Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(15): 753
DOI: 10.1055/s-0031-1275817
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Klinische Forschung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie (un-)vollständig sind Studienberichte?

B. Rakowitz
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Publication History

Publication Date:
12 April 2011 (online)

Table of Contents

Selektive Wiedergabe von Forschungsergebnissen ist ein weit verbreitetes Problem. Das Cochrane Review gibt einen Überblick, an welchen Stellen Lücken zwischen Studienprotokollen oder Register-einträgen und den tatsächlich veröffentlichten Berichten auftreten.

Einleitung: Oft sind Forschungsberichte bruchstückhaft und geben nur selektiv die jeweiligen Ergebnisse preis. Wenn jedoch die Entscheidung über den Inhalt der Studienberichte von den Ergebnissen abhängt, führt dies zu Verzerrungen der Daten und möglichen Fehlinterpretationen durch die Leser.

Studien: Die Autoren analysierten 16 Kohortenstudien, die anhand von randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) die Inhalte von Studienprotokollen und Registereinträgen mit den Informationen der Forschungsberichte verglichen. Im Durchschnitt umfassten diese Kohortenstudien 54 RCTs. Die Studien setzten verschiedene Schwerpunkte: 3 Studien untersuchten Diskrepanzen bei den Einschlusskriterien, 2 Studien fokussierten Methoden der Randomisierung und Verblindung, eine Studie konzentrierte sich auf Autoren, 2 Studien auf Sponsoren, 6 Studien untersuchten den Stichprobenumfang, 5 Studien beschäftigten sich mit dem Analyse-Plan, und 9 Studien betrachteten die Studienergebnisse.

Ergebnisse: Unstimmigkeiten zwischen den Informationen aus Protokollen oder Registereinträgen von RCTs und den Inhalten der jeweils veröffentlichten Studienberichte waren zahlreich. Diese Diskrepanzen umfassten unterschiedliche Aspekte und wurden in den Forschungsberichten weder genannt noch erklärt. Bezüglich der Einschlusskriterien zeigten sich zwischen 19 % und 100 % Differenzen zwischen dem Protokoll und dem Studienbericht. Nur 16 % der Forschungsberichte informierten über die Bestimmung des Stichprobenumfangs. 6 % der Berichte machten zwiespältige Angaben bezüglich der Geheimhaltung und bei 67 % der Blindstudien fanden sich widersprüchliche Informationen darüber, wer verblindet wurde. Bei 4-50 % der RCTs wurde im Studienbericht mindestens ein primärer Endpunkt ausgetauscht, neu eingeführt oder nicht erwähnt. Über Ergebnisse mit hoher statistischer Signifikanz wurde häufiger vollständig berichtet (OR 2,4) als über nichtsignifikante Ergebnisse (OR 4,7).

Fazit und Diskussion

Aus den Ergebnissen schließen die Autoren, dass zwischen der Planung randomisierter kontrollierter Studien und den schließlich veröffentlichten Daten häufig Diskrepanzen auftauchen, die jedoch im Forschungsbericht nicht erwähnt werden. Diese Unstimmigkeiten betreffen verschiedenste Aspekte wie beispielsweise Einschlusskriterien, Methoden der Verblindung oder die (Nicht-)Nennung der einzelnen Ergebnisse. Die Autoren fordern, dass in den Berichten die Gründe für diese Diskrepanzen angegeben werden. Wer Reviews verfasst, sollte daher routinemäßig die Inhalte der Studienprotokolle und Registereinträge mit den Informationen der veröffentlichten Berichte vergleichen. Auch wenn diese Kontrolle Mehrarbeit für die Autoren bedeute: Sie würde die Gründlichkeit fördern und die Qualität der Übersichtsarbeiten verbessern.

Dr. med. Bettina Rakowitz, Stuttgart

Kommentar aus der Praxis

Weichen Autoren kontrollierter Therapiestudien von dem ursprünglichen Studienplan ab? Dwan et al. (2011) haben eine überraschende Antwort auf diese Frage gegeben: Häufig wird an entscheidenden Punkten von dem ursprünglichen Plan abgewichen. Was bedeutet das für die Praxis? Zum einen muss sichergestellt werden, dass die relevanten Aspekte aller klinischen Studien vor Start der Studie in einem Register schriftlich niedergelegt werden, damit Transparenz überhaupt hergestellt werden kann. Zum anderen sollten die Autoren in ihrem Bericht darlegen, warum sie wie von dem ursprünglichen Plan abgewichen sind ein Punkt, der heute schon im CONSORT 2010 Statement gefordert wird (Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: e20–e23). Herausgeber von Zeitschriften und Gutachter sollten dieses konsequent einfordern, gleichzeitig die Autoren aber nicht zu weiteren ungeplanten Analysen auffordern.

Prof. Dr. Andreas Ziegler, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

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Originalarbeit

  • 1 Dwan K, Altman D G, Cresswell L. et al .Comparison of protocols and registry entries to published reports for randomised controlled trials.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2011, Issue 1 DOI: 10.1002/14651858.MR000031.pub2 www.thecochranelibrary.com
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Originalarbeit

  • 1 Dwan K, Altman D G, Cresswell L. et al .Comparison of protocols and registry entries to published reports for randomised controlled trials.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2011, Issue 1 DOI: 10.1002/14651858.MR000031.pub2 www.thecochranelibrary.com