Z Orthop Unfall 2011; 149(04): 372-373
DOI: 10.1055/s-0031-1286552
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Primäre OSG-Endoprothesenimplantation – Sind heterotope Ossifikationen ein relevantes Problem?

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Publication Date:
15 August 2011 (online)

 
 

Heterotope Ossifikationen stellen eine Komplikation nach Implantation von Endoprothesen am oberen Sprunggelenk dar. Im Gegensatz zur Endoprothetik am Sprunggelenk liegen für die Hüft- und Knieendoprothetik umfangreiche Daten vor. Umso interessanter erscheint die vorliegende Arbeit, in welcher Prävalenz, prädisponierende Faktoren und Auswirkungen heterotoper Ossifikationen auf das klinische Outcome untersucht wurden.
Heterotopic ossification after primary total ankle arthroplasty.
J Bone Joint Surg Am. 2011; 20; 93: 751–758.

Material und Methoden

Die Arbeitsgruppe untersuchte im Zeitraum von Januar 2005 bis Dezember 2007 retrospektiv die Ergebnisse von 80 Patienten nach primärer Implantation einer OSG-Prothese. In der Studiengruppe befanden sich 49 Männer und 31 Frauen mit einem mittleren Alter von 57 Jahren. Die Indikation zur endoprothetischen Versorgung wurde bei 45 Patienten aufgrund einer primären OSG-Arthrose gestellt, bei den übrigen 35 lag eine posttraumatische Arthrose vor. Der durchschnittliche Bewegungsumfang des OSG betrug 33°, der Nachuntersuchungszeitraum 31,9 ± 11,3 Monate. Alle Patienten erhielten eine zementfreie HINTEGRA-Prothese, welche über einen anterioren Längszugang implantiert wurde.

Nachbehandelt wurde mit anfänglicher Ruhigstellung und gestaffeltem Lastaufbau. Die Nachuntersuchung erfolgte nach 1, 3, 6 und 12 Monaten danach jährlich. Auf jede Art von Ossifikationsprophylaxe wurde verzichtet. Die Auswertung wurde an Röntgenaufnahmen des OSG in 2 Ebenen vorgenommen. Die Lage der Ossifikationen haben die Autoren in 4 Quadranten eingeteilt. In Anlehnung an die Brooker-Klassifikation sind diese Ossifikationen in 5 Grade eingeteilt worden. Prädisponierende Faktoren wurden anhand anamnestischer Daten, AOFAS-Score, Bewegungsumfang und OP-Zeit ausgewertet.

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Heterotope Ossifikationen gehen häufig mit Bewegungseinschränkungen einher, ohne das diese symptomatisch sein müssen. (Foto: Klaus Mellenthin/Thieme Verlagsgruppe)

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Ergebnisse

Insgesamt beobachtete man bei 20 Patienten (25 %) heterotope Ossifikationen, wobei hiervon 35 % gleichzeitig pm und pl, 25 % rein pm oder pl, 10 % am und pl und 10 % al und pm lagen. Die meisten Ossifikationen konnten nach dem 3. Monat nachgewiesen werden. Bei 20 % lagen Grad I-, bei 25 % Grad II-, bei 20 % Grad III- und bei 35 % Grad IV-Ossifikationen vor. Bei 9 der 20 Patienten lagen präoperativ schlechte Weichteilverhältnisse vor. Sieben dieser Patienten hatten höhergradige Ossifikationen (Grad III u. IV). Eine Spongiosaplastik erhielten 8 der 20 "positiven" Patienten.

Es konnte kein signifikanter Unterschied von Geschlecht, Alter, BMI, präoperativer Diagnose, Krankengeschichte des Sprunggelenks, präoperativem Bewegungsausmaß und AOFAS-Score zwischen beiden Gruppen festgestellt werden. Allerdings lagen bei der Ossifikationsgruppe längere OP-Zeiten vor (133,7 ± 12 vs. 113,9 ± 10,8 min). Im Rahmen der letzten Nachuntersuchung lag in der Ossifikationsgruppe ein Bewegungsausmaß von 32,4° ± 13,9° im Vergleich zur Gruppe ohne heterotope Ossifikation mit 39,5° ± 11,4° vor.

Der AOFAS-Score war 83,9 ± 9,9 vs. 91,3 ± 8,4, zudem fand man bei den Sprunggelenken mit heterotoper Ossifikation einen geringeren AOFAS-Score nach 6, 12 und 24 Monaten. Symptomatische heterotope Ossifikationen beobachtete man bei 8 Patienten (10 %). Darunter waren 7 Patienten mit posttraumatischer OSG-Arthrose (6 voroperiert). Nach 2 Jahren war das Bewegungsausmaß der symptomatischen Probanden 24,3° ± 12,5° vs. 37,1° ± 13,5° der asymptomatischen Probanden mit heterotopen Ossifikationen. Zwei der symptomatischen Patienten wurden revidiert.

Kommentar

Die Prävalenz heterotoper Ossifikationen nach der Implantation einer OSG-Prothese wird in der Literatur für verschiedene Implantate mit 4–82 % angegeben. In der vorliegenden Arbeit lag die Rate heterotoper Ossifikationen mit 25 % relativ hoch, wobei lediglich 8 dieser 20 Patienten (10 %) symptomatisch waren. Am häufigsten beobachtet man heterotope Ossifikationen im posterioren Abschnitt des Sprunggelenks, so auch in dieser Arbeit. Die Autoren stellten die Hypothese auf, dass eine Spongiosaplastik mit der Ausbildung heterotoper Ossifikationen in engem Zusammenhang steht, signifikante Daten liegen hierfür nicht vor. Zusammenhänge zwischen Geschlecht, Alter, Bewegungsausmaß etc. und der Ausbildung heterotoper Ossifikationen sowie Risikofaktoren wie OP-Technik, Weichteiltrauma, Knochenfragment im OP-Gebiet etc. konnten nicht bestätigt werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde lediglich ein signifikanter Zusammenhang zwischen OP-Dauer und dem Auftreten heterotoper Ossifikationen beobachtet. Die Autoren vermuten, dass dieser Zusammenhang durch ein größeres Weichteiltrauma mit vermehrter Blutung, Inflammation und Migration von Knochenmarkszellen einhergeht, welche die heterotope Ossifikation auslösen. Der Beleg für diese Hypothese ist bisher nicht erbracht.

Die von den Autoren entwickelte Klassifikation ist schlüssig und sinnvoll. Im Rahmen einiger in der Diskussion genannter Studien wurde ein hoher Anteil heterotoper Ossifikationen beobachtet, ohne dass die Patienten unter einer Funktionseinschränkung oder Schmerzen litten. Im Gegensatz zu diesen Beobachtungen fanden Valderrabano et al. bei 63 % ihrer Patienten bei heterotopen Ossifikation auch Funktionseinschränkungen, sodass diese Ergebnisse die Daten der vorliegenden Arbeit bestätigen. Auch das vermehrte Auftreten heterotoper Ossifikationen bei sekundären Arthrosen wird von Valderrabano et al. bestätigt. Die Autoren spekulieren, dass die hauptsächlich posteriore Lage der Ossifikationen aufgrund des Prothesendesigns zustande kommt.

Allerdings handelt es sich bei dieser Arbeit um eine retrospektive Erhebung eines einzelnen Standorts, und die sehr geringe Zahl symptomatischer Patienten mit heterotoper Ossifikation schmälert die statistische Aussagekraft. Zu bemängeln wäre die inhomogene Nachuntersuchungstechnik, ein Teil der Patienten erhielt eine CT-basierte Auswertung, der Rest lediglich Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen. Zudem war der Nachuntersuchungszeitraum recht kurz.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass heterotope Ossifikationen bei der Implantation von OSG-Prothesen ein relevantes Problem darstellen, und ihr Auftreten häufig mit Bewegungseinschränkungen einhergeht, ohne dass diese zwangsläufig symptomatisch sein müssen.

Dr. med. Sebastian Weihrauch

Dr. med. Sebastian Weihrauch
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock
Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
E-Mail:
sebastian.weihrauch@med.uni-rostock.de


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Heterotope Ossifikationen gehen häufig mit Bewegungseinschränkungen einher, ohne das diese symptomatisch sein müssen. (Foto: Klaus Mellenthin/Thieme Verlagsgruppe)