Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(23): 1241
DOI: 10.1055/s-0031-1280967
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Neurologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie effektiv und sicher ist die interventionelle Schlaganfalltherapie?

S. Krome
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 May 2011 (online)

Table of Contents

Neuroradiologische Verfahren beschränken sich längst nicht mehr auf die Abklärung von Befunden, sondern finden auch in der Therapie des akuten Schlaganfalls zunehmend Anwendung. Der oft erfolgreichen Thrombusentfernung steht das erhöhte Blutungsrisiko gegenüber. Vier Studien wurden zusammengefasst, in denen Patienten eine intravenöse Thrombolyse erhielten oder zusätzlich interventionell behandelt wurden.

Einleitung: Für die intraarterielle Rekanalisation werden sehr biegsame Katheter benutzt, die bis zum verschlossenen Bereich geführt werden. Die Wiedereröffnung des Gefäßes erfolgt mit verschiedenen Methoden, z.B. der Angioplastie, Stenteinlage, Thrombusaspiration, Thrombusfragmentierung, intraarterieller Thrombolyse, Laserrekanalisation, Sonothrombolyse etc. Bislang war unklar, ob die Verfahren der klassischen Therapie überlegen sind, welchen Einfluss das therapeutische Zeitfenster hat und ob ein höheres Blutungsrisiko vorliegt.

Studien: In vier randomisierten, kontrollierten Studien erhielten die Patienten (n=350) eine Standardbehandlung oder zusätzlich eine interventionelle Therapie mit verschiedenen Instrumenten. Sie waren durchschnittlich zwischen 60 und 70 Jahre alt und etwas häufiger männlich. In drei Untersuchungen war die A. cerebri media, in einer Studie der hintere Blutkreislauf betroffen.

Ergebnisse: In den meisten Fällen erfolgte die Behandlung innerhalb von 6 Stunden nach Einsetzen der Symptomatik, in einer kleineren Untersuchung nach spätenstens 12,5 Stunden. Die interventionelle Therapie hatte drei Monate nach dem Ereignis die günstigeren Ergebnisse. Der neurologische Status besserte sich signisfikant häufiger (Relatives Risiko [RR] 1,47; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,07-2,02). Im Vergleich zur konventionellen Behandlung nahmen aber auch das intrakranielle Blutungsrisiko deutlich zu (RR 3,85; 95 %-KI 0,91-16,36). Zwischen den Studienergebnissen bestand keine bedeutsame Heterogenität.

Fazit für Klinik und Praxis

Die Schlaganfallpatienten profitierten von der interventionellen Behandlung im Vergleich mit dem Standardvorgehen stärker bei gleichzeitig erhöhter Blutungsgefahr. Nach Ansicht der Autoren reichen die Daten für eine abschließende Beurteilung nicht aus. Größere Untersuchungen mit Berücksichtigung von Patientensubgruppen seien notwendig. Die perkutanen vaskulären Interventionen erforderten zudem ein Spezialistenteam sowie einen durchgängigen „Rund-um-die-Uhr-Dienst“. Beide Voraussetzungen seien nur in wenigen Zentren gegeben. Eine Kosten-Nutzen-Analyse läge ebenfalls nicht vor.

Dr. med. Susanne Krome, Melle

Kommentar aus der Praxis

Es handelt sich um die Analyse prospektiv-randomisierter Studien zur intraarteriellen Schlaganfallbehandlung der letzten 12 Jahre basierend auf der bescheidenen Zahl von 350 Patienten, die keine weitreichenden Schlussfolgerungen zulässt. Dies gilt umso mehr, als dass Studien aus dem vorderen (PROACT I und II, MELT) und den hinteren Kreislauf (AUST) gemeinsam analysiert wurden. Immerhin zeigt sich ein klinischer Nutzen, obwohl der Behandlungsbeginn teilweise deutlich später als in den Studien zur intravenösen Fibrinolyse lag, dem derzeitigen Goldstandard. Das Hauptproblem ist aber, dass zur Analyse ausschließlich Studien zur rein medikamentösen intraarteriellen Fibrinolysebehandlung vorlagen. Die tatsächliche Behandlungstechnik hat sich inzwischen klar in Richtung mechanische Rekanalisation entwickelt, d.h. zur Eröffnung des Verschlusses durch einen Stent oder ein anderes mechanisches Instrument. Die Wirksamkeit dieser Therapie konnte von den Autoren mangels geeigneter Studien nicht untersucht und beurteilt werden. Die Analyse wird für die täglichen Entscheidungen hinsichtlich der mechanischen Rekanalisation zwar hilfreich sein, wirklich übertragbar sind diese Ergebnisse aber nicht. Ich habe allerdings die begründete Hoffnung, dass es diesmal nicht 12 Jahre dauert, bis hinreichende Daten vorliegen.

Prof. Dr. med. Jens Fiehler, Klinik und Poliklinik für Neuroradiologische Diagnostik und Intervention, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

#

Originalarbeit

  • 1 OŽRourke K, Kelly P J. Percutaneous vascular interventions for acute ischaemic stroke.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2010, Issue 10 DOI: 10.1002/146651858.CD007574.pub2 www.thecochranelibrary.com
#

Originalarbeit

  • 1 OŽRourke K, Kelly P J. Percutaneous vascular interventions for acute ischaemic stroke.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2010, Issue 10 DOI: 10.1002/146651858.CD007574.pub2 www.thecochranelibrary.com