Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(23): 1240
DOI: 10.1055/s-0031-1280966
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Neurologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verhindert die Impfung postherpetische Neuralgien?

S. Krome
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Publication Date:
31 May 2011 (online)

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Die Impfung mit der Varizellen-Lebendvakzine reduziert effektiv die Häufigkeit von Reaktivierungen. Ob darüber hinaus eine Verminderung postherpetischer Neuralgien erreicht werden kann, beantwortet das vorliegende Cochrane-Review.

Einleitung: Nach Windpocken besteht ein lebenslanges Reaktivierungsrisiko. Bei etwa 20 % der Infizierten entwickelt sich, bevorzugt in höherem Lebensalter, eine Gürtelrose. Nach dem Akutstadium mit radikulären Schmerzen und typischem Exanthem ist die postherpetische Neuralgie häufigste Komplikation. Die Erkrankung ist schwer zu behandeln, verursacht z.T. lebenslange, schwere Schmerzen und kann zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führen. Antivirale Medikamente tragen zwar zu einer schnelleren Abheilung der Gürtelrose bei, haben aber kaum Einfluss auf die postherpetische Neuralgie. Die Impfung mit Varizella-Zoster-Lebendvakzine stärkt im Sinne Boosterung die zelluläre Immunität. Ob über die Verminderung von Gürtelrosen hinaus ein positiver Effekt hinsichtlich postherpetischer Neuralgien besteht, ist umstritten.

Studien: In die Analyse wurden ausschließlich Studien aufgenommen, bei denen zwischen Gürtelrose und postherpetischer Neuralgie mindestens 120 Tage lagen. Dieses Kriterium erfüllte nur die „Shingles Prevention Study“. Dabei handelt es sich um eine doppelblinde, randomisierte Untersuchung, an der 22 Zentren teilnahmen. 38 546 Teilnehmer erhielten die Impfung oder Placebo. Alle waren über 60 Jahre alt. Die Nachbeobachtungszeit betrug durchschnittlich 3,1 Jahre.

Ergebnisse: Chen et al. verglichen die Häufigkeit von Gürtelrosen und postherpetischer Neuralgie für die Verum- und Kontrollgruppe. 957 Geimpfte bekamen eine Gürtelrose. Davon hatten 351 die Vakzine und 642 Placebo erhalten. Die entsprach einer Abnhame der Inzidenz um 51,3 %. Eine postherpetische Neuralgie trat bei 71 Erkrankten auf. 54 Patienten der Placebo- und 17 der Verumgruppe waren betroffen (p <0,001). Eine postherpetische Neuralgie war nach der Vakzinierung seltener (Relatives Risiko [RR] 0,31; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,18–0,54). Auch bei einer Ausweitung des Diagnosezeitraums (postherpetische Neuralgie nach 30 bis 182 Tagen) blieben die Ergebnisse relevant. Die Cochrane-Gruppe analysierte darüber hinaus die Inzidenzen der postherpetischen Neuralgie nicht für die Gruppen „Impfstoff vs. Placebo“, sondern verglich bei den Patienten mit und ohne Gürtelrose. Bei 5,4 % der vakzinierten und 8,41 % der Kontrollgruppe (alle mit Gürtelrose) entwickelte sich eine postherpetische Neuralgie. Dieser Unterschied war nicht signifikant (RR 0,64; 95 %-KI 0,38–1,09; p= 0,10). Eine Aussage zum Schweregrad der Erkrankung und hierbei insbesondere über die Schmerzstärke war wegen unzureichender Angaben nicht möglich. Die Vakzinierung hatte keine schwerwiegenden Komplikationen und provozierte keine Gürtelrosen (kein Nachweis von Vakzine-DNA in Effloreszenzen).

Fazit und Diskussion

Die „Shingles Prevention Study“ sei von hoher Qualität und habe nachgewiesen, dass die Varizellenimpfung die Inzidenz von Gürtelrosen sicher und effektiv senke. Auch postherpetische Neuralgien waren seltener. Dies sei jedoch eine Folge der reduzierten Zosterfälle und nicht ein Effekt der Vakzinierung selbst. Die Autoren korrigieren somit die Interpretation, aber das Ergebnis bleibt gleich: Sowohl Gürtelrosen als auch postherpetische Neuralgien waren nach der Vakzinierung seltener. Die Ergebnisse waren wegen der Altersbeschränkung trotz der großen Teilnehmerzahl nicht repräsentativ. Eine Überprüfung für jüngere, immunkomprommitierte oder Rezidivpatienten sei notwendig.

Dr. med. Susanne Krome, Melle

Kommentar

Postzosterische Neuralgien sind eine belastende Spätfolge des Zosters, des endogenen Rezidivs einer Infektion mit dem Varizeller-Zoster-Virus (VZV). Durch Impfung der klinisch relevanten Risikopopulation mit einer VZV-Lebendvakzine lässt sich eine Boosterung der zellulären Immunität erzeugen und die Inzidenz der Zostererkrankung und damit auch der postzosterischen Neuralgien in der geimpften Population signifikant senken – dies gilt als dermatologisches Basiswissen. Zur Untersuchung der Frage, ob sich bei den Patienten, bei denen sich trotz Impfung ein Zoster entwickelt, zusätzlich seltener postzosterische Neuralgien entwickeln als bei ungeimpfte Patienten, erstellte die chinesische Autorengruppe um Chen eine formal korrekt durchgeführte Übersichtsarbeit auf Datenbasis der Nachanalyse einer einzigen Studie. Das bereits publizierte Datenmaterial zeigt, dass geimpfte Patienten, die dennoch einen Zoster entwickeln, mit deutlich, jedoch nicht signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit postzosterische Neuralgien entwickeln als ungeimpfte Patienten. Die Entscheidung zur VZV-Impfung ist aus Sicht des Klinikers bereits durch die bekannte, signifikante Senkung der Inzidenz von Zostererkrankung und postzosterischer Neuralgie gerechtfertigt – die Arbeit von Chen et al. ändert daran nichts.

Prof. Dr. T. Ruzicka, Prof. Dr. A. Wollenberg, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der LMU München

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Originalarbeit

  • 1 Chen N, He L. Vaccination for preventing postherpetic neuralgia (Review).  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2011, Issue 3 DOI: 10.1002/14651858.CD007795.pub2 www.thecochranelibrary.com
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Originalarbeit

  • 1 Chen N, He L. Vaccination for preventing postherpetic neuralgia (Review).  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2011, Issue 3 DOI: 10.1002/14651858.CD007795.pub2 www.thecochranelibrary.com