PiD - Psychotherapie im Dialog 2024; 25(01): 6
DOI: 10.1055/a-2202-3188
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Depression und Ängste: Zwischenmenschliche Probleme als Outcome-Prädiktor?

 

Obgleich zwischenmenschliche Probleme bekanntermaßen bei vielen psychischen Störungen eine wichtige Rolle spielen, mangelt es bis heute an metaanalytischen Belegen. Gómez Penedo et al. wollten dies nun ändern und haben eine systematische Überprüfung und metaanalytische Synthese des Zusammenhangs zwischen zwischenmenschlichen Problemen und den Ergebnissen einer Psychotherapie bei depressiven Störungen und Angststörungen durchgeführt.


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Zwischenmenschliche Beziehungen sind zweifelsohne ein wichtiger Bestandteil des Lebens und spielen somit auch im Rahmen psychischer Erkrankungen, wie Depressionen und Angststörungen, eine entscheidende Rolle. Da es aber trotz der naheliegenden Verknüpfung zwischen dem Ausmaß an Beziehungsproblemen einerseits und dem Behandlungsergebnis einer Psychotherapie andererseits bis heute keine hochwertigen metaanalytischen Daten gibt, haben Gómez Penedo und Flückiger eine entsprechende mehrstufige Auswertung initiiert.

Ihren Fokus legten sie dabei auf eine systematische Überprüfung und metaanalytische Synthese des Zusammenhangs zwischen den zwischenmenschlichen Grundproblemen der Patient*innen und dem Ergebnis der Psychotherapie im Falle von depressiven Störungen und Angsterkrankungen. Die Grundlage bildete zunächst eine systematische Literaturrecherche in den beiden Datenbanken PubMed und APA PsycInfo mit einer zeitlichen Limitierung bis November 2021.

Geeignete Publikationen erfüllten folgende Kriterien:

  • Stichprobe von PatientInnen mit depressiven oder Angststörungen mit einem Anteil von mindestens 70 %,

  • Alter der Teilnehmenden ab 12 Jahren,

  • Analyse quantitativer Daten,

  • Fokus auf eine Psychotherapie und deren Behandlungsergebnis,

  • Schätzungen des Zusammenhangs zwischen dem Ausmaß zwischenmenschlicher Probleme und dem Therapieerfolg.

Für die Objektivierung der Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen kam das Inventory of Interpersonal Problems (IPP) zum Einsatz, auf methodischer Ebene wurde schließlich eine 3-stufige Metaanalyse der Interpersonal-Outcome-Vorhersage (IPOV) durchgeführt. Diese umfasste dabei das Disaggregieren der Stichprobenvarianz, der Varianz innerhalb der jeweiligen Studie, sowie die Varianz zwischen den Studien.

Probleme als Negativ-Prädiktor

Die Literaturrecherche ergab zunächst 320 Publikationen, 21 von ihnen gingen in die finale Metaanalyse mit ein. Die meisten Studien kamen aus dem englischsprachigen Raum oder aus Deutschland und konzentrierten sich überwiegend auf PatientInnen mit depressiven Störungen. Als Therapiemethode kamen am häufigsten die psychodynamische Therapie, kognitive Therapie, oder die kognitive Verhaltenstherapie zum Einsatz. Das mittlere Alter der Teilnehmenden bewegte sich zwischen 28 und 60 Jahren, in den meisten Studien waren deutlich über die Hälfte aller Personen weiblich.

Insgesamt konnten aus allen eingeschlossenen Primärstudien 40 Effektgrößen berücksichtigt werden. Das 3-Ebenen-Modell zeigte eine hochsignifikante aggregierte korrelative Effektgröße der IPOV von –0,13 mit einem 95 %-Vertrauensintervall zwischen –0,18 und –0,09, einem t(39) von –5,71 und einem d von –0,27. Dabei ging eine größere zwischenmenschliche Belastung mit einem schlechteren Psychotherapieergebnis einher.

Weitere Analysen ergaben ferner eine signifikante Heterogenität zwischen den einzelnen Effektgrößen mit erheblicher Variabilität zwischen den Studien und – in geringerem Ausmaß – zwischen den berichteten Ergebnissen. Hinweise auf erhebliche Publikationsbias konnten dagegen in grafischen Messungen nicht gefunden werden.

Nach Ansicht des Forschungsteams würden die Ergebnisse dieser Analyse darauf hindeuten, dass zwischenmenschliche Probleme einen kleinen, aber robusten negativen Prädiktor für das Ergebnis einer Psychotherapie bei Menschen mit Depressionen oder Angststörungen bildeten. Gómez Penedo und Flückiger raten daher allen Therapeut*innen zu einer frühzeitigen Analyse zwischenmenschlicher Probleme zu Therapiebeginn, um prognostische Schlussfolgerungen verbessern zu können.

FAZIT

In dieser metaanalytischen Auswertung von 21 Studien mit knapp 3000 Patient*innen mit Depressionen oder Angststörungen zeigte sich ein moderater positiver Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an zwischenmenschlichen Problemen im Inventory of Interpersonal Problems (IIP) und einem tendenziell schlechteren psychotherapeutischen Behandlungsergebnis. Die Autor*innen halten daher eine frühe Analyse von Beziehungsproblemen zur Optimierung prognostischer Schlussfolgerungen für empfehlenswert.

Dipl.-Psych. Annika Simon, Braunschweig


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  • 1 Gómez Penedo JM, Flückiger C. Interpersonal problems as a predictor of outcome in psychotherapy for depressive and anxiety disorders: A multilevel meta-analysis. J Consult Clin Psychol. 2023 DOI: 10.1037/ccp0000828

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
05. März 2024

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  • 1 Gómez Penedo JM, Flückiger C. Interpersonal problems as a predictor of outcome in psychotherapy for depressive and anxiety disorders: A multilevel meta-analysis. J Consult Clin Psychol. 2023 DOI: 10.1037/ccp0000828