Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2008; 15(4): 168
DOI: 10.1055/s-0028-1114266
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Expeditionstraumziele - Einmal Nordpol und zurück

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Publication Date:
24 December 2008 (online)

 
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Es begann mit dem Anruf eines Bekannten, seines Zeichens Produzent und Kameramann. Nach kurzem Plaudern erzählte er: "Ach übrigens, ich fliege die Tage zum Nordpol!" - "Du hast ja Jobs! Aber (grinsend) das ist doch sehr gefährlich da oben, du brauchst doch sicher einen Leibarzt, oder?" Schallendes Gelächter am anderen Ende der Leitung: "Was glaubst Du, warum ich anrufe? Wir brauchen einen Fachmann für Kälte, Expeditionen und Polargeschichte."

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Zum Frühstück in Spitzbergen...

Ein paar Tage später ging's zu nachtschlafender Zeit in Düsseldorf los. Die Deutsche Polarflug GmbH hatte den außergewöhnlichen Flug in Zusammenarbeit mit der LTU organisiert. Vorgesehen war, beim ersten Sonnenlicht an den Fjorden Norwegens entlang zu fliegen. Frühstück dann in Spitzbergen, mittags am Pol und nachmittags abhängig vom Wetter entweder entlang der Gebirge Ostgrönlands oder entlang der westgrönländischen Küste zurück.

Unterwegs wurden die Passagiere anhand von Vorträgen über die Arktis, ihre Geschichte und heutige Bedeutung informiert. Dazu bestand auch eine Lifeschaltung zur deutschen Forschungsstation des Alfred-Wegener-Institutes auf Spitzbergen. Für alle wichtigen Regionen hatte die Maschine die Erlaubnis zum Tiefflug, in diesem Fall für 3 000 Fuß (etwa 1 000 m). Das ist tief genug, um die fantastische Landschaft in allen Details zu sehen, aber hoch genug, um bei der Tierwelt an den Küsten keine Unruhe zu erzeugen.

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Faszinierende Ausblicke

Die gespannte Erwartung wurde bald von Enttäuschung abgelöst, denn entgegen des Wetterberichtes hingen dicke Wolkenfelder über Norwegen und großen Teilen des Eismeeres. Aber etwa 100 km vor Spitzbergen bekam der Wetterbericht dann doch Recht: Lupenrein blauer Himmel über Eismeer, Bergen und Gletschern. Die Ausblicke lösten unglaubliche Faszination auf alle Beteiligten aus, unabhängig davon, ob man Arktiserfahrung hatte, oder so etwas zum allerersten Mal sah. Erstaunlich war, dass es auf Spitzbergen viel kälter war als später am Pol: -46 °C, während am Pol bei völliger Windstille laue -15 °C herrschten.

Die Region um den Nordpol erwies sich als ungeheures Trümmerfeld. Das Eis muß unglaublich in Bewegung gewesen sein. Überall endlose Presseisgürtel und Spalten, in denen man den arktischen Ozean durch die dort sehr dünne neue Eisdecke sehen konnte. Auf dem Rückweg führte der Kurs über die Weiten des grönländischen Nordost-Nationalparks, des mit Abstand größten Nationalparks der Welt. Die Spannung unter den Expeditionsbergsteigern an Bord stieg langsam wieder: Würde das Wetter für die Gebirge Ostgrönlands halten? - Es hielt, und wie! Makelloser Himmel über den Fels- und Eisriesen der Stauninger Alpen und der anderen Gebirge, wie auch über dem endlosen Inlandeis.

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Expeditionsträume hegen und pflegen

Regelmäßig vom Cockpit aus mit genauen Positionsangaben versorgt, konnten Eingefleischte jederzeit die Route auf mitgebrachten Übersichtskarten verfolgen und Expeditionsträume hegen und pflegen. Über die ganze Region ist für Zivilisten kaum gutes Kartenmaterial erhältlich. Genau darin liegt einer der für Bergsteiger ganz besonderen Reize eines solchen Fluges: Man kann einen sehr guten Eindruck davon gewinnen, ob das angestrebte Ziel wirklich lohnenswert ist, ob und wie es erreichbar sein würde, ob in der Nähe eventuell weitere, vielleicht noch schönere Ziele liegen und viele andere, für eine gute Trekking- oder Expeditionsplanung unentbehrliche Informationen sammeln. Dies kann ein wesentlicher Baustein einer erfolgreichen Reise - egal ob Expedition oder Trekking - sein (Informationen über zukünftige Flüge, auch zu anderen Zielen in der Arktis, bei der Deutschen Polarflug GmbH, www.polarflug.de; Kontakt: Sebastian Schmitz, Email: schmitz@polarflug.de oder 0178/2175805).

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Die Arktis hat Fürsprecher gewonnen

Spät abends erreichten wir schließlich wieder Düsseldorf. Wer gesehen hat, wie viele strahlende Gesichter die Maschine verlassen haben, wer die Kommentare und Gespräche an Bord mit verfolgt hat, für den war die zunächst vielleicht etwas verrückt klingende Idee eines derartigen Fluges plötzlich gar nicht mehr verrückt: Die Arktis hat eine Menge faszinierter Fürsprecher hinzugewonnen.

Die mussten ihre Fürsprache verabredungsgemäß gleich in die Tat umsetzen: 50 Euro pro Kopf gingen in einen Naturschutzfonds. Naturschutz kostet Geld - und das ist nur durch Begeisterung für die Sache zu bekommen. Zeigen wir ruhig allen potenziellen Interessenten und Multiplikatoren die Schönheit unserer "blauen Kugel". Wir Bergsteiger können durch die Erlebnisse auf unseren Touren erheblich zur Begeisterung beitragen und Interesse wecken!

Thomas Küpper, Aachen