwöhnung als zentrale Therapiemaßnahme mit prognostischer Wirkung angesehen wird, spricht die Leitliniengruppe eine starke Empfehlung aus. Unter einer intensiven verhaltenstherapeutischen Maßnahme wird im Kontext der Rauchentwöhnung eine Intervention von ca. 8 Einheiten verstanden. Eine Einheit muss nicht zwangsläufig eine Doppelstunde umfassen.

Vertiefende Informationen

In Deutschland anerkannte Programme sind bspw. das „Rauchfrei Programm“ (vom Institut für Therapieforschung [IFT], München, und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung [BZgA], Köln) oder „Nichtraucher in 6 Wochen“ (vom Arbeitskreis Raucherentwöhnung der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen).

Zu den Kernelementen verhaltenstherapeutisch-orientierter Interventionen zur Raucherentwöhnung zählen:

  • die Psychoedukation;

  • Gesprächstechniken zur Motivationsförderung;

  • verhaltenstherapeutische Selbstkontrollverfahren/Selbstmodifikationsverfahren unter Einsatz operanter Techniken;

  • der Aufbau alternativer Verhaltensweisen zur funktionellen Bedeutung des Konsums;

  • die Anleitung zur Inanspruchnahme externer sozialer Hilfen sowie

  • Techniken zur Rückfallprophylaxe und zum Umgang mit kurzfristigen Rückfällen [19] [20].

Verfügbarkeit und Alternativen

Da jedoch intensive verhaltenstherapeutisch-orientierte Einzel- oder Gruppeninterventionen im deutschen Versorgungskontext nicht flächendeckend verfügbar sind oder auch durch patientenseitige Gründe eine intensive Therapie gegebenenfalls nicht wahrgenommen werden kann, weist die Leitliniengruppe die Behandelnden darauf hin, in diesen Fällen möglichst direkt andere evidenzbasierte Beratungs- und Unterstützungsangebote anzubieten. Rationale hierfür ist die Evidenz zu Kurzinterventionen im Allgemeinen (nicht spezifisch für Patient*innen mit COPD) [6]. Auf dieser Basis geht die Leitliniengruppe davon aus, dass jede Intervention Nutzen hat im Vergleich zu keiner verhaltenstherapeutischen Intervention.

Falls Patient*innen mit COPD – unabhängig von ihren Gründen dafür – die intensiven verhaltenstherapeutischen Maßnahmen nicht wahrnehmen können, stehen bspw. folgende weniger intensive Angebote zur Verfügung:

  • Kurzberatung und motivierende Gesprächsführung (siehe Abschnitt 3.2.2)

  • Telefonberatung (Rauchfrei-Telefon der BZgA; kostenfreie Servicenummer: 0800 8313131);

  • Online-Programme (digitale Gesundheitsanwendungen mit Bezug zur Raucherentwöhnung);

  • Selbsthilfe-Materialien.

Kooperation zwischen den betreuenden Ärzt*innen

Die AOK PLUS-Studie zur strukturierten Tabakentwöhnung durch pneumologische Facharztpraxen und Psychotherapeuten in Sachsen und Thüringen mit Minimal-Intervention vs. Maximal-Intervention (ATEMM) nach der S3-Leitlinie „Tabakentwöhnung bei COPD“ [5] untersuchte die Bedeutung der kontinuierlichen Anbindung an die fachärztliche Versorgung für die Nachhaltigkeit des Abstinenzerfolges (www.tu-chemnitz.de/hsw/psychologie/professuren/klinpsy/forschung/ATEMM/index.php, [21]).

Im Rahmen der ATEMM-Studie wurden insgesamt 781 Patient*innen mit Diagnose einer COPD bzw. eines CPH (chronisch persistierender Husten) in pneumologischen Facharztpraxen untersucht. Die Patient*innen erhielten entweder als Minimal-Intervention eine Kurzmotivierung zum Rauchstopp (n = 257) oder als Maximal-Intervention (n = 524) ein evidenzbasiertes, leitlinienorientiertes und COPD-spezifisches verhaltenstherapeutisches Tabakentwöhnungsprogramm im Umfang von 3 × 180 Minuten plus eine regelmäßige proaktive telefonische Begleitung nach Kursabschluss. Die Tabakentwöhnungskurse wurden in den Praxen von zuvor geschulten pneumologischen Fachärzt*innen durchgeführt, die auch bedarfsweise eine begleitende pharmakologische Behandlung des Tabakentzugssyndroms verordneten. Sämtliche Kosten zur Tabakentwöhnung wurden in diesem Pilotprojekt von der GKV übernommen. 12 Monate nach Kursende waren nach Angaben der teilnehmenden Patient*innen und Ärzt*innen sowie mittels CO-Messung im Exhalat apparativ validiert in der Minimal-Intervention 8 % (ITT: 6 %) und in der Maximal-Intervention 48 % (ITT: 38 %) kontinuierlich abstinent (OR 9,91 [95 %-KI 5,73; 17,14], p < 0,001; ITT: OR 9,07 [95 %-KI 5,30; 15,51], p < 0,001). Diese im internationalen Vergleich methodisch äquivalenter Studien sehr hohe Erfolgsrate und die Nachhaltigkeit der Totalabstinenz wird von den beteiligten Ärzt*innen auch auf die Patientenbindung in der Arztpraxis und die kontinuierlichen Arzt-Patienten-Kontakte im Rahmen der fachärztlichen Dauerbehandlung zurückgeführt. Möglicherweise spielt diese im deutschen Gesundheitssystem strukturell verankerte langfristige persönliche Patientenanbindung eine wichtige Rolle für die Abstinenzmotivation und -adhärenz der aufhörbereiten Raucher*innen.


#

3.2.4 Bezugnahme auf Gesundheitsparameter

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Die patientengerechte Erklärung individueller Gesundheitsparameter in Bezug auf das Rauchen wie z. B. das Besprechen von Lungenfunktionsparametern und CO-Messungen kann einen positiven Einfluss auf den Erfolg der Tabakentwöhnung haben.

Evidenzbasis

Diese Empfehlung basiert auf den klinischen Erfahrungen der Leitliniengruppe und stellt einen Expert*innenkonsens dar.

Evidenzbeschreibung

Um mögliche motivierende Effekte der Besprechung von Lungenfunktion oder Kohlenmonoxid-Werten (CO) im Blut oder in der Ausatemluft mit den Patient*innen darzustellen (siehe auch Abschnitt 2.2 Tabakabhängigkeit: Objektive Messung des Tabakkonsums), wurden die Primärstudien des Cochrane-Reviews (van Eerd et al. [16]) speziell diesbezüglich betrachtet. Zusätzlich wurde die zur Verfügung gestellte Evidenz der S3-Leitlinie „Tabakentwöhnung bei COPD“ [5] zum Thema geprüft.

Ein hierbei identifizierter RCT [22] konnte keine Effekte hinsichtlich Langzeitabstinenz bei rauchenden Patient*innen, welche mit ihren Lungenfunktionsparametern konfrontiert wurden, im Vergleich zu Patient*innen ohne Konfrontation aufzeigen (11,2 % vs.11,6 %; OR 0,96 [95 %-KI 0,43; 2,18]).

Rationale

Die identifizierte Evidenz sieht die Leitliniengruppe als nicht konklusiv an und schätzt die Evidenzqualität als gering ein. Möglicherweise ist weniger die Besprechung der Lungenfunktion als solche hilfreich, sondern die Veranschaulichung von Therapieerfolgen anhand individueller Gesundheitsparameter. Zudem scheint plausibel, dass auch die Art der Gesprächsführung (positiv verstärkend und motivierend) eine Rolle spielt. In der klinischen Erfahrung kann die konkrete Bezugnahme auf individuelle Gesundheitsparameter der Patient*innen der Motivation dienen. Wegen der unsicheren Datenlage und des unklaren Nutzens formuliert die Leitliniengruppe eine offene Empfehlung.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Als Möglichkeit des Biomonitorings kann eine CO-Messung durchgeführt werden.

Evidenzbasis

Die Empfehlung beruht auf einem Expert*innenkonsens.

Rationale

Der Stellenwert des Biomonitorings mittels CO-Messung ist unklar, und es liegen keine belastbaren Daten hierfür vor, gleichwohl scheint bei einigen Patient*innen ein Vorteil einer vermeintlich objektiven Messung plausibel. Daher spricht die Leitliniengruppe konsensbasiert eine schwache Empfehlung aus.

Vertiefende Informationen

Weiterführende Informationen zu den Messmethoden siehe Abschnitt 2.2 Tabakabhängigkeit: Objektive Messung des Tabakkonsums.


#
#

3.3 E-Zigaretten

Evidenzbeschreibung

Um mögliche Effekte der E-Zigarette beschreiben zu können, wurde im Rahmen der Aktualisierung der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ [6] eine systematische Update-Recherche bezüglich der Nutzung von E-Zigaretten durchgeführt. Die identifizierten Volltexte wurden der Arbeitsgruppe Tabakentwöhnung der NVL COPD zur Verfügung gestellt. Es konnten keine Publikationen gefunden werden, welche die Wirkung der E-Zigaretten speziell bei Patient*innen mit COPD untersuchten. Eine Grundlage für den Nutzen speziell bei Patient*innen mit COPD liefern die Daten daher nicht.

21 Publikationen [23] [24] [25] [26] [27] [28] [29] [30] [31] [32] [33] [34] [35] [36] [37] [38] [39] [40] [41] [42] [43] äußerten sich zu einem möglichen Schadenspotenzial. Zu beachten ist hierbei, dass die E-Zigarette weltweit in ihrer Zusammensetzung uneinheitlich und variabel ist [44] und mögliche Schädigungspotenziale daher unterschiedlich vorhanden sein können.

Häufig wurden Husten, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlafprobleme sowie Reizungen der Mundschleimhaut und Rachen-Irritationen als Nebenwirkungen beschrieben. Das Auftreten von schweren Nebenwirkungen wurde in diesen Publikationen hingegen selten beobachtet. Fernandez et al. [29] beschrieben zudem, dass die Emissionen aus E-Zigaretten neben Feinstaub auch potenziell toxische Verbindungen wie Nikotin, Carbonyle, Metalle und flüchtige organische Verbindungen enthalten können. Ferrari et al. [30] stellten dar, dass bei der Verwendung nikotinfreier E-Zigaretten hohe Glykolkonzentrationen enthalten sein können, die beim Einatmen reizend wirken könnten. Andere potenziell gefährliche Inhaltsstoffe, die in nikotinfreien E-Zigaretten enthalten sein können, sind Lösungsmittel, Genotoxine und verschiedene andere Chemikalien. Die FDA (The Food and Drug Administration) berichtete in einem Zeitraum von 2012–2015 über 92 Meldungen bezüglich Überhitzungs-, Feuer- oder Explosionsereignissen; etwa die Hälfte davon führten zu Verletzungen (d. h. thermischen Verbrennungen, Schnittwunden oder Einatmen von Rauch) [33]. Mögliche kardiovaskuläre Effekte der E-Zigarette wurden von Skotsimara et al. beschrieben. Es zeigten sich Hinweise, dass direkt nach der Nutzung von E-Zigaretten (5–30 Minuten danach) sowohl die Herzfrequenz als auch systolischer und diastolischer Blutdruck [42] anstiegen.

Zwei selektiv eingebrachte Publikationen [45] [46] deuten ein zusätzliches Schadenspotential durch den sog. Dual-Use an, d. h. die gleichzeitige Nutzung von Tabakzigaretten und E-Zigaretten. Hier besteht ein Schadenspotenzial, welches wahrscheinlich über eine einfache Addition der Toxizitäten hinausgeht.

Stellenwert

Die Theorie der Schadensminimierung bei fortbestehendem Tabakkonsum (harm reduction) bei Raucher*innen geht davon aus, dass E-Zigaretten (und andere nikotinhaltige Produkte wie Tabakerhitzer oder rauchlose Tabakprodukte) [47] möglicherweise eine weniger schädliche Alternative zu konventionellen Tabakzigaretten sind [48] und sie somit die Gesundheitsrisiken verringern könnten. Da valide Evidenz hierfür aktuell noch aussteht, ist ein direkter Vergleich des langfristigen Schädigungspotenzials der E-Zigarette im Vergleich zur Tabakzigarette nur im Sinne einer Abschätzung möglich [44]. Auch Aussagen hinsichtlich einer möglichen positiven Wirkung auf den Verlauf der COPD-Erkrankung sind zur Zeit eher theoretischer Natur. Aufgrund der aktuell unzureichenden Datenlage, und auch wegen der noch nicht abschätzbaren gesundheitlichen Langzeitfolgen für Patient*innen mit COPD, sieht die Leitliniengruppe in der E-Zigarette keine Option für einen primären Entwöhnungsversuch. Gleichwohl ist der Leitliniengruppe bewusst, dass manche Raucher*innen dieses Produkt nutzen, um ihren Tabakkonsum zu beenden. Falls der Einsatz der E-Zigarette zur Unterstützung der Tabakabstinenz erwogen wird, dann nur unter folgenden Voraussetzungen:

  • Bei dokumentiertem Versagen oder Ablehnung anderer evidenzbasierter Maßnahmen,

  • nach Aufklärung über bekannte Risiken,

  • bei gleichzeitiger Beendigung des Tabakkonsums und

  • bei kontinuierlichem ärztlichem Monitoring und Begleitung.

Idealerweise bedarf die Therapie mittels E-Zigarette einer verhaltenstherapeutischen Beratung.

Hinweis

Die Kennzeichnung des Nikotingehaltes ist vorgeschrieben (§ 27 Tabakerzeugnisverordnung) und wird meist in der Einheit Milligramm pro Milliliter (mg/ml) angegeben. Es gibt unterschiedliche Nikotindosen, welche bei Konsum der E-Zigarette aufgenommen werden.


#

3.4 Strukturierte Entwöhnung im Akutkrankenhaus/im Rahmen der Rehabilitation

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Bei rauchenden Patient*innen mit COPD soll bereits während eines (akut-)stationären Aufenthaltes im Krankenhaus eine Tabakentwöhnung initiiert und eine anschließende ambulante Entwöhnungsbehandlung organisiert werden.

↑↑

Evidenzbasis

Diese Empfehlung entspricht einem Expert*innenkonsens basierend auf den Inhalten des OPS 2020 (Operationen- und Prozedurenschlüssel). In der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ [6] wird zudem ein Cochrane-Review zitiert, der die Effekte von Interventionen zur Rauchentwöhnung untersucht, welche bereits im stationären Bereich initiiert wurden [49]. Im Rahmen der strukturierten Recherche zur NVL COPD wurde dieser nicht identifiziert, weil er sich nicht direkt auf Patient*innen mit COPD beschränkt. Die Autor*innen halten diese Ergebnisse jedoch für extrapolierbar auf diese Patient*innengruppe.

Evidenzbeschreibung

Der Cochrane-Review von Rigotti et al. [49] beschreibt eine erhöhte Erfolgsrate bei der Rauchentwöhnung (Langzeitabstinenz) nach 6–12 Monaten, wenn bereits während eines Krankenhausaufenthaltes intensive Beratungsmaßnahmen durchgeführt und mit unterstützenden Kontakten für mindestens einen Monat nach der Entlassung fortgesetzt wurden (293/1000 vs. 206/1000, RR 1,37 [95 %-KI 1,27; 1,48], I² = 32 %; 25 Studien, n = 7403, keine Evidenzqualität nach GRADE berichtet). Supportiver oder unterstützender Kontakt wurde in den meisten Studien mittels Telefon, aber auch über Briefe, E-Mail oder Internet realisiert. Weniger intensive Beratungsangebote (kein supportiver Kontakt oder supportiver Kontakt < 1 Monat) zeigten hingegen kaum eine Verbesserung hinsichtlich der Langzeitabstinenz.

Wurde im stationären Bereich eine intensive Beratungsmaßnahme zusammen mit einer Nikotinersatztherapie (NRT) angeboten, so zeigte sich im Vergleich zur Beratung allein ebenfalls eine verbesserte Langzeitabstinenzrate (284/1000 vs. 185/1000, RR 1,54 [95 %-KI 1,34; 1,79], I² = 32,7 %, 6 Studien, n = 2487, keine Evidenzqualität nach GRADE berichtet). Wenn Vareniclin oder Buproprion anstelle der NRT genutzt wurde, fielen die Effekte weniger deutlich aus.

In den eingeschlossenen Studien wurden Patient*innen mit kardiovaskulären, respiratorischen und malignen Erkrankungen untersucht. Zudem weist die S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ darauf hin, dass dieser Cochrane-Review von 2012 bisher nicht aktualisiert worden ist. Es seien seither allerdings nur Studien publiziert worden, die die Ergebnisse der Metaanalyse prinzipiell bestätigen [6]. Die Evidenzqualität des Cochrane-Reviews wird als gering eingeschätzt; u. a. weil keine zufriedenstellende Bewertung des Verzerrungsrisikos bei den eingeschlossenen Primärstudien durchgeführt wurde.

Rationale

Die Leitliniengruppe sieht in einem Krankenhausaufenthalt einen Anlass und eine Chance, eine Entwöhnungsmaßnahme zu beginnen, und stellt gleichzeitig fest, dass für den Start einer solchen Maßnahme im Krankenhaus gute strukturelle Voraussetzungen bestehen. Ebenso kann eine anschließende ambulante Entwöhnungsbehandlung direkt organisiert werden. Aus diesem Grund formuliert die Leitliniengruppe konsensbasiert eine starke Empfehlung. Dabei ist zu beachten, dass die Voraussetzung für die Initiierung einer Tabakentwöhnung die aktive Zustimmung der Patient*innen ist.

Vertiefende Informationen

Der OPS 2020 nimmt Bezug auf eine multimodale stationäre Behandlung zur Tabakentwöhnung (Punkt 9.501) und definiert folgende Mindestmerkmale hierfür (www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/ops/kode-suche/opshtml2020):

  • Standardisierte Erfassung der Raucheranamnese mit einem ausführlichen Fragebogen und standardisierte Erfassung der Zigarettenabhängigkeit unter Verwendung des Fagerström-Tests;

  • Durchführung und Dokumentation von Motivationsgesprächen zur Beendigung des Tabakkonsums von insgesamt mindestens 60 Minuten durch Ärzt*innen mit der Qualifikation zur Tabakentwöhnung;

  • Durchführung und Dokumentation von Motivationsgesprächen individuell oder in Gruppen von insgesamt mindestens 120 Minuten durch Personal mit der Qualifikation zur Tabakentwöhnung;

  • Aufklärung über Einsatz und Wirkungsweise von nikotinhaltigen Präparaten und anderen medikamentösen Hilfen zur Tabakentwöhnung;

  • Mindestens zwei Kohlenmonoxid-Bestimmungen in der Ausatemluft oder im Blut (CO-Hb-Wert in der Blutgasanalyse) zur Verlaufsdokumentation;

  • Dokumentierte Anmeldung zu einem ambulanten, von den Krankenkassen anerkannten Tabakentwöhnungsprogramm, bei einer Rehabilitationseinrichtung oder zu einem Internet- oder Telefonangebot.

Die Aktualität des OPS ist auf den Internetseiten des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zu prüfen (www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/ops/kode-suche/opshtml2020).

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Rauchenden Patient*innen mit COPD, die eine Rehabilitationsmaßnahme wahrnehmen, soll im Rahmen der Rehabilitation ein strukturiertes Entwöhnungsprogramm (kognitive Verhaltenstherapie und medikamentöse Therapie) angeboten werden.

↑↑

Evidenzbasis

Die Empfehlung basiert auf einem Expert*innenkonsens.

Rationale

Die Tabakentwöhnung gehört zu den Komponenten einer strukturierten Rehabilitationsmaßnahme. Da Angebote für Änderungen der Lebensgewohnheiten den Patient*innen im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen direkt und ohne großen organisatorischen Mehraufwand unterbreitet werden können, empfiehlt die Leitliniengruppe konsensbasiert allen Patient*innen mit COPD unabhängig vom Grund für die Rehabilitationsmaßnahme ein strukturiertes Entwöhnungsprogramm mit kognitiver Verhaltenstherapie und medikamentöser Therapie. Auch weil in der Rehabilitation bereits die Strukturen vorhanden sind, kann dies den Zugang zu einer Tabakentwöhnungsmaßnahme für Patient*innen mit COPD erleichtern.

Hinweis

Wann Rehabilitationsmaßnahmen indiziert sein können, beschreibt die Empfehlung 6–1 in der NVL-Langfassung (https://www.leitlinien.de/themen/copd/2-auflage).


#

3.5 Tabakentwöhnung vor Einleitung einer LTOT oder NIV

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

Vor Einleitung einer Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) oder einer außerklinischen nichtinvasiven Beatmung (NIV) soll allen rauchenden Patient*innen mit COPD erneut und dringlich die Tabakentwöhnung angeboten werden.

↑↑

Evidenzbasis

Die Empfehlung beruht auf einem Expert*innenkonsens und wurde sowohl aufgrund der klinischen Erfahrungen der NVL-Arbeitsgruppe zur LTOT als auch in Anlehnung an die S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ [50] formuliert.

Rationale

Um die Wichtigkeit der wirksamen Tabakentwöhnung bei Patient*innen mit COPD insbesondere auch im Hinblick auf die Gefahren des Rauchens bei atmungsunterstützenden Maßnahmen herauszustellen, hat die Leitliniengruppe konsensbasiert eine starke Empfehlung formuliert und diese explizit vor die Abschnitte zur Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) und außerklinischen nichtinvasiven Beatmung (NIV) gestellt. Sie erhofft sich, dass einerseits die einschneidende Maßnahme der Atmungsunterstützung als solche und andererseits die möglichen Gefahren, wie z. B. eine erhöhte Verbrennungsgefahr beim Rauchen und gleichzeitiger Sauerstofftherapie, Patient*innen motivieren können, mit dem Rauchen aufzuhören. Darüber hinaus geht die Leitliniengruppe aufgrund ihrer klinischen Erfahrungen und ihrer Kenntnis der allgemeinen Evidenz zum Thema von vermutlich geringeren Effekten einer LTOT bei noch rauchenden Patient*innen mit COPD aus.

Weiterführende Informationen

Dieser Abschnitt ist ein Auszug aus dem Kapitel 4.6 Atmungsunterstützende Maßnahmen bei chronisch respiratorischer Insuffizienz der NVL COPD. Weiterführende Informationen finden sich in der Langfassung unter https://www.leitlinien.de/themen/copd/2-auflage/kapitel-4.


#
#

4 Fazit und Ausblick

Das Rauchen ist die mit Abstand häufigste Ursache der COPD. Die Tabakentwöhnung ist die wirksamste und kosteneffektivste Einzelmaßnahme, um das Risiko der COPD-Entstehung und das Voranschreiten der Erkrankung zu reduzieren. Die herausragende Bedeutung der Tabakentwöhnung innerhalb der NVL COPD wird durch die Position als erstes Therapiekapitel unterstrichen. Dies ist eine wichtige Neuerung der aktuellen NVL COPD.

Die derzeitige Pandemie zeigt, wie wichtig eine konsistente Darlegung der Evidenz und der Empfehlungen in unterschiedlichen Quellen ist. Dies ist in der vorliegenden Leitlinie durch die enge Kooperation mit der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ [6] realisiert. Z. B. wird in beiden Leitlinien die E-Zigarette nicht zur Tabakentwöhnung empfohlen.

Die DGP tritt seit langem mit anderen Akteuren erfolgreich für eine effektive Tabakentwöhnung auf allen Versorgungsebenen ein. Kürzlich ist im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz 2021 [51] (GVWG) im § 34 bei Versicherten, „bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, ein Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung“ festgehalten worden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) muss jetzt die Umsetzung gestalten. Die DGP wird diesen Prozess begleiten.


#
#

Interessenkonflikt

SA erhielt Forschungsförderung von Boehringer Ingelheim und Honorar für Referententätigkeit von Boehringer Ingelheim, Novartis, AstraZeneca, GSK, Chiesi, Merini. SA ist Leiter der Task Force Tabakentwöhnung der DGP und Mitglied des ABNR.
DK erhielt Forschungsförderung vom Bundesministerium für Gesundheit für die Durchführung der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA; DRKS00017157 und DRKS00028054) und für die ABC-II-Studie (RCT zum Training von Hausärzten in der leitliniengerechten Kurzberatung zur Tabakentwöhnung; DRKS00012786).
AB erklärt: Förderung durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, eigenes Tabakentwöhnungsprogramm (Nichtraucher in sechs Wochen). Mitglied im Vorstand des Wissenschaftlichen Aktionskreises Tabakentwöhnung (WAT) e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht) e. V.
AH hielt Vorträge für Orion Pharma.
SM erklärt: Pfizer (Vortragshonorar + Beratung); Johnson + Johnson (Honorartätigkeit Workshop + Advisory Board); Leitung Raucherambulanz Chemnitz; Wissenschaftlicher Arbeitskreis Tabakentwöhnung; Mitarbeit S3 LL Alkohol und Tabak.
DN erhielt Forschungsunterstützung für Forschungsprojekte des Instituts von EU, DFG, BMBF, BMG, DGUV, BGW, Verwaltungs-BG, Bundesarbeitsministerium, Bayerischen Ministerien, Industrie (MAN, FMG, Siemens, Audi), Versicherungen, ADAC/ÖAMTC, Kliniken, Erzbischöfliches Ordinariat, Caritas. DN erhielt Vortragshonorare von Bristol MyersSquibb, Berlin Chemie, Boehringer Ingelheim, Chiesi, GSK, Mundipharma, Novartis, Hexal, Lilly. DN ist Mitglied eines Advisory Boards von Pfizer zur Rauchentwöhnung. DN ist Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin im Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR).
KS erhielt Forschungsförderung von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd und Honorare für Referententätigkeit von AstraZeneca, GSK, Chiesi, Sanofi Genzyme und Berlin-Chemie.
HW erklärt, während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen im oben genannten Sinne zu haben.
SS begleitet im Rahmen ihrer Tätigkeit beim ÄZQ die Erstellung von Leitlinien methodisch und organisatorisch.

1 Das Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) ist eine gemeinsame Initiative von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Qualitätsförderung in der Medizin. Die operative Durchführung und Koordination des NVL-Programms erfolgt durch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ).



Korrespondenzadresse

Sabine Schüler
Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ)
Tiergarten Tower
Straße des 17. Juni 106–108
10623 Berlin
Deutschland   

Publication History

Article published online:
23 March 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Abb. 1 Fragebogen für rauchende Patient*innen mit COPD. Abrufbar unter www.leitlinien.de/themen/copd/weitere-dokumente [rerif].
Zoom Image
Abb. 2 Algorithmus Tabakentwöhnung (modifiziert nach [5]) [rerif].