Z Orthop Unfall 2011; 149(1): 6
DOI: 10.1055/s-0031-1274127
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Radiusfrakturen – Verkürzen statt die Länge wiederherstellen?

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Publication Date:
17 February 2011 (online)

 
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Die Idee der Autoren war es, bei entsprechender Frakturkonstellation am älteren Patienten die volare Plattenosteosythese des distalen Radius unter Verkürzung bzw. ohne vollständige Längenwiederherstellung mit einer primären Sauvé-Kapandji-OP zu kombinieren.
Initial shortening and internal fixation in combination with a Sauvé-Kapandji procedure for severely comminuted fractures of the distal radius in elderly patients. J Bone Joint Surg. 2010; 92-B:1558 – 1462

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Problematik

Bei instabilen distalen Radiusfrakturen mit Einbeziehung der Diaphyse ist oftmals auch die distale Ulna auf Höhe von Ulnakopf und -hals frakturiert bzw. das distale Radioulnargelenk (DRUG) betroffen. Zahlreiche dieser Verletzungen sind offene Frakturen zumeist auf Höhe des Ulnakopfs. Aufgrund eines erheblichen metaphysären Defekts ist selbst in Zeiten winkelstabiler Implantate bisweilen die Einbringung eines autologen kortikospongiösen Beckenkammspans erforderlich, um eine adäquate Wiederherstellung der Radiuslänge zu garantieren. Technisch schwieriger ist es selbst mit modernen Implantaten die distale Ulnafraktur-Anatomie gerecht zu reponieren und zu stabilisieren, um somit eine korrekte Längenbeziehung der beiden Unterarmknochen zueinander und eine Kongruenz des DRUG zu gewährleisten. Dies trifft insbesondere auf Patienten mit Osteoporose zu.

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Konzept

Sekundäre Folgeeingriffe bei Ulnavorschub und Kompromittierung des DRUG sind häufig. Hierunter zählen:

  • Verkürzungsosteotomien der distalen Ulna,

  • endoprothetische Verfahren (Ulnakopfprothese),

  • resezierende Eingriffe an der distalen Ulna wie die Ulnakopfentfernung (Darrach-OP) oder die Hemiresektion der distalen Ulna nach Bowers,

  • die Segmentresektion der distalen Ulna plus Arthrodese des DRUG nach Sauvé-Kapandji zumindest mit teilweise ermutigenden Ergebnissen.

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Material und Methode

In die Studie wurden im Rahmen einer retrospektiven Analyse 11 Patienten mit einem mittleren Alter von 74 Jahren eingeschlossen, die mit entsprechendem Frakturtyp nach benanntem Konzept operativ versorgt wurden. Vier Frakturen waren zweitgradig offen. Die Entscheidung für dieses Vorgehen wurde oftmals intraoperativ gefällt. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, den distalen Ulnastumpf mit dem Pronatur quadratus zu bedecken.

Die Nachuntersuchung aller Patienten erfolgte im Mittel nach 48 Monaten. Neben radiomorphologischen Parametern im Seitenvergleich wurden die Bewegungsfunktionen an Handgelenk und Unterarm untersucht, Schmerzen im Handgelenksbereich (VAS) sowie der DASH- und der modifizierte Green und O‘Brien-Score erhoben.

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Ergebnisse

Alle Frakturen und Arthrodesen waren im Mittel binnen 7 Wochen verheilt. Die mittlere Verkürzung des Radius betrug 12 mm bei nur geringen radiokarpalen Arthrosezeichen. Die Extension im Handgelenk erreichte 87 % der intakten Gegenseite, die Flexion 79 %; Pro- und Supination betrugen 94 % bzw. 95 %, die Greifkraft immerhin 89 % der gesunden Seite. Sieben Patienten waren völlig schmerzfrei, kein Patient hatte Zeichen der Instabilität der distalen Ulna. Der mittlere DASH-Score lag bei 22,6 Punkten und 8 von 11 Patienten hatten ein exzellentes Resultat im Green und O‘Brien-Score.

An Komplikationen war ein konservativ beherrschbares CTS und ein CRPS I zu beobachten mit Kalzifikationen zwischen den Ulnaenden. Nach Resektion der Ossifikationen und Implantatentfernung konnte eine freie Unterarmumwendbeweglichkeit erzielt werden.

Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Mittlmeier
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock

Email: thomas.mittlmeier@med.uni-rostock.de

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Kommentar

Die primäre Verkürzung des distalen Radius mit zeitgleicher Sauvé-Kapandji-OP bei der distalen meta diaphysären Radiustrümmerfraktur mit Ulnabeteiligung des älteren Patienten bringt erstaunlich gute funktionelle Resultate nach mittlerer Nachbeobachtung von 4 Jahren. Bei mittlerer Verkürzung des Radius von mehr als 1 cm war keine wesentlicher Zusammenhang mit dem Bewegungsumfang, der Greifkraft, den Schmerzen zum Untersuchungszeitpunkt und dem DASH- bzw. Green und O‘Brien-Score festzustellen. Auch eine klinische Symptomatik am distalen Ulnaende war nicht feststellbar. Die Autoren verweisen darauf, dass der Eingriff binnen 10 Tagen nach Trauma erfolgen sollte, um das distale Ulnaende mit dem Pronator quadratus, der ansonsten degeneriert, bedecken zu können. Da ein gewisser Verlust der Greifkraft nach Sauvé-Kapandji-OP unvermeidlich ist, wird das Konzept nicht beim jüngeren Patienten empfohlen. Das operative Armamentarium für eine ansonsten komplikationsträchtige Verletzung des älteren Menschen wird somit wesentlich bereichert.

Univ.-Prof. Dr.med. Thomas Mittlmeier