Ultraschall Med 2024; 45(01): 98-99
DOI: 10.1055/a-2233-6827
DEGUM-Mitteilungen

Online-Pressekonferenz zu Notfallsonografie – Schnell und zuverlässig: Was der Ultraschall im Notfall und im Rettungsdienst leistet

 

Ultraschall im Rettungsdienst bietet die Möglichkeit, schnell und sicher lebenswichtige Entscheidungen zu treffen und damit Leben zu retten. Die DEGUM bildet seit vielen Jahren Ärztinnen und Ärzte, die in der Notfallmedizin tätig sind, in der Ultraschalldiagnostik aus. Doch trotz des innovativen Konzepts ist die präklinische Notfallsonografie in Deutschland noch nicht flächendeckend etabliert. Viele Notfallmediziner sind nicht ausreichend geschult. Die DEGUM appelliert an die Träger der Rettungsdienste, entsprechende standardisierte Infrastrukturen zu schaffen und alle Rettungswagen und Hubschrauber mit Ultraschallgeräten auszustatten. Am 12. Dezember 2023 haben Experten der Fachgesellschaft in einer Online-Pressekonferenz die neuesten Entwicklungen in der Notfallsonografie und das mehrstufige Ausbildungskonzept der DEGUM vorgestellt. Wie der Ultraschall im Notfall schnell und gezielt Schmerzen lindern kann, zeigte ein weiteres Thema: die ultraschallgestützte Nervenblockade als eine wirksame und nebenwirkungsarme Alternative zu Schmerzmedikamenten.


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In der Notfallmedizin bedeutet Zeit oft Leben. „Mit der präklinischen Notfallsonografie bringen wir die Diagnostik direkt zum Patienten, beschleunigen die Entscheidungsfindung und ermöglichen eine zielgerichtete Therapie – direkt am Notfallort“, sagt Dr. med. Armin Seibel, Leiter der Interdisziplinären Intensivmedizin am DRK-Krankenhaus Kirchen und Leiter des DEGUM-Arbeitskreises Notfallsonografie. Unter präklinischer Notfallsonografie versteht man eine strukturiert durchgeführte, symptomorientierte Multiorgan-Sonografie am Notfallpatienten noch am Einsatzort. „Notfallpatienten müssen nicht warten, bis sie in einer Klinik sind, sondern werden sofort mit einem mobilen Ultraschallgerät untersucht“, so Seibel weiter.

Notfallmediziner stehen oft vor der Herausforderung, ohne umfangreiche Diagnostik wie Labortests und ohne interdisziplinären Austausch schnell lebenswichtige Entscheidungen treffen zu müssen. Die präklinische Notfallsonografie ermöglicht es, viele Differenzialdiagnosen sofort und mit hoher diagnostischer Sicherheit zu stellen. Trotz des innovativen Konzepts ist der Ultraschall im Rettungsdienst noch nicht flächendeckend etabliert. „Dadurch werden unter Umständen Leben gefährdet. Deshalb ist es entscheidend, dass die Träger der Rettungsdienste für eine flächendeckende Ausstattung der Rettungswagen und Hubschrauber mit Ultraschallgeräten sorgen“, betont Seibel.

Notfallmediziner in der Notfallsonografie oft unzureichend ausgebildet

Ärztinnen und Ärzte, die in der Notfallmedizin tätig sind, müssen in der Notfallsonografie gut ausgebildet sein. Denn nur mit einem fundierten Fachwissen können sie auch in Notfallsituationen den Ultraschall fachgerecht einsetzen. „Von den rund 20 Millionen Menschen, die jedes Jahr in Deutschland in eine Notaufnahme kommen, haben circa 70 Prozent internistische, allgemeinchirurgische und neurologische Symptome. Die Klärung dieser Symptome mit Ultraschall verlangt eine hohe Expertise“, sagt Dr. med. Thomas Händl, Chefarzt in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Garmisch-Partenkirchen und stellvertretender Leiter des DEGUM-Arbeitskreises Notfallsonografie. Angehende Chirurg*innen und Internist*innen müssten zwar im Rahmen ihrer Facharztausbildung für mindestens 6 Monate in die Notaufnahme rotieren, meist jedoch innerhalb der ersten 2 Jahre ihrer Facharztausbildung – also mit noch wenig klinischer und sonografischer Expertise.

Gute Ausbildungskonzepte existieren bereits: so etwa die von der DEGUM angebotenen Ausbildungsformate, die in den vergangenen Jahren schon von rund 15 000 Ärztinnen und Ärzten besucht wurden. Die Arbeitsgruppe Notfallsonografie der deutschen, österreichischen und schweizerischen Ultraschallgesellschaften DEGUM, ÖGUM und SGUM hat dieses länderübergreifende Ausbildungskonzept bereits 2008 etabliert und kontinuierlich weiterentwickelt. „Ziel ist es, im Rahmen von Basiskursen den fachgerechten, symptomorientierten und fokussierten Einsatz der Sonografie zu erlernen, um bei lebensbedrohlichen oder häufigen Symptomen im Notfall die richtigen Befunde erheben zu können“, sagt Händl.

Inzwischen gibt es auch ein Curriculum für einen Aufbaukurs, der die Möglichkeiten der erweiterten Diagnostik bei Notfallpatienten vermittelt. Die Kurse dauern 2 Tage, finden in Kleingruppen mit maximal 5 Teilnehmenden statt und haben einen Praxisanteil von 50 Prozent. In den Kursen wird auch auf die erschwerten Untersuchungsbedingungen im Notfall eingegangen, und die Möglichkeiten und Grenzen der präklinischen Sonografie werden dort vermittelt.


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Mit sonografischer Hilfe schnell und gezielt Schmerzen lindern

Schmerzen so gut und so schnell wie möglich lindern – hinter diesem Anspruch bleibt die medizinische Notfallbehandlung oft zurück. Akute Verletzungen und andere medizinische Notfälle gehen häufig mit starken oder sehr starken Schmerzen einher. Dennoch scheint die Schmerzlinderung in der Notfallmedizin eine untergeordnete Rolle zu spielen. „Studien zeigen immer wieder, dass viele Patientinnen und Patienten erst mit erheblicher Verzögerung eine Schmerztherapie erhalten – und diese dann oft nicht ausreichend dosiert ist“, erläutert Dr. med. Peter Schwarzkopf, Oberarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin am Sana-Klinikum Borna sowie stellvertretender Leiter der DEGUM-Sektion Anästhesiologie. So offenbarte eine große Untersuchung in mehreren europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, dass weniger als die Hälfte der Notfallpatientinnen und -patienten eine adäquate Schmerzlinderung erfuhr. Andere Studien ergaben, dass rund 40 % überhaupt kein Schmerzmittel erhielten; bei den übrigen dauerte es im Durchschnitt 90 Minuten, bis eine Therapie eingeleitet wurde. Zudem wurde fast die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit anhaltenden Schmerzen nach Hause entlassen.

Tatsächlich gibt es medizinische Gründe, die gegen eine sehr schnelle Gabe von hoch dosierten oder starken Schmerzmitteln sprechen. „Starke Schmerzmedikamente wie Morphin führen teilweise schon bei niedriger Dosierung zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Sedierung und Atemdepression“, berichtet Schwarzkopf. Das schränke die Aufklärungsfähigkeit des Patienten ein und erschwere die eigentliche Behandlung. Zudem werde dadurch eine umfangreiche und personalintensive Überwachung von Kreislauf und Atmung notwendig. Nicht zuletzt habe man es gerade in der Notaufnahme nicht selten mit nicht nüchternen Patienten zu tun. Bei diesen kann selbst eine einfache Kurznarkose mit lebensbedrohlichen Risiken wie der Aspiration von Mageninhalt verbunden sein.

Wesentlich risikoärmer und schonender ist die Regionalanästhesie, die in der Regel immer dann möglich ist, wenn sich die Verletzungen im Bereich der Extremitäten befinden. Im Gegensatz zu oral oder intravenös verabreichten Schmerzmitteln, die im ganzen Körper wirken, wird hier nur der Verletzungsbereich betäubt. „Das geschieht, indem ein Lokalanästhetikum in die unmittelbare Nähe der betroffenen Nerven gespritzt wird und diese gezielt blockiert“, erklärt Schwarzkopf. Besonders sicher und präzise lässt sich die Nervenumgebung ansteuern, wenn die Position von Nadel und Nerv kontinuierlich per Ultraschall verfolgt wird. So kann die individuelle Lage der Nerven berücksichtigt und das Risiko einer Nervenschädigung minimiert werden. Dank kleiner, tragbarer Ultraschallgeräte ist eine solche ultraschallgesteuerte Nervenblockade heute auch im Rettungsdienst und in der Notaufnahme möglich.

Wie leistungsfähig diese Methode ist, erklärt Schwarzkopf am Beispiel des ausgekugelten Schultergelenks, einer häufigen Sportverletzung, die mit extremen Schmerzen einhergeht. „Mit einem mobilen Ultraschallgerät kann bereits der Notarzt vor Ort eine gezielte Blockade des Armnervengeflechts vornehmen“, so der erfahrene Anästhesist. Damit könne der Betroffene sehr schnell und effektiv von seinen Schmerzen befreit werden. Im Idealfall könne sogar die ansonsten äußerst schmerzhafte Einrenkung des Schultergelenks noch vor Ort durchgeführt werden.

Neben der schnellen Schmerzlinderung punktet die ultraschallgesteuerte Nervenblockade auch damit, dass sie das Bewusstsein des Patienten nicht beeinträchtigt. „Ein wacher, kooperationsfähiger und weitgehend schmerzfreier Patient trägt wesentlich dazu bei, die Abläufe bei Transport, Diagnostik und Therapie zu beschleunigen“, sagt Schwarzkopf. Das sei nicht nur für die Verletzten, sondern auch für das medizinische Personal ein großer Gewinn.

Die Video-Aufzeichnung der Pressekonferenz gibt es auf www.degum.de .


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Publication History

Article published online:
01 February 2024

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