Rofo 2009; 181(2): 182-183
DOI: 10.1055/s-0028-1145244
DRG-Mitteilungen
Radiologie und Recht
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Keine Schweigepflichtsverletzung durch Vorlage des Röntgentagebuchs bei der ärztlichen Stelle

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Rechtsanwälte Wigge

Sebastian Sczuka Rechtsanwält

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Publication History

Publication Date:
28 January 2009 (online)

 
Table of Contents

Die ärztliche Verschwiegenheit gehört zu den ältesten historisch niedergeschriebenen Pflichten von Ärzten und Ärztinnen. Ihr Ursprung wird nach allgemeiner Ansicht bereits im sogenannten Eid des Hippokrates gesehen. Heute ist sie im Strafgesetzbuch (StGB) normiert. In § 203 Absatz 1 StGB heißt es:

"Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis [...] offenbart, das ihm als

1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt [...] anvertraut oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft".

Diese Strafandrohung dient der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der Persönlichkeit. Nur so kann zwischen dem Arzt/der Ärztin einerseits und dem Patienten andererseits jenes Vertrauensverhältnis entstehen, das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt, weil es die Chance der Heilung vergrößert und damit im ganzen gesehen der Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Gesundheitsfürsorge dient.

Die ärztliche Verschwiegenheitsverpflichtung gilt grundsätzlich gegenüber jedermann. Mitteilungsmöglichkeiten, also die Befugnis zur Offenbarung eines Geheimnisses im Sinne von § 203 StGB, kann sich jedoch aus einem Gesetz oder einer Rechtsverordnung ergeben. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in einem rechtskräftigen Beschluss vom 29.05.2008 (Az.: 6 A 731/08.Z) ein Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (VG Frankfurt) vom 13.02.2008 (Az.: 4 E 1892/07) bestätigt, wonach ein Arzt sein Röntgentagebuch der ärztlichen Stelle zur Verfügung stellen darf, ohne dadurch gegen die ihn treffende Verschwiegenheitsverpflichtung gem. § 203 StGB zu verstoßen.

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Verschwiegenheitsverpflichtung

Das Offenbaren eines Patientengeheimnisses ist grundsätzlich nur strafbar, wenn der Arzt/die Ärztin "unbefugt" handelt. Unbefugt handelt der Arzt/die Ärztin nicht, wenn die Preisgabe des Geheimnisses gerechtfertigt ist. Insoweit kommen spezielle gesetzliche Offenbarungspflichten, besondere gesetzliche Erlaubnisse zur Offenbarung und die allgemeinen Rechtfertigungsgründe (z. B. Einwilligung des Patienten, rechtfertigender Notstand) für den Ausschluss der Rechtswidrigkeit in Betracht.

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Ärztliche Stellen

Nach § 17 a der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (RöV) und § 83 der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (StrlSchV) richten die zuständigen Behörden zur Qualitätssicherung der Anwendung von Röntgenstrahlung, radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung am Menschen ärztliche Stellen ein. Zuständige Behörden sind nach den jeweils geltenden landesrechtlichen Regelungen in der Regel die Landesärztekammern. Im Rahmen ihres Prüfauftrages sind die ärztlichen Stellen von ihren Trägern jedoch fachlich unabhängig.

Die ärztlichen Stellen führen Prüfungen durch, die sicherstellen, dass bei der Anwendung von Röntgenstrahlung, radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung am Menschen in der Heilkunde oder Zahnheilkunde die Erfordernisse der medizinischen Wissenschaft beachtet werden und die angewendeten Verfahren und eingesetzten Einrichtungen den nach dem Stand der Technik jeweils notwendigen Qualitätsstandards entsprechen, um die Strahlenexposition des Patienten so gering wie möglich zu halten. Gem. § 17 a Absatz 4 Satz 3 RöV bzw. § 83 Absatz 4 Satz 3 StrlSchV sind den ärztlichen Stellen auf Verlangen die Unterlagen vorzulegen, die diese zur Erfüllung der von ihnen durchgeführten Prüfungen zur Qualitätssicherung der Anwendung von Röntgenstrahlung, radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung am Menschen benötigen. Hierzu zählen insbesondere Röntgenbilder, Angaben zur Höhe der Strahlenexposition, zu Röntgeneinrichtungen, Angaben zu der verabreichten Aktivität und Dosis, den Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen, den Bestrahlungsvorrichtungen und zu sonstigen verwendeten Geräten und Ausrüstungen. Der konkrete Umfang der vorzulegenden Unterlagen ergibt sich aus dem Zweck der Bestimmung, denn das Spektrum der Anwendungen von Röntgenstrahlen, radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung im Bereich der Humanmedizin ist nämlich insgesamt zu umfangreich, als dass in einer Verordnung im Einzelnen bestimmt werden könnte, welche konkreten Unterlagen im Einzelfall für die Qualitätssicherungsprüfung erforderlich sind.

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Herausgabe von Unterlagen an ärztliche Stellen

Hinsichtlich der Herausgabe der Unterlagen an die ärztlichen Stellen bestehen für den Arzt/die Ärztin im Hinblick auf die Schweigepflicht grundsätzlich keine Bedenken. Nach Auffassung des VG Frankfurt im o. g. Urteil stellt § 17 a Absatz 4 Satz 3 RöV eine gesetzliche Offenbarungspflicht dar, die mit der verfassungsrechtlichen Ordnung im Einklang steht. Die Vorschrift regelt zunächst die Verpflichtung zur Herausgabe von Unterlagen:

"Der ärztlichen oder zahnärztlichen Stelle sind die Unterlagen auf Verlangen vorzulegen, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 benötigt, insbesondere Röntgenbilder, Angaben zur Höhe der Strahlenexposition, zur Röntgeneinrichtung, zu den sonstigen verwendeten Geräten und Ausrüstungen und zur Anwendung des § 23."

Inwieweit dabei auch Daten angegeben werden müssen, die eine Identifikation der Patienten ermöglichen können, ist in der Vorschrift nicht ausdrücklich geregelt. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift bei sachgerechter Auslegung, dass die Vorschrift auch die Befugnis zur Übermittlung personenbezogener Daten erhält. Denn die Unterlagen, die vorzulegen sind, sind personenbezogene Patientenunterlagen; u. a. sind gem. § 17 a Absatz 4 RöV ausdrücklich auch Röntgenbilder vorzulegen. Diese enthalten stets auch die Personalien der Patienten. Ferner ergibt sich - nach Auffassung des Gerichts - aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift insoweit auch, dass die ärztlichen Stellen für die Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten benötigen, denn es muss eine Zuordnung der zu liefernden Informationen gewährleistet bleiben. So ist z. B. das Geburtsjahr im Rahmen der Auswahl von vorzulegenden Patientenunterlagen grundsätzlich notwendig, um die Röntgenanwendung sachgerecht beurteilen zu können (z. B. bei der Untersuchung von Kindern und Jugendlichen). Die ärztliche Stelle ist also auf die Vorlage von patientenbezogenen Daten angewiesen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

Das patientenbezogenen Daten weitergegeben werden müssen, ergibt sich nach Auffassung des VG Frankfurt ferner bereits aus § 17 a Absatz 3 RöV, wonach die ärztlichen Stellen im Hinblick auf patientenbezogene Daten ihrerseits der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.

Die Anforderung von patientenbezogenen Daten durch die ärztliche Stelle entspricht nach Ansicht der Gerichte auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist im Hinblick auf den Zweck der Röntgenverordnung bzw. Strahlenschutzverordnung zur Qualitätssicherungsprüfung auch erforderlich. Zweck der Röntgen- und Strahlenschutzverordnung ist die Qualitätsverbesserung und Optimierung der medizinischen Strahlenanwendung. Diese beinhaltet, dass die Strahlenexposition der Patienten so gering wie möglich gehalten wird. Zur Überprüfung der Patientenaufnahmen sind deswegen - nach Auffassung des VG Frankfurt - zur Beurteilung der medizinischen Fragen und der Notwendigkeit der Anwendung der Röntgenstrahlen, die Angabe der Diagnose sowie auch das Alter und das Geschlecht des Patienten in der Regel erforderlich. Dies bedarf es, um die rechtfertigende Indikation zu prüfen, d. h. um beurteilen zu können, inwieweit die Strahlenanwendung erforderlich war und inwieweit in diesem Fall das Minimierungsgebot und die Einhaltung der diagnostischen Referenzwerte beachtet wurden.

Allerdings ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass eine Vorlage patientenbezogener Daten an die ärztliche Stellen nur insoweit verpflichtend ist, soweit es zur Durchführung der Aufgaben der ärztlichen Stelle erforderlich ist. Auch eine Vorlage von Patientenunterlagen in pseudonymisierter Form ist insoweit ausreichend, wenn eine Zuordnung der Unterlagen für die ärztliche Stelle weiterhin möglich ist. Unter Pseudonymisierung ist im Gegensatz zur Anonymisierung z. B. die Verwendung der Namensinitialen als Pseudonym zu verstehen. So kann durch die ärztliche Stelle eine Zuordnung der Unterlagen erfolgen, ohne dass ihr die Namen der Patienten bekannt werden.

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Gebühren

Für ihre Tätigkeit erheben der ärztlichen Stellen Gebühren. Eine solche Gebührenerhebung ist grundsätzlich rechtmäßig. Die rechtlichen Grundlagen für die Gebührenerhebung sind landesspezifisch und somit unterschiedlich. Regelmäßig ergibt sich die Gebührenpflicht aus einer Verwaltungskosten- bzw. Verwaltungs-gebührenordnung. Wenn und soweit in einer solchen Kosten- oder Gebührenordnung für die Beurteilung durch die ärztliche Stelle Gebühren festgelegt werden, dürfen diese grundsätzlich erhoben werden. Nur für den Fall, dass eine solche ausdrückliche Grundlage für die Erhebung von Gebühren fehlt, dürfen Gebühren nicht erhoben werden.

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Fazit

Radiologen sind nach der Rechtsprechung des VG Frankfurt/Hessischen Verwaltungsgerichtshofs gem. § 17 a Absatz 4 RöV bzw. § 83 Absatz 4 StrlSchV verpflichtet, patientenbezogene Unterlagen den ärztlichen Stellen zur Verfügung zu stellen. Da die vorgenannten Normen implizit auch die Befugnis zur Übermittlung personenbezogener Daten enthalten, liegt in der Übermittlung von patientenbezogenen Daten an die ärztlichen Stellen auch kein Verstoß gegen die sich aus § 203 StGB ergebende Schweigepflicht. Dies gilt auch vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die ärztlichen Stellen gem. § 17 a Absatz 3 RöV bzw. § 83 Absatz 3 StrlSchV im Hinblick auf patientenbezogene Daten der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.

Ausdrücklich haben das VG Frankfurt und der Hessische Verwaltungsgerichtshof in ihren Urteilen zwar nur die Weitergabe des Röntgentagebuchs für die betriebenen Röntgeneinrichtungen an die ärztliche Stelle bejaht. Die Frage, ob dies auch für z. B. Befunde gilt, wurde in den Urteilen zwar nicht angesprochen, dürfte jedoch ebenfalls zu bejahen sein, da § 17 a Absatz 4 RöV ausdrücklich auch "Röntgenbilder" als Unterlagen erwähnt, die herausgegeben werden müssen.

Allerdings ist vorab stets zu prüfen, ob die ärztliche Stelle auch die personenbezogenen Daten benötigt oder ob eine Übermittlung der Unterlagen in pseudonymisierter Form ausreichend ist. Vor diesem Hintergrund sollte sich der Radiologe die Notwendigkeit der Übermittlung der personenbezogenen Daten von der ärztlichen Stelle bestätigen lassen, denn nur die gemäß gem. § 17 a RöV bzw. § 83 StrlSchV zur Erfüllung der Aufgaben der ärztlichen Stelle erforderlichen patientenbezogenen Unterlagen dürfen im Ergebnis an diese weitergegeben werden, ohne dass damit eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht verbunden ist.

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