Z Orthop Unfall 2011; 149(04): 375
DOI: 10.1055/s-0031-1286554
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hüftgelenknahe Fraktur – Sozial benachteiligt – öfter verletzt?

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Publication Date:
15 August 2011 (online)

 
 

Diese Studie befasst sich mit dem Einfluss des sozioökonomischen Status der Patienten auf die Inzidenz, das Ergebnis und die Mortalität bei hüftgelenksnahen Frakturen.
J Bone Joint Surg Br 2011; 93B: 801–805

Einleitung

Der sozialökonomische Status ist nachweislich verbunden mit Morbidität und Mortalität. Die hüftgelenksnahe Fraktur bei älteren Menschen ist eine häufige Ursache für Pflegebedürftigkeit und die durchschnittliche Mortalität ist mit bis zu 33% nach einem Jahr sehr hoch.

Ein Einfluss des sozialökonomischen Status auf die Inzidenz, die Ergebnisse und die Mortalität ist bisher kontrovers diskutiert worden. Eine relative Verarmung der älteren Bevölkerungsanteile bei steigender Lebenserwartung ist jedenfalls Teil der politischen Diskussion. In jedem Fall ist bei steigendem Alter der Gesamtbevölkerung davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren die Verletzungen im hüftgelenksnahen Bereich weiter zunehmen werden. Eine Überprüfung des sozialökonomischen Einflusses erscheint wichtig, um hier evtl. weitere Einflussgrößen, die außerhalb der Akutklinikebene liegen, erfassen und ggf. das Ergebnis nach solchen Verletzungen durch entsprechende Interventionsstrategien verbessern zu können.


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Material und Methode

Der sozialökonomische Status konnte über den IMD 2007, eine regierungsinitiierte Messung der Deprivation in lokal begrenzten Gebieten, nachvollzogen werden.

Im Rahmen dieser Messung wurden 7 Kategorien (Mängel bei Einkommen und Gesundheitsfürsorge, Arbeitslosigkeit, Behinderungen, Mängel in der Ausbildung, Defizite im Wohnumfeld, Kriminalität) bewertet und die Menschen entsprechend kategorisiert. In der Stadt Nottigham wurden im Queen´s Medical Centre Patienten älter als 65 Jahre mit einer hüftgelenksnahen Fraktur erfasst. Da das Krankenhaus das einzige in Nottingham ist, das solche Frakturen versorgt, konnten damit zwischen Mai 1999 und Mai 2009 alle Frakturen erfasst werden.

Die IMD zur Einteilung des sozialökonomischen Status wurde aus einer Erfassung aus dem Jahr 2001 der Stadt Nottingham über die individuellen Postleitzahlen bestimmbar. Die Patienten wurden in 5 Gruppen von "sehr sozial" bis "kaum sozial benachteiligt" eingestuft. Der Be-obachtungszeitraum betrug 10 Jahre, Komorbiditäten, Dauer des Krankenhausaufenthalts, Frakturtyp und Mortalität wurden erfasst und statistisch ausgewertet.


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Ergebnisse

7511 Patienten mit einer hüftgelenksnahen Fraktur wurden im Zeitraum von Mai 1999 bis Mai 2009 erfasst. Davon wurden 1211 ausgeschlossen. Das mittlere Alter betrug insgesamt 82,8 Jahre.

Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Patientengruppen, die als am wenigsten und am meisten sozialökonomisch benachteiligt eingestuft wurden, fanden sich im Alter der Patienten bei Auftreten der Fraktur (83,1 Jahre in der wenig und 82 Jahre in der sehr sozial benachteiligten Gruppe), in der Inzidenz (35,3 / 10 000 in der wenig und 45,8 / 10 000 in der sehr benachteiligten Gruppe) und im Anstieg der Mortalität (beobachtet über einen Zeitraum von 7 Jahren postoperativ).

Es zeigten sich keine Unterschiede zum Krankenhausaufenthalt im Vergleich aller 5 Gruppen.

Bei steigender Lebenserwartung und zunehmender Alterung der Bevölkerung werden die hüftgelenksnahen Frakturen als eine für das "höhere Lebensalter" typische Verletzung an Bedeutung zunehmen.

Der Einfluss des sozialökonomischem Status auf Frakturinzidenz und Mortalität, wird in der Studie gut dargestellt, wenn auch in einem lokal begrenzten Umfeld.

Kommentar

Somit ist eine Allgemeingültigkeit sicherlich nicht ableitbar, was von den Autoren auch so kritisch dargestellt wird.Aufgrund der unterschiedlichen Einteilung des sozialökonomischen Status in anderen Studien ist eine Vergleichbarkeit bislang nicht gegeben.

Dennoch erscheinen die Datenmenge und der lange Nachuntersuchungszeitraum als eine solide Grundlage, um behaupten zu können, dass der sozialökonomische Status einen Einfluss auf das Ergebnis nach hüftgelenksnahen Frakturen hat.

Die erhöhte Frakturinzidenz und Mortalität und das deutlich frühere Auftreten der Verletzung bei sozialökonomisch benachteiligten Patienten unterstreichen den wichtigen Aspekt präventiver Maßnahmen in der Gruppe der sozial benachteiligten älteren Patienten. Die Studie bleibt leider aufgrund der umschriebenen Studienregion beschränkt, sodass weitere Untersuchungen die Allgemeingültigkeit und die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf deutsche Verhältnisse erst bestätigen müssen.

Dr. med. Patrick Haar

Dr. med. Patrick Haar
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock
Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
E-Mail:
petzi.petzold@web.de


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