Psychiatr Prax 2009; 36(1): e1-e2
DOI: 10.1055/s-0028-1090122
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sozialpsychiatrische Arbeiten aus der Psychiatrischen Praxis: national und international rezipiert

Die meistzitierten wissenschaftlichen Arbeiten des 33. Jahrgangs der Psychiatrischen PraxisSocial-Psychiatric Papers From the Journal „Psychiatrische Praxis”: Taken from National and International SourcesThe Most-Cited Scientific Papers in Volume 33 of the Journal „Psychiatrische Praxis”Christiane  Roick, Steffi  G.  Riedel-Heller
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Publication Date:
14 January 2009 (online)

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Der Beginn eines neuen Jahres ist auch eine Gelegenheit, zurückzuschauen und Bilanz zu ziehen. Die Psychiatrische Praxis tut dies wieder, indem sie die meistzitierten Beiträge des 33. Jahrgangs der Zeitschrift kürt. Diesmal belegen drei originär sozialpsychiatrische Arbeiten mit jeweils 9 Zitierungen gleichrangig den ersten Platz [1] [2] [3]. Dass ein Fünftel aller Zitationen dieser Arbeiten auf englischsprachige Zeitschriften zurückgeht zeigt, dass die Beiträge aus der Psychiatrischen Praxis auch international rezipiert werden.

Erstautorin der Untersuchung, die international am häufigsten zitiert wurde, ist Ingrid Sibitz [1]. Sie ist seit 2003 als Fachärztin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien tätig und leitet die dortige Tagesklinik. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit beschäftigt sie sich mit Psychoedukation, Stigma und Angehörigenforschung. In ihrem Beitrag „Wissen – genießen – besser leben” berichten Ingrid Sibitz und Kollegen über ein Seminar für Psychoseerfahrene, das – im Unterschied zu anderen Programmen – lebensqualitätsbezogenen Themen ebensoviel Bedeutung beimisst wie krankheitsspezifischen Themen. Zwischenzeitlich konnte die Arbeitsgruppe nachweisen, dass die durch das Programm erreichten Verbesserungen des Krankheitswissens und der Lebensqualität auch nach einem Jahr noch bestehen [4].

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Ingrid Sibitz

Innerhalb Deutschlands auf großes Interesse gestoßen ist die erste, in einer deutschen Fachzeitschrift publizierte Übersichtsarbeit zu Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie, die von Tilman Steinert und Thomas Kallert zusammengestellt wurde [2]. Die Autoren konnten zeigen, dass medikamentöse Zwangsbehandlungen bei 2–8 % der stationär behandelten psychisch Kranken erfolgen. Obwohl das Thema nach wie vor kontrovers diskutiert wird, versachlicht sich der Diskurs durch die Überprüfung von Evidenz, klare Gesetze und Leitlinien. Der Erstautor der Übersichtsarbeit, Tilman Steinert, ist Chefarzt der Allgemeinpsychiatrie am Zentrum für Psychiatrie, Die Weissenau, und hat 1997 den Arbeitskreis Prävention von Gewalt in der Psychiatrie gegründet. 2008 konnte er in einer Originalarbeit belegen, dass organisatorische Veränderungen auf Akutaufnahmestationen ohne zusätzliche personelle Ressourcen dazu beitragen, dass Zwangsmaßnahmen seltener eingesetzt werden müssen [5]. Diese Ergebnisse sind auch in die Thesen des Arbeitkreises Prävention von Gewalt und Zwang eingegangen [6].

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Tilman Steinert

Erstautorin des dritten meistzitierten Beitrags ist Rita Schmid, die seit 2004 als klinische Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bezirksklinikum Regensburg tätig ist und seit 2007 Sprecherin der AG „Familientherapie” im DGPPN-Referat „Psychotherapie” ist. Neben der Angehörigenforschung beschäftigt sie sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit bipolaren Störungen, Depression und Suizidalität.

In einer qualitativen Studie konnte sie zeigen, dass Geschwister psychisch Kranker sich nicht nur im Umgang mit den Erkrankten, sondern auch in ihrer persönlichen Lebenssituation und im Umgang mit ihrer Herkunftsfamilie belastet fühlen [3]. Aufbauend auf den in der Angehörigenforschung gewonnenen Erfahrungen empfiehlt die Arbeitsgruppe um Rita Schmid, bei Zustimmung des Patienten Entlassungsbriefe an Angehörige in der Routineversorgung einzusetzen, um den Behandlungserfolg zu sichern, die Angehörigen zu entlasten und die Krankheitsbewältigung in der Familie zu fördern [7].

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Rita Schmid

Wir gratulieren den Autoren der drei meistzitierten Arbeiten zu ihren Beiträgen und bedanken uns auch bei allen anderen Autoren für ihre interessanten und wissenschaftlich anspruchsvollen Untersuchungen. Gemeinsam mit allen Lesern freuen wir uns auf den neuen, 36. Jahrgang der Psychiatrischen Praxis.

Christiane Roick, Steffi G. Riedel-Heller

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Literatur

  • 1 Sibitz I, Gössler R, Katschnig H. et al . „Wissen – genießen – besser leben” – Ein Seminar für Psychoseerfahrene zur Verbesserung der Lebensqualität und Verringerung der Verletzlichkeit. Erste Erfahrungen und Ergebnisse.  Psychiat Prax. 2006;  33 170-176
  • 2 Steinert T, Kallert T W. Medikamentöse Zwangsbehandlung in der Psychiatrie.  Psychiat Prax. 2006;  33 160-169
  • 3 Schmid R, Schielein T, Spießl H. et al . Belastungen von Geschwistern schizophrener Patienten.  Psychiat Prax. 2006;  33 177-183
  • 4 Sibitz I, Amering M, Gössler R. et al . One-year outcome of low-intensity booster sessions versus care as usual in psychosis patients after a short-term psychoeducational intervention.  Eur Psychiatry. 2007;  22 203-210
  • 5 Steinert T, Eisele F, Goeser U. et al . Successful interventions on an organisational level to reduce violence and coercive interventions in in-patients with adjustment disorders and personality disorders.  Clin Pract Epidemiol Ment Health. 2008;  17 4-27
  • 6 Steinert T. Thesen des Arbeitkreises Prävention von Gewalt und Zwang zu aktuellen Entwicklungen in psychiatrischen Kliniken 2008.  Psychiat Prax. 2008;  35 261-262
  • 7 Schmid R, Schielein T, Jakob W. et al . Entlassungsbriefe an Angehörige von psychisch Kranken. Vermittlung von Unterstützungsangeboten und Psychoedukation.  Psychiat Prax. 2008;  35 302-305
  • 1 Sibitz I, Gössler R, Katschnig H. et al . „Wissen – genießen – besser leben” – Ein Seminar für Psychoseerfahrene zur Verbesserung der Lebensqualität und Verringerung der Verletzlichkeit. Erste Erfahrungen und Ergebnisse.  Psychiat Prax. 2006;  33 170-176
  • 2 Steinert T, Kallert T W. Medikamentöse Zwangsbehandlung in der Psychiatrie.  Psychiat Prax. 2006;  33 160-169
  • 3 Schmid R, Schielein T, Spießl H. et al . Belastungen von Geschwistern schizophrener Patienten.  Psychiat Prax. 2006;  33 177-183
  • 4 Sibitz I, Amering M, Gössler R. et al . One-year outcome of low-intensity booster sessions versus care as usual in psychosis patients after a short-term psychoeducational intervention.  Eur Psychiatry. 2007;  22 203-210
  • 5 Steinert T, Eisele F, Goeser U. et al . Successful interventions on an organisational level to reduce violence and coercive interventions in in-patients with adjustment disorders and personality disorders.  Clin Pract Epidemiol Ment Health. 2008;  17 4-27
  • 6 Steinert T. Thesen des Arbeitkreises Prävention von Gewalt und Zwang zu aktuellen Entwicklungen in psychiatrischen Kliniken 2008.  Psychiat Prax. 2008;  35 261-262
  • 7 Schmid R, Schielein T, Jakob W. et al . Entlassungsbriefe an Angehörige von psychisch Kranken. Vermittlung von Unterstützungsangeboten und Psychoedukation.  Psychiat Prax. 2008;  35 302-305
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Ingrid Sibitz

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Tilman Steinert

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Rita Schmid