Z Orthop Unfall 2011; 149(05): 501
DOI: 10.1055/s-0031-1291994
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Immobilisation der unteren Extremität – Tipp: das Auto in der Garage lassen

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Publication Date:
07 October 2011 (online)

 
 

Patienten mit immobilisierenden Schienen oder Verbänden der unteren Extremität suchen häufig bei ihren behandelnden Ärzten Rat bez. ihrer Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen. Die vorliegende Studie untersuchte die Effekte einer Limitierung der Gelenkbeweglichkeit von Knie, Sprunggelenk oder beider Gelenke des rechten Beines im Rahmen von Notfallbremstests im Fahrzeugsimulator.
Immobilisation of the knee and ankle and its impact on drivers braking times: A DRIVING SIMULATOR STUDY, J Bone and Joint Surg B 2011; 93B: 928–931

Patienten und Methoden

Es wurden insgesamt 23 gesunde Probanden, 14 Männer und 9 Frauen mit einem mittleren Alter von 33,2 Jahren (19–62) rekrutiert, welche mindestens ein Jahr Fahrpraxis vorweisen konnten. Die Datenerhebung erfolgte an einem Fahrzeugsimulator mit Lenkrad, Gas-, Brems-, Kupplungspedal und einem verstellbaren Autositz.

Gemessen wurden

  • Denkzeit: Zeit zwischen dem Bremsen des vorderen Fahrzeugs und dem Loslassen des Gaspedals

  • Bewegungszeit: Zeit zwischen dem Loslassen des Gaspedals und der Betätigung des Bremspedals

  • Bremszeit: Zeit zwischen Betätigung des Bremspedals und dem Erreichen der ausreichenden Bremskraft

Die Ergebnisse wurden zur "totalen Bremsreaktionszeit" zusammengefasst.

Die Beweglichkeit des rechten Beines wurde auf 7 Arten eingeschränkt: keine Einschränkung, DonJoy-Knieorthese limitiert auf 0 °–90 °, 0 °–60 °, 0 °–30 ° und 0 ° Bewegungsausmaß, Unter- und Oberschenkelcast.

Nach einer Einweisung wurden die Tests bei einer computersimulierten Geschwindigkeit von 30 mph mit 25 m Abstand zum vorderen Fahrzeug durchgeführt. Insgesamt wurden 2000 Versuche aufgezeichnet, von denen 1561 in die Studie aufgenommen werden konnten.


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Ergebnisse

Vor allem in der Denkzeit wurde eine signifikante Verlangsamung, insbesondere beim Oberschenkelcast und etwas geringer beim Unterschenkelcast und der 0 °-Fixierung, gefunden. Auch bei der Bewegungszeit war die Reaktion im Ober- und Unterschenkelcast sowie der mit 0 °fixierten Orthese signifikant verlängert. Die Bremszeit war v. a. mit dem Unterschenkelcast verlängert.

Zusammenfassend ließ sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem zunehmenden Grad der Immobilisierung und der Zunahme der totalen Bremsreaktionszeit nachweisen. Die Bremsstrecke wurde mit zunehmender Immobilisierung um 1,4–2,8 Meter verlängert.

Brigitte Schopp
Chirurgische Klinik der Universität
Rostock, Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
E-Mail:
BrigitteSchopp@web.de

Kommentar

Die Studie bestätigt eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit mit immobilisierenden Verbänden der unteren Extremität.

Für die Autoren überraschend war v. a. die Verlängerung der Denkzeit, was am ehesten mit dem größeren Aufwand, den eingeschränkt mobilen Fuß zu bewegen, zu erklären ist.

Da die Studie an gesunden Probanden durchgeführt wurde, muss man außerdem bedenken, dass verletzte Patienten gegebenenfalls unter Schmerzen leiden und ihre Reaktion auch durch Analgetika weiter eingeschränkt sein kann, was die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zusätzlich behindert.

Gemäß der Rechtslage in Deutschland gefährdet der, der ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht dazu in der Lage ist, den Straßenverkehr und kann dafür mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe belangt werden (§ 315c StGB). Auch der Versicherungsschutz ist unklar.

Im Hinblick auf diese Ergebnisse sollte die Empfehlung des behandelnden Arztes also grundsätzlich lauten, das eigene Fahrzeug bei immobilisierenden Verbänden oder Orthesen vorerst stehen zu lassen.

Brigitte Schopp

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Sicher ist sicher: Patienten mit immobilisierenden Verbänden sollten ihr Auto stehen lassen.(Bild: PhotoDisc)

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Sicher ist sicher: Patienten mit immobilisierenden Verbänden sollten ihr Auto stehen lassen.(Bild: PhotoDisc)