Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(45): 2293
DOI: 10.1055/s-0031-1292060
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Onkologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Adulte Non-Hodgkin Lymphome: Hat die Hochdosis-Chemotherapie zu einer verbesserten Prognose geführt?

Adult non-hodgkin lymphoma: Has high-dose chemotherapy improved the prognosis?W. Hiddemann
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Publication Date:
03 November 2011 (online)

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Nach langem Stillstand bei der Behandlung hochmaligner Lymphome lagen große Hoffnungen auf der Hochdosis-Chemotherapie (HDC) mit folgender autologer Stammzelltransplantation (ASCT). Ein jetzt aktualisiertes Cochrane-Review aus 2008, das die HDC der Standard-Chemotherapie in der Erstlinientherapie gegenüber stellte, konnte keine neuen Studien identifizieren.

Einleitung: Seit Einführung von CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison) im Jahr 1976 konnte die Prognose aggressiver, adulter Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) nicht wesentlich verbessert werden. Eine HDC, die auf einer intensiven sequenziellen und/oder kombinierten zytostatischen Therapie ggf. mit Bestrahlung beruht, schien eine vielversprechende Behandlungsoption zu sein. Im Anschluss an eine HDC ist eine ASCT aufgrund der irreversiblen Knochenmarkschädigung erforderlich, bei der dem Patienten eigene, in Remission peripher entnommene Stammzellen reinfundiert werden. Das Abstoßungsrisiko ist so minimiert. Dennoch birgt eine ASCT ein höheres Komplikationspotenzial sowohl durch die Toxizität der hohen Medikamentendosen als auch durch die verlängerte Panzytopeniephase (Infektionsanfälligkeit).

Studien: Die aktuelle Literatursuche erbrachte 1280 relevante Zitate. Keines erfüllte jedoch die Analyse-Einschlusskriterien. Von vier aktuell laufenden Studien, konnten von einer Studie Daten berücksichtigt werden. Insgesamt wurden 15 randomisierte kontrollierte Studien mit 3079 Patienten, die HDC/ASCT in der Erstlinientherapie mit der Standardchemotherapie bei hochmalignen, adulten NHL verglichen, in das Review aufgenommen. 12 davon waren multizentrisch, 5 schlossen < 100 Patienten ein. Die Patienten wurden teils prospektiv, teils retrospektiv anhand des IPI-Scores (International Prognostic Index) nach Alter, Allgemeinzustand, Stadium und Laktatdehydrogenase-Wert in 4 Risikogruppen eingeteilt. Das mediane Alter lag in 12 Studien, die hierzu Angaben machten, bei 27–48 Jahren.

Ergebnisse: Die therapieassoziierte Mortalität betrug für die HDC/ASCT insgesamt 6,0 %, wobei sie sich in den Studien sehr unterschied (0–32 %). Ein signifikanter Unterschied zur Standardtherapie bestand nicht (Odds Ratio [OR] 1,33; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,91–1,93; p=0,14). Ein Vergleich der Remissionsraten basierend auf 13 Studien (n=2018) erbrachte eine signifikant höhere Rate an kompletten Remissionen mit HDC/ASCT (OR 1,32; 95 %–KI 1,09-1,59; p=0,004), allerdings unterschied sich das Gesamtüberleben nicht signifikant (Hazard Ratio [HR] 1,04; 95 %–KI 0,91–1,18; p=0,58). Die Stabilität der Ergebnisse konnte in verschiedenen Sensitivitätsanalysen bestätigt werden. Auch Subgruppenanalysen basierend auf der Prognose nach IPI zeigten keinen signifikanten Vorteil einer HDC („low“ und „low-intermediate risk“: HR 1,41; 95 %-KI 0,95–2,10; p=0,09; „high-intermediate“ und „high risk“: HR 0,97; 95 %–KI 0,83–1,13; p=0,71).

Fazit der Cochrane-Autoren

Die aktualisierte Cochrane-Analyse ergab keine neue Schlussfolgerung: Die Behandlung aggressiver adulter Non-Hodgkin Lymphome mit HDC/ASCT als Erstlinientherapie ist der Standardchemotherapie nicht überlegen. Auch wenn sich keine Unterschiede hinsichtlich der Überlebensdaten ergaben, erachten Greb et al. die Berücksichtigung des IPI-Status für bedeutsam. Patienten mit niedrigem IPI-Score scheinen den geringsten Nutzen bzw. größten Schaden zu haben und profitierten wahrscheinlich mehr von einer kombinierten Immunchemotherapie mit Rituximab. Die HDC/ASCT bleibe bei den besonders aggressiven NHL eine Therapieoption, die im Rahmen von großen Studien erfolgen sollte.

Dr. med. Susanne Krome, Melle

Kommentar aus der Praxis

Nach jahrzehntelangem Stillstand ist es in den vergangenen ca. fünf Jahren zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose bei aggressiven malignen Lymphomen, insbesondere diffus groß-zelligen B-Zell-Lymphomen, gekommen. Zu dieser positiven Entwicklung haben zwei Elemente wesentlich beigetragen: die Einführung des monoklonalen CD20-Antikörpers Rituximab und seine Kombination mit der konventionellen CHOP-Chemotherapie sowie die Verkürzung des Intervalls zwischen den Therapiezyklen. Darüber hinaus ist es möglich geworden, prognostische Subgruppen genauer zu charakterisieren. Trotz einer Erhöhung der Remissionsraten und insbesondere einer Verlängerung der Überlebenszeit, sind die Therapieergebnisse bei einem Teil der Patienten mit ungünstigen Prognosefaktoren nach wie vor unbefriedigend. Für diese Patienten wurde versucht, die Primärtherapie durch eine HDC mit nachfolgender ASCT zu intensivieren und zu verbessern. Die jetzt vorliegende Cochrane-Analyse kommt bedauerlicherweise zu einem eindeutig negativen Ergebnis. Obwohl die Mehrzahl der 15 ausgewerteten Studien eine höhere Rate kompletter Remissionen erkennen lässt, ist kein positiver Einfluss auf das Gesamtüberleben zwischen konventionell und intensiv behandelten Patienten erkennbar. Der Ansatz, die ungünstige Prognose einer Subgruppe von Patienten mit aggressiven B-Zell-Lymphomen durch die HDC/ASCT zu verbessern, muss daher als nicht erfolgreich angesehen werden. Diese Ergebnisse sind insofern von hoher Bedeutung, als dass sie entsprechende Patienten vor den Toxizitäten der intensiven HDC/ASCT schützen. Anderseits lassen sie eine gewisse Ratlosigkeit zurück, da sich dieser Ansatz als nicht wirksam erwiesen hat. Es ist daher eine Herausforderung für zukünftige therapeutische Ansätze neue Wege zur Überwindung der relativen Chemotherapie-Resistenz zu erkunden.

Prof. Dr. med. Wolfgang Hiddemann, Klinikum der Universität München-Großhadern

Interessenkonflikte: Der Autor ist Mitglied im International Advisory Board und hat finanzielle Verbindungen zu Roche (Rituximab, klinische Studien).

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Originalarbeit

  • 1 Greb A. et al .High-dose chemotherapy with autologous stem cell transplantation in the first line treatment of aggressive Non-Hodgkin Lymphoma (NHL) in adults.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2011, Issue 5 www.thecochranelibrary.com
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Originalarbeit

  • 1 Greb A. et al .High-dose chemotherapy with autologous stem cell transplantation in the first line treatment of aggressive Non-Hodgkin Lymphoma (NHL) in adults.  Cochrane Database of Systematic Reviews. 2011, Issue 5 www.thecochranelibrary.com