Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(39): 1941
DOI: 10.1055/s-0031-1286395
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Statine nach akutem Koronarsyndrom: Ist ein früher Einsatz sinnvoll?

Early treatment of statins after acute coronary syndrome?C. W. Hamm
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Publication Date:
22 September 2011 (online)

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Bei der Mehrzahl bisheriger Studien zur Sekundärprophylaxe nach einem akuten Koronarsyndrom wurde eine Statintherapie erst nach frühestens 3 Monaten begonnen. Allerdings wird diskutiert, dass sich Statine auch in der vulnerablen frühen Phase positiv auswirken. Vale und seine Kollegen bündelten daher in ihrem Cochrane Review die Ergebnisse bisheriger Studien zum frühen Statineinsatz bei akutem Koronarsyndrom.

Einleitung: Die frühe Phase nach dem Auftreten eines akuten Koronarsyndroms (ACS) ist ein kritisches Stadium der koronaren Herzkrankheit. Sie ist verbunden mit einem hohen Risiko wiederkehrender Ereignisse und einem hohen Sterberisiko aufgrund von Gefäßverschlüssen. Die Stabilisierung vulnerabler koronarer Plaques ist daher zu diesem Zeitpunkt eine vorrangige therapeutische Strategie. Statine können möglicherweise neben der Cholesterinsenkung die endotheliale Funktion der Arterien verbessern, die Plättchenaggregabilität und Thrombenbildung senken und die Entzündung im Gefäß reduzieren. Alle diese Mechanismen spielen eine wichtige Rolle bei einem ACS, sodass Statine eventuell einen additiven Effekt bei der frühen ACS-Therapie bieten können.

Studien: Das Review umfasst 18 klinische Studien, die insgesamt 14 303 erwachsene Patienten mit ACS einschlossen. Als Einschlusskriterien formulierten die Autoren, dass die Studien die Statine gegenüber Placebo oder auch gegenüber einer Standardmedikation verglichen. Außerdem musste die Statintherapie innerhalb von 14 Tagen nach dem Auftreten des ACS beginnen und die Nachbeobachtung über mindestens 30 Tage erfolgen. Primärer Endpunkt war das kombinierte „Outcome“ von nichttödlichem Myokardinfarkt, nichttödlichem Schlaganfall und Tod jeglicher Ursache. Die Beurteilung erfolgte jeweils einen Monat, 4 Monate und 12 Monate nach Auftreten des ACS, wobei in nur sehr wenigen Studien 12 Monate nachbeobachtet wurde.

Ergebnisse: Bezüglich des primären Endpunkts brachte die Statintherapie lediglich einen erkennbaren Trend zur Risikoreduktion, jedoch erreichte dieses Ergebnis zu keiner der drei Messzeitpunkte statistische Signifikanz. Ebenfalls ergab sich eine nicht signifikante Risikoreduktion bezüglich sekundärer Endpunkte wie beispielsweise Anzahl der Todesfälle, Anzahl sämtlicher Myokardinfarkte und Schlaganfälle oder Inzidenz einer akuten Herzinsuffizienz. Dagegen war das relative Risiko (RR) einer instabilen Angina pectoris bei den Patienten mit früher Statintherapie nach 4 Monaten signifikant niedriger (RR 0,76; 95 %-Konfidenzintervall 0,59–0,96).

Fazit und Diskussion

In-vitro-Studien ergaben, dass Statine eine rasche Proliferationshemmung der glatten Muskulatur und Stimulation der Re-Endothelialisierung bewirken können. Hierin vermuten die Autoren den Wirkmechanismus, der zur beobachteten Risikoreduktion einer instabilen Angina pectoris führt. Außerdem spekulieren die Wissenschaftler, dass eine frühe Statintherapie durchaus weitere positive Effekte habe. Diese seien jedoch erst nach mehr als 4 Monaten statistisch signifikant.

Dr. med. Bettina Rakowitz, Sachsen bei Ansbach

Kommentar aus der Praxis

Statine gehören zur Standardtherapie beim akuten Koronarsyndrom. In Leitlinien der kardiologischen Fachgesellschaften hat die frühe Gabe zur Senkung des LDL-Cholesterins auf < 70 mg/dl die höchste Empfehlungsstärke, da in zahlreichen Studien eine eindrucksvolle Verbesserung der Prognose mit vergleichsweise wenig Nebenwirkungen demonstriert werden konnte. Dieser günstige Effekt ist noch nicht in den ersten Wochen nach dem Akutereignis evident, wie die jüngste Cochrane Analyse bestätigt. In der Frühphase, d.h. im ersten Jahr, ist die Thrombozytenaktivierung die entscheidende pathophysiologische Komponente für Komplikationen. Deshalb sind Acetylsalicylsäure und P2Y12-Inhibitoren (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) hier unverzichtbar. Die Plaquestabilisierung durch Statine wirkt sich prognostisch erst später aus, sollte aber sofort begonnen werden. Die frühe Gabe mit dem langfristigen Ziel bleibt eine unverzichtbare Komponente der Therapie.

Prof. Dr. med. Christian W. Hamm, Herz- und Thoraxzentrum Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim

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Originalarbeit

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