Z Orthop Unfall 2011; 149(06): 620
DOI: 10.1055/s-0031-1299617
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Distale Radiusfrakturen – Wie viel hilft Physiotherapie?

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Publication Date:
20 December 2011 (online)

 
 

Der Effekt der physiotherapeutischen Nachbehandlung nach operativer Versorgung distaler Radiusfrakturen ist umstritten. Diesbezüglich sind bereits mehrere Studien durchgeführt worden, die unterschiedliche Ergebnisse erbrachten. Was die Physiotherapie bringt, sollte diese Studien zeigen.
A Prospective Randomized Controlled Trial Comparing Occupational Therapy with Independent Exercises After Volar Plate Fixation of a Fracture of the Distal Part of the Radius J Bone Joint Surg Am. 2011; 93: 1761–1766

Einleitung

Verschiedene Studien brachten unterschiedliche Ergebnisse. In einer Studie fand sich nach palmarer Plattenosteosynthese ein Benefit nach Standardphysiotherapie 6 Wochen postoperativ, aber nicht zu einem späteren Zeitpunkt. In 3 Studien mit konservativ behandelten Frakturen waren keine Unterschiede auffällig.

Es sollte nun die Hypothese geprüft werden, dass kein Unterschied im Bewegungsumfang des Handgelenks bei Extension/Flexion nach offener Reposition und palmarer Plattenosteosynthese bei physiotherapeutischer Nachbehandlung bzw. eigenständiger Beübung besteht.


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Material und Methoden

Es wurden 94 Patienten, die mit einer palmaren Plattenosteosynthese nach distaler Radiusfraktur versorgt wurden, in eine prospektiv randomisierte Studie eingeschlossen. Bei einer Gruppe erfolgte die Nachbehandlung unter Aufsicht eines Ergotherapeuten, die andere Gruppe führte nach Anleitung durch den Operateur die Beübung eigenständig durch.

Nach 3 und 6 Monaten wurden die Handgelenksbeweglichkeit, die Handkraft sowie der DASH-Score, der Score nach Gartland and Werley sowie der Mayo wrist-Score bestimmt.


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Ergebnisse

Drei Monate postoperativ zeigten sich signifikant bessere Ergebnisse bei der Handkraft und dem Gartland and Werley-Score nach eigenständiger Beübung. Nach 6 Monaten waren die Extension, Ulnarabduktion, Supination, Handkraft und der Mayo wrist-Score wiederum in der Gruppe ohne ergotherapeutische Anleitung signifikant höher. Hinsichtlich des DASH-Scores bestand zu beiden Zeitpunkten kein Unterschied zwischen beiden Gruppen.

Kommentar

Die physiotherapeutische Beübung besitzt allgemein einen hohen Stellenwert in der Nachbehandlung operativ versorgter Frakturen und Verletzungen. Hinsichtlich Umfang und Dauer der Physiotherapie sind die Meinungen z. T. sehr unterschiedlich. Nicht zuletzt spielt auch der Kostenfaktor eine wichtige Rolle.

Da distale Radiusfrakturen zu den häufigsten Frakturen des Menschen zählen, ist die hier vorgestellte prospektiv randomisierte Studie durchaus klinisch relevant. Es wurden 46 Patienten durch Ergotherapeuten nachbehandelt, 48 Patienten übten eigenständig nach Unterweisung durch den Chirurgen. Nach 3 und 6 Monaten erfolgten Nachuntersuchungen, wobei sich signifikant bessere Ergebnisse der Patienten mit eigenständigen Übungen zeigten.

Auf den ersten Blick betrachtet, verblüffen diese Ergebnisse und stellen die bisherigen Nachbehandlungsschemata infrage. Jedoch wird die Aussagekraft der Studie durch die Autoren selbst kritisch gesehen. Zum einen lag die Nachtuntersuchungsquote bei nur 81%, d. h., es konnten insgesamt nur 78 Patienten im Verlauf beurteilt werden. Zum anderen lag hinsichtlich der Komplikationen einschließlich Folgeoperationen ein Ungleichgewicht zwischen den Gruppen vor. Vergleicht man die einzelnen Bewegungsumfänge und die Handkraft als Prozentwert der gesunden Gegenseite, stellen sich die Unterschiede beider Gruppen trotz Signifikanz, z. T. als nur sehr gering dar.

Zusammengefasst zeigt diese Studie, dass sowohl mit krankengymnastischer Nachbehandlung als auch eigenständiger Beübung nach operativer Versorgung distaler Radiusfrakturen mittels palmarer Plattenosteosynthese ein gutes funktionelles Ergebnis nach 3 bzw. 6 Monaten erreicht werden kann. Nichtsdestotrotz stellt die Physiotherapie einen wichtigen Bestandteil in der postoperativen Nachbehandlung dar. Die Dauer und der Umfang sind individuell festzulegen und die Patienten zusätzlich zum eigenständigen Üben zu motivieren. Je nach Compliance und Alter sowie Verständnis der Patienten ist die Intensität der Betreuung variabel. Interessant wäre die Überprüfung der Hypothese der vorgestellten Studie an einer größeren Patientenanzahl und unterteilt nach Alter, Hilfsbedürftigkeit der Patienten und die Nachuntersuchung in der frühen postoperativen Phase (6 – 8 Wochen postoperativ).

Dr. med. Martina Wendt

Dr. med. Martina Wendt
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock,
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
E-Mail:
Martina.Wendt@med.uni-rostock.de


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