Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(4): 119
DOI: 10.1055/s-0031-1272829
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Senken Telekommunikationstechnologien die Risiken bei chronischer Herzinsuffizienz?

S. Krome
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Publication Date:
19 January 2011 (online)

Table of Contents

Seit mehr als 10 Jahren wird das Telemonitoring bei verschiedenen Krankheiten getestet. Für die chronische Herzinsuffizienz (CHF) waren die Ergebnisse positiv, so dass die Aufnahme in die Behandlungsleitlinien diskutiert wird.

Einleitung: Die lückenlose Online-Erfassung krankheitsspezifischer Parameter und ggf. zusätzlich strukturierte Telefonbefragung bietet einen engmaschigen und umfassenden Kontakt, der bei Problemen eine umgehende Intervention ermöglicht. So werden bei CHF-Daten wie die Herzfrequenz, das Körpergewicht oder der Blutdruck kontinuierlich mit Kleincomputern erfasst, an ein telemedizinisches Zentrum weitergeleitet und dort ausgewertet. Darüber hinaus beinhaltet das Telemonitoring Elemente zu Information, Gesundheitserziehung und der psychologischen Unterstützung. Die strukturierte Telefonintervention besteht aus standardisierten Befragungen und ist eine Alternative oder Ergänzung.

Studien: Der zusammenfassende Rückblick enthält 25 Studien und 5 publizierte Aufsätze. Die konventionelle Standardversorgung wurde mit den neuen Technologien im Hinblick auf die Mortalität, Lebensqualität, Inanspruchnahme verschiedener Gesundheitsleistungen und Kosten verglichen. 16 Untersuchungen prüften eine Begleitung mit strukturierten Telefonaten (5613 Patienten) und 11 mit Telemonitoring (2710 Patienten). Zwei Studien analysierten die Ergebnisse für beide Verfahren. Hausbesuche waren ein Ausschlusskriterium.

Ergebnisse: Beide Methoden waren effi-zient und kostengünstig. Das Telemonitoring war den strukturierten Telefoninterviews überlegen. Die Gesamtsterblichkeit konnte mit dem Telemonitoring signifikant gesenkt werden (Relatives Risiko RR 0,66; 95%-Konfidenzintervall KI 0,54-0,81; p < 0,0001). Auch die Telefonate hatten einen positiven, aber nicht signifikanten Effekt (RR 0,88; 95%-KI 0,76-1,01; p=0,08). Beide Technologien reduzierten die Anzahl von Krankenhausaufenthalten wegen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz im Vergleich mit der Standardversorgung (Telemonitoring p=0,008; strukturierte Telefonate p < 0,0001). Die Patienten kamen mit den Techniken nach einer Einführung gut zurecht und berichteten einen Zuwachs an Lebensqualität. Die Anzahl medizinischer Verordnungen nahm ab. 12 Studien befassten sich detailliert mit den Kosten für Patienten mit CHF. Während 3 keine Änderung errechneten, kamen die übrigen auf eine Ersparnis von 35 – 86 %, wenn Telemonitoring und/oder strukturierte Telefonate eingesetzt wurden.

Fazit für Klinik und Praxis

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei Patienten mit chronischer Herzinsuffi-zienz sowohl eine strukturierte Telefonbegleitung als auch das Telemonitoring medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll sind. Die Sterblichkeit und Komplikationen nehmen ab, die Patientenzufriedenheit steigt und die Kosten für das Gesundheitssystem sinken. Bei der hohen Evidenz der Ergebnisse seien Folgestudien zur prinzipiellen Beurteilung der Methoden nicht erforderlich. Diese sollten aber einer Stratifizierung der Vorteile für verschiedene Patientengruppen und bei verschiedenen Anwendungsmodellen (kurzfristig/Langzeiteinsatz usw.) dienen.

Dr. med. Susanne Krome, Melle

Kommentar aus der Praxis

Die Neuauflage der Meta-Analyse von S. Inglis et al. aus dem Jahr 2007 bezieht nur wenige neue Daten ein, auch die Interpretation bleibt nahezu gleich. Ein Mehrwert liegt allerdings im Bemühen um eine sorgfältige Qualitätsbeurteilung einbezogener Studien, die deutlich macht, dass die Qualität bisheriger Untersuchungen zum strukturierten Telefonmonitoring allenfalls als mäßig, beim Telemonitoring sogar als niedrig einzustufen ist. Aus methodischer Sicht musste deshalb erwartet werden, dass künftige qualitätvollere Publi-kationen noch zu gravierenden Änderungen des Risikoschätzers führen können. Die Folgerung der Autoren, dass „die Evidenzlage bereits jetzt so überzeugend ist, dass für beide Interventionen keine weiteren randomisierten Studien mehr erforderlich sind“, erscheint mir daher unverständlich. Von den Autoren unkommentiert bleibt zudem die Beobachtung, dass die Ereignisraten in den Kontrollgruppen der Studien zu strukturierten Telefonaten und in denen zum Telefonmonitoring sich deutlich unterscheiden und deshalb die Effekte beider Interventionen nicht verglichen werden können. Der hier deutlich werdende Selektionsbias randomisierter kontrollierter Studien zeigt die Grenzen von Meta-Analysen auf. Leider unterliefen den Autoren auch noch schwere Fehler: So wurden z.B. in der Sensitivitätsanalyse die Effektgrößen mindestens einer größeren Studie (INH-Studie, Angermann et al, Circulation 2007) falsch zugeordnet. Dieser Lapsus und die Ergebnisse zweier großer, qualitätvoller Studien zum Telemonitoring (Tele-HF-Studie, TIM-HF-Studie) machen schon jetzt deutlich, dass die Resultate der nächsten Meta-Analyse anders aussehen werden: Welche Betreuungs- und Überwachungsprogramme bei herzinsuffizienten Patienten guten Erfolg bringen, bleibt im Moment offen. Die Empfehlung der Autoren, sich nun vornehmlich auf die detaillierte Auswertung von alters- und geschlechtsspezifischen Aspekten zu konzentrieren, ist verfrüht. Erst gilt es herauszuarbeiten, welches Programm für welchen Patiententyp am besten geeignet ist. Dabei werden Begleiterkrankungen und soziale Disposition sicher entscheidende, bisher nicht ausreichend berücksichtigte Einflussgrößen sein müssen.

Prof. Dr. med. C. E. Angermann, Universitätsklinikum Würzburg

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Originalarbeit

  • 1 Inglis S C, Cleland  J G F. Structured telephone support or telemonitoring programmes for patients with chronic heart failure.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2010, Issue 8 DOI: 10.1002/14651858.CD007228.pub2 www.thecochranelibrary.com
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Originalarbeit

  • 1 Inglis S C, Cleland  J G F. Structured telephone support or telemonitoring programmes for patients with chronic heart failure.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2010, Issue 8 DOI: 10.1002/14651858.CD007228.pub2 www.thecochranelibrary.com