Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(4): 118
DOI: 10.1055/s-0031-1272828
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schützen Kalziumantagonisten vor kardiovaskulären Komplikationen?

S. Krome
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Publication Date:
19 January 2011 (online)

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Kalziumantagonisten haben in der Kombinationstherapie der arteriellen Hypertonie einen festen Stellenwert. Ihr Einsatz als Erstlinientherapie ist umstritten. Chen et al. kommen in ihrem Cochrane Review zu dem Schluss, dass die präventive Wirkung im Vergleich mit anderen Monotherapien differenziert betrachtet werden muss.

Einleitung: Dass eine Blutdrucksenkung zu einer Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität führt, konnte bisher nur für Beta-Blocker und Diuretika zuverlässig bestätigt werden. Bei Kalziumantagonisten (CCB) steht die negativ inotrope Wirkung mit der möglichen Verschlechterung einer Herzinsuffizienz dem günstigen Effekt auf die Schlaganfallrate gegenüber.

Studien: Das Cochrane Review fasst Daten aus 18 randomisierten, kontrollierten Studien mit 141 807 Patienten zusammen. In jeder Untersuchung wurden mindestens 100 Patienten mit einer neu diagnostizierten arteriellen Hypertonie behandelt und über 2 Jahre beobachtet. Bei den CCB wurden überwiegend Dihydropyridine eingesetzt (14 Studien) und mit anderen Substanzklassen verglichen.

Ergebnisse: CCB senkten den Blutdruck effektiv, aber schwächer als Beta-Blocker und stärker als Diuretika. Die Gesamtsterblichkeit unterschied sich zwischen CCB und anderen Hypertensiva zur Erstlinienbehandlung nicht. Im Vergleich mit Beta-Blockern reduzierten CCB kardiovaskuläre Ereignisse (relatives Risiko RR 0,84; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,77-0,92), das Schlaganfallrisiko (RR 0,77; 95%-KI 0,67-0,88) und die kardiovaskuläre Mortalität (RR 0,90; 95%-KI 0,81-0,99). CCB waren Diuretika bezüglich der kardiovaskulären Ereignisse (RR 1,05; 95%-KI 1,00-1,09; p=0,03) und Dekompensationen bei Herzinsuffizienz (RR 1,37; 95%-KI 1,25-1,51) unterlegen. Der Vergleich mit ACE-Hemmern ergab einen positiven Effekt auf das Schlaganfallrisiko (RR 0,89; 95%-KI 0,80-0,98), aber häufigere Komplikationen bei Herzinsuffifizienz (RR 1,16; 95%-KI: 1,06-1,27). CCB schnitten bei der Herzinsuffizienz (RR1,0; 95%-KI 1,06-1,36) schlechter und bezüglich Schlaganfällen und Myokardinfarkten (RR 0,85; 95%-KI 0,73-0,99 und RR 0,83; 95%-KI 0,83; 95%-KI 0,72-0,96) besser ab als Angiotensinrezeptor-Blocker.

Fazit und Diskussion

Die Daten bestätigen die Crux bei der Monotherapie der arteriellen Hypertonie mit Kalziumantagonisten: Die präventive Wirkung ist für die möglichen Komplikationen unterschiedlich. Chen et al. empfehlen Diuretika als Erstlinientherapie, weil hier sowohl das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse als auch für Dekompensationen geringer war. Bei der Entscheidung zwischen Kalziumantagonisten und Beta-Blockern waren die Ergebnisse für die CCB günstiger. Die Autoren schränken die Aussagekraft ihrer Zusammenschau ein, denn die Studien wiesen ausgeprägte Unterschiede in Design, Methodik und Zielvariablen auf. Bei den untersuchten Kalziumantagonisten habe es sich zudem fast ausschließlich um Dihydropyridine und nur in vier Untersuchungen um Nicht-Dihydropyridine gehandelt. Vor einer endgültigen Bewertung seien zahlreiche andere Einflussfaktoren wie das Patientenalter, Komorbidität oder das Hypertoniestadium zu berücksichtigen.

Dr. med. Susanne Krome, Melle

Kommentar aus der Praxis

Das Hauptergebnis dieser Analyse ist die Feststellung einer Unterlegenheit von CCB im Vergleich zu Diuretika in Bezug auf kardiovaskuläre Protektion. Diese begründet sich fast ausschließlich durch die höhere Inzidenz einer Herzinsuffizienz bei den mit Kalziumantagonisten (CCB) behandelten Patienten. Wie in anderen Metaanalysen werden die Ergebnisse dieses Vergleiches sehr deutlich durch das Gewicht der ALLHAT-Studie beeinflusst, deren methodischen Schwächen umfassend diskutiert wurden. Auch ist die Diagnose Herzinsuffizienz bei einer Wirkstoffklasse, deren wichtigste Nebenwirkung das Auftreten von Knöchelödemen ist, fehleranfällig. Richtig ist, CCB sind im Gegensatz zu Diuretika, ACE-Hemmern, Angiotensin-Rezeptorenblokkern und b-Blockern nicht zur Behandlung einer Herzinsuffizienz indiziert. Die Autoren der Cochrane-Analyse betonen selbst, dass ihrer Konklusionen nicht robust sind und dass weitere, besser konzipierte Studien zu Klärung der gestellten Fragen notwendig sind. Entsprechend der Leitlinie der Europäischen Kardiologie- (ESC) und Hypertonie Gesellschaft (ESH) zur Hypertoniebehandlung ist es meines Erachtens im Gegensatz zur Cochrane- Analyse gerechtfertigt, von einer vergleichbaren kardiovaskulären Protektion von CCB, Diuretika, ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorenblockern zumindest in der initialen Monotherapie auszugehen. Die Differentialtherapie mit diesen Substanzen stützt sich daher auf andere Kriterien als eine vermeintlich effektivere kardiovaskuläre Protektion. Im Gegensatz hierzu hatte die kürzlich veröffentlichte ACCOMPLISH-Studie im direkten Vergleich eine Überlegenheit der Kombination eines ACE-Hemmers mit einem Kalziumantagonisten im Vergleich zu ACE-Hemmer plus Thiaziddiuretikum aufgezeigt. In der Kombinationstherapie erscheint daher, im Gegensatz zur initialen Monotherapie, auch eine an der Prognose orientierte Differentialtherapie möglich. Dies ist insofern bedeutsam, als bis zu zwei Drittel der Hypertoniepatienten zum Erreichen der Zielblutdruckwerte eine Kombinationstherapie benötigen.

Prof. Dr. med. Rainer Düsing, Universitätsklinikum Bonn

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Originalarbeit

  • 1 Chen N, He  l. Calcium channel blockers versus other classes of drugs for hypertension.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2010, Issue 8 DOI: 10.1002/14651858.CD003654.pub4 www.thecochranelibrary.com
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Originalarbeit

  • 1 Chen N, He  l. Calcium channel blockers versus other classes of drugs for hypertension.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2010, Issue 8 DOI: 10.1002/14651858.CD003654.pub4 www.thecochranelibrary.com