Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(45): 2292
DOI: 10.1055/s-0031-1292059
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schocktherapie: Welches Katecholamin ist das Beste?

Shock therapy: Which catecholamine is the best?K. Werdan
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Publication Date:
03 November 2011 (online)

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Bereits 2004 erstellte die Cochrane-Collaboration eine Metaanalyse zum Wirkvergleich verschiedener Vasopressoren im hypotensiven Schock. Nun erschien ein Update unter Berücksichtigung von 15 neuen Studien, die vor allem wichtige Aspekte zum Nebenwirkungsprofil aufweisen.

Einleitung: Bisherige Studien und die 2004 veröffentlichte Metaanalyse erbrachten keine eindeutige Überlegenheit eines Vasopressor gegenüber den anderen. Ein allgemeines Problem bei der Interpretation dieser Daten ist die Tatsache, dass keine einheitliche Definitionen für „Schock“ besteht. Zudem unterschieden sich die Patientengruppen mit ihrer jeweiligen Genese des Schocks wie auch die eingesetzten Substanzen in den Studien.

Studien: Von 1176 potenziell relevanten Veröffentlichungen erfüllten 23 die Einschlusskriterien der Cochrane-Autoren. Aufgenommen wurden randomisierte, kontrollierte Studien, welche unterschiedliche Vasopressoren (Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin, Terlipressin, Phenylephrin, Vasopressin) untereinander oder gegen Placebo bzw. in Monotherapie gegen eine Kombination mit Dobutamin/Dopexamin oder Placebo verglichen. Nur 7 dieser Studien waren multizentrisch. In den Studien wurden Patienten mit verschiedenen Formen von „Schock“ wie septischer Schock, perioperativer Schock etc. berücksichtigt. Zwei Studien wurden bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt*. 5 der untersuchten Studien umfassten insgesamt 82 % der Patienten (n=2658) aus der Gesamtanalyse mit jeweils min. 250 Patienten.

Ergebnisse: Die Daten von 3212 erwachsenen und pädiatrischen Intensivpatienten gingen in die Analyse ein, von denen 1629 starben. Das Risiko einer Verzerrung (Bias) in den berücksichtigen Studien war niedrig bis mässig. Am meisten lagen Daten für Noradrenalin vor. Erneut konnte für keinen der Vasopressoren eine eindeutige Überlegenheit in Bezug auf den primären Endpunkt Mortalität nachgewiesen werden. Die Mortalität unterschied sich nicht signifikant zwischen den Substanzen und Substanzkombinationen. Aufgrund der Vielzahl an Vergleichen war die Power jedoch teilweise gering; diese verhinderte auch Subgruppen-Analysen zur Untersuchung von Ursachen der Heterogenität. Angaben zur Lebensqualität, Ängsten und Depressionen enthielten die Untersuchungen nicht. Als besonders relevant eingestuft wurden die gepoolten Ergebnisse des Vergleichs von Dopamin und Noradrenalin in 2 Studien mit insgesamt > 1900 Patienten. Bei Dopamin-behandelten Patienten traten signifikant öfter Rhythmusstörungen auf (Relatives Risiko für Noradrenalin 0,43; 95 %–Konfidenzintervall 0,26–0,69).

Fazit der Cochrane-Autoren

Die aktualisierte Cochrane-Analyse ergab keine signifikanten Vorteile eines bestimmten Vasopressors oder einer bestimmten Kombination von Vasopressoren. Die Evidenzlage lässt nach Ansicht der Autoren auch 2011 keine Entscheidung für oder gegen eines der Medikamente zu. Sie postulieren, dass für den Verlauf offenbar der vasoaktive Effekt per se und weniger die spezielle Substanz entscheidend sei. Besonderes Augenmerk sollte auf die Ergebnisse zur Häufung von Arrhythmien mit Dopamin gelegt werden, das beim septischen und kardiogenen Schock bevorzugt eingesetzt wird.

Dr. med. Susanne Krome, Melle

* Studien bei Frühgeborenen wurden ausgeschlossen, weil hierzu ein separates Cochrane-Review bereits verfasst wurde. (Subhedar NV, Shaw NJ. Dopamine versus dobutamine for hypotensive preterm infants. Cochrane Database of Systematic Reviews 2003, Issue 3. DOI: 10.1002/14651858.CD001242)

Kommentar aus der Praxis

Jeder Erkenntniszuwachs an Evidenz-basierten Studiendaten ist zu begrüßen! Insofern sind wir Intensivmediziner den Autoren dieser Cochrane-Metaanalyse dankbar. Metaanalysen können allerdings nur so gut sein, wie es die Qualität der eingeschlossenen Studien zulässt. Das Überleben von Schockpatienten hängt von vielen Faktoren ab, sodass es sehr schwer ist, den Nutzen einer einzelnen Medikamentengruppe im Hinblick auf eine Letalitätssenkung in Studien nachzuweisen. Im hypotensiven Schock dürfen wir demzufolge von den Katecholaminen als Substanzklasse und noch weniger von einem spezifischen Katecholamin auch keine Wunder erwarten, das hat sich auch hier gezeigt. Dieses Ergebnis darf allerdings nicht zur Ratlosigkeit und zum „Katecholamin-Nihilismus“ bei der Behandlung des hypotensiven Schocks führen, das wäre fehl am Platze! Wir können mit der Behandlung unserer Schockpatienten auf der Intensivstation nicht so lange warten, bis wir klarere Studienaussagen haben. Wir brauchen jetzt schon ein vernünftiges, auf der Gesamtevidenz beruhendes Behandlungskonzept, und das finden wir in den aktuellen Leitlinien zum septischen (Anästhesist 2010; 59: 347–370) und zum kardiogenen Schock (Kardiologe 2011; 5: 166–224). Diese Leitlinien sagen uns: bei septischem und infarktbedingtem kardiogenen Schock sollte Dobutamin als Inotropikum der Wahl und Noradrenalin, und nicht Dopamin als Vasopressor, eingesetzt werden; bei nicht ausreichender Wirkung kann Adrenalin zusätzlich versucht werden. Im katecholaminrefraktären infarktbedingten kardiogenen Schock können zusätzlich Levosimendan (in Dtl. für diese Indikation aber nicht zugelassen) oder Phosphodiesterase(PDE)-III-Hemmer wie Enoximon oder Milrinon eingesetzt werden, wobei Levosimendan den PDE-III-Hemmern vorgezogen werden sollte. An diese Empfehlungen können wir uns auch nach der Veröffentlichung dieser Analyse weiterhin halten.

Prof. Dr. med. Karl Werdan Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Halle (Salle)

Interessenkonflikte: Der Autor hat finanzielle Mittel als Beirat oder für Vorträge, klinische Studien, Forschung von Abbott, Arrows, Baxter, Bayer, Biogen, Biotest, Boston Scientific, Datascope, Maquet, MSD, Novartis, Roche, Servier erhalten.

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Originalarbeit

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