Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(01/02): 14
DOI: 10.1055/s-0032-1301771
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Senkung des kardiovaskulären Risikos durch Kochsalzrestriktion?

Does sodium restriction reduce cardiovascular risk?
D. Klaus
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Korrespondenz

Prof. Dr. med. Dieter Klaus
ehem. Vorsitzender der Hochdruckliga, Stuttgart

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Publication Date:
10 January 2012 (online)

 

    Bisherige Studien konnten nicht eindeutig nachweisen, ob sich durch eine diätetische Kochsalzrestriktion das kardiovaskuläre Risiko und die damit verbundene Mortalität senken lässt. R.S. Taylor et al. gingen dieser Frage nun in einer Metaanalyse nach.


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    Einleitung: Derzeit wird generell empfohlen, den Kochsalzkonsum in etwa zu halbieren, also von rund 10 g auf 5 g pro Tag. So soll das kardiovaskuläre Risiko vor allem durch einen niedrigeren Blutdruck als Effekt der salzarmen Kost sinken*. Ob sich die Kochsalzrestriktion jedoch tatsächlich langfristig positiv auf kardiovaskuläre Ereignisse und die Mortalität auswirkt, ist bisher nicht eindeutig gezeigt.

    Studien: Die Autoren schlossen in die Analyse randomisierte, kontrollierte Studien mit einer Interventionsdauer von mindestens 6 Monaten und einer nachfolgenden Beobachtungszeit von mind. 3 Monaten ein. Die Studienteilnehmer mussten älter als 18 Jahre sein, und die Studienintervention bestand aus einer Kochsalzrestriktion oder dem Rat zu einem reduzierten Kochsalzkonsum. Studien an denen Schwangere teilnahmen wurden ausgeschlossen. In der Kontrollgruppe konnte die Ernährung normal sein oder aus einer Kontroll- bzw. Placebodiät sowie keiner Intervention bestehen. Primäre Endpunkte waren Gesamtund kardiovaskuläre Mortalität sowie kardiovaskuläre Morbidität (z.B. Myokardinfarkt, Schlaganfall, Angina pectoris, Revaskularisation, periphere vaskuläre Ereignisse). Zudem wurden in jeder Studie die Blutdruckwerte der Teilnehmer erfasst.

    Ergebnisse: Von 44 potenziell relevanten Publikationen erfüllten 7 Studien mit insgesamt 6489 Teilnehmern die Einschlusskriterien für die Analyse: 3 Studien mit 3518 normotensiven Teilnehmern, 2 Studien mit 758 hypertensiven Teilnehmern, 1 Studie aus einer gemischten Population (normound hypertensiv) von 1981 Teilnehmern und 1 Studie mit 232 Patienten mit Herzinsuffizienz. Die Nachbeobachtungszeit variierte von 6 Monaten bis zu 12,7 Jahren. Sowohl bei normo- als auch bei hypertensiven Patienten fand sich unter Kochsalzrestriktion gegenüber der Kontrollgruppe eine geringe Reduktion der Gesamtmortalität, die aber – auch nicht den zu einem späteren Zeitpunkt nach Studienende erhobenen Daten zufolge – signifikant war (relatives Risiko [RR] 0,67; 95 %–Konfidenzintervall [KI] 0,40–1,12; 60 Verstorbene bzw. RR 0,97; 95 %–KI 0,83–1,13; 513 Verstorbene). Bei der einzigen Studie bei Patienten mit Herzinsuffizienz zeigte sich unter Kochsalzrestriktion insgesamt eine Zunahme an Todesfällen (RR 2,59; 95 %–KI 1,04–6,44; 21 Verstorbene). Bezüglich der kardiovaskulären Morbidität fand sich ebenso kein signifikanter Effekt durch die Kochsalzrestriktion, weder bei normotensiven (RR 0,71; 95 %–KI 0,42–1,20; 200 Ereignisse) noch bei hypertensiven Patienten (RR 0,84; 95 %–KI 0,57– 1,24; 93 Ereignisse). Die systolischen Blutdruckwerte sanken in allen Interventionsgruppen (normotensiv: ∅ -1mm Hg, hypertensiv und bei Herzinsuffizienz: ∅ -2 bis -4 mmHg), die diastolischen Werte jedoch nur bei normotensiven Teilnehmern. Untersuchungen zur Lebensqualität enthielt keine der Studien. Das Risiko für Datenverzerrung (Bias) war insgesamt gering.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Obwohl für diese Analyse mehr Daten als in bisher durchgeführten systematischen Reviews zur Verfügung standen, ließ sich kein statistisch signifikant positiver Effekt einer Kochsalzrestriktion auf die kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität sowie Gesamt-Mortalität bei normobzw. hypertensiven Patienten nachweisen. Weitere randomisierte Studien sollten zudem die Frage klären, ob für Patienten mit einer Herzinsuffizienz eine Kochsalzrestriktion nicht sogar schädlich sei, so die Autoren.

    * Hooper L, Bartlett C, Davey Smith G, Ebrahim S. Advice to reduce dietary salt for prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2004, Issue 1. DOI: 10.1002/14651858.CD003656.pub2

    Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen

    Originalarbeit: Taylor RS, Ashton KE, Moxham T, Hooper L, Ebrahim S. Reduced dietary salt for the prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 7. DOI: 10.1002/14651858.CD009217 http://www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Die Cochrane-Metaanalyse von Hooper et al. (2004) bestätigte bereits, dass eine Kochsalzbeschränkung zu einer Reduktion des systolischen und (bei Normotensiven) des diastolischen Blutdrucks führt, bei Hypertensiven stärker als bei Normotensiven. Dass in der vorliegenden Metaanalyse die kardiovaskuläre Morbidität durch Kochsalzreduktion nicht signifikant gesenkt wurde, ist darauf zurückzuführen, dass 5 der 7 ausgewerteten Studien nur 6Monate bis 3 Jahre dauerten. In der TOHP-I/II-Studie (BMJ 2007: 334: 885–892) begann eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse in der Interventionsgruppe nach 8 Jahren und wurde erst nach 10 bzw. 12 Jahren mit 25 % gegenüber der Kontrollgruppe signifikant. Eine weitere Einschränkung ist, dass in den eingeschlossenen Studien eine nur geringe Reduktion der Kochsalzzufuhr von 1–2,3 g erreicht wurde und dass in der TONE-Studie (Arch Intern Med 2001 161: 685-693) Hypertoniker eingeschlossen wurden, deren Antihypertensiva-Dosis während der Studie reduziert wurde; ein Befund, der den Effekt einer Kochsalzbeschränkung unterstreicht. Ungeklärt bleibt, warum in einer kleinen Studie bei 232 Patienten mit Herzinsuffizienz, deren Aufnahme in diese Metaanalyse zweifelhaft ist, eine Kochsalzreduktion bei Herzinsuffizienz mit einer erhöhten Gesamt-Mortalität assoziiert war.

    Bei Hypertonie gilt weiterhin die dringende Empfehlung, die Kochsalzzufuhr zu reduzieren, um damit eine (zusätzliche) Blutdrucksenkung zu erzielen. Dadurch kann zudem, auch bei „salzresistenten“ Patienten, die Dosis der Antihypertensiva (ACE-Hemmer, Sartane) vermindert und/ oder ihre Wirkung verstärkt werden. Auch nach Ansicht von Taylor et al. ist eine Blutdrucksenkung durch Kochsalzrestriktion bei Patienten mit Hypertension und auch bei Normotensiven nützlich. Die WHO empfiehlt dabei eine Tagesmenge von 5 g. Eine Kochsalzreduktion in der Allgemeinbevölkerung ist jedoch nur durch eine Verminderung des Kochsalzgehaltes in den industriell bearbeiteten Lebensmitteln, mit denen wir 80 % des Kochsalzes zu uns nehmen, erreichbar.

    Prof. Dr. med. Dieter Klaus, ehem. Vorsitzender der Hochdruckliga, Stuttgart


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    Prof. Dr. med. Dieter Klaus
    ehem. Vorsitzender der Hochdruckliga, Stuttgart