Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(01/02): 15
DOI: 10.1055/s-0032-1301772
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Können Sportprogramme Mortalität und Morbidität bei koronarer Herzkrankheit vermindern?

Do sport programmes lower mortality and morbidity in patients with coronary heart disease?
K. Völker
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Korrespondenz

Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Völker
Institut für Sportmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster

Publication History

Publication Date:
10 January 2012 (online)

 

    Als kardiale Rehabilitationsprogramme werden Interventionen bezeichnet, die auf Ansätzen, wie Förderung der körperlichen Aktivität, Aufklärung und Schulung zu Risikofaktoren und möglichen Verhaltensänderungen sowie Vermittlung von psychologischer Unterstützung basieren. In internationalen klinischen Leitlinien wird das Trainieren der körperlichen Fitness als zentrales Element der kardialen Rehabilitation gesehen. Ein aktualisiertes Cochrane- Review, ein Update zu 2001, untersuchte nun hierzu die aktuelle Datenlage.


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    Einleitung: Schon lange sind die günstigen Effekte körperlicher Betätigung auf das Herz und die Koronargefäße bekannt. Unter anderem wurden Wirkungen auf den myokardialen Sauerstoffbedarf, die Endothelfunktion, den vegetativen Tonus, die Blutgerinnung, auf Entzündungsmarker und die Entwicklung von koronaren Kollateralen festgestellt. Das im Jahr 2001 veröffentlichte Cochrane-Review hatte bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit, die an Sportprogrammen teilnahmen, eine niedrigere Gesamt-Mortalität, eine Verminderung von kardialen Todesfällen und Myokardinfarkten, eine Verbesserung von Lipidprofilen sowie eine Absenkung des arteriellen Blutdrucks gezeigt. In dem aktualisierten Review wurden nun neuere Daten eingeschlossen und analysiert.

    Studien: Die Aktualisierung erbrachte 17 neue randomisierte Studien additiv zu 30 Studien aus dem ersten Cochrane-Review. Daten von nun insgesamt 10794 Patienten mit Myokardinfarkt, aortokoronaren Bypassoperation oder koronaren Stent-Intervention wurden ausgewertet. Die Dauer der Intervention betrug im Mittel 3 Monate, der Nachbeobachtungszeitraum 24 Monate. In 64 % der Studien wurden nur Patienten nach akutem Myokardinfarkt eingeschlossen, in den übrigen Studien waren zusätzlich oder teilweise ausschließlich Patienten nach perkutaner oder operativer Revaskularisation vertreten. Insgesamt betrug der Anteil an Frauen nur 20 %. Das Alter der Patienten lag zwischen 46 und 84 Jahren, überwiegend waren es jedoch Patienten mittleren Alters.

    Ergebnisse: Studien mit mindestens einer Follow-Up-Dauer von 12 Monaten zeigten bei Patienten, die ein Sportprogramm absolvierten, eine statistisch signifikante Reduktion der Mortalität aus kardialer Ursache und der Gesamt-Mortalität (relatives Risiko [RR] 0,74; 95 %–Konfidenzintervall [KI] 0,63–0,87 bzw. RR 0,87; 95 %–KI 0,75– 0,99). Zudem konnte eine Verminderung der Hospitalisierungsrate bei Interventionen kürzer 12 Monate gezeigt werden (RR 0,69; 95 %–KI 0,51– 0,93). Keine statistisch signifikanten Unterschiede ergaben sich hinsichtlich der Rate erneuter kardialer Ereignisse bzw. der Notwendigkeit von erneuten Revaskularisationsbehandlungen. In 10 Studien wurde die gesundheitsbezogene Lebensqualität als Parameter einbezogen, von denen 7 Studien eine signifikant bessere Lebensqualität durch die körperliche Aktivität aufwiesen. Wegen der Heterogenität der Messinstrumente wurde jedoch hierzu keine Metaanalyse erstellt. In nur einer Studie wurde die Kosteneffektivität eines sportlichen Rehabilitationsprogramms ausgewertet, die einen ökonomischen Vorteil des Sportprogramms zeigte.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Auf Sportprogrammen basierende kardiale Rehabilitationsprogramme sollten insbesondere Männern im mittleren Alter mit geringer Komorbidität nach einem erlittenen Myokardinfarkt bzw. nach einer koronaren Revaskularisation empfohlen werden, wobei dieses langfristig erfolgen sollte. Die Autorengruppe plädiert weitere randomisierte Studien durchzuführen, um auch Aussagen für weibliche sowie ältere, komorbide Patienten treffen zu können. Insbesondere sollten zudem aussagekräftige Analysen zur Lebensqualität und Kosteneffektivität erbracht werden.

    Dr. Katharina Franke, Darmstadt

    Originalarbeit: Heran BS et al. Exercise-based cardiac rehabilitation for coronary heart disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 7 DOI:10.1002/14651858.CD001800.pub2 http://www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Bewegung und Sport sind wichtige Elemente der Rehabilitation nach Herzinfarkt. Dies ist im Bewusstsein und Handeln in der ärztlichen Praxis verankert. Die bekannten positiven Effekte auf die Mortalität- und Rehospitalisierungsrate wurden erneut in vergleichbarer Dimension (Reduktion des relativen Risikos 25–30 %) durch ein aktualisiertes Cochrane-Review bestätigt und sollten Anlass sein, die Empfehlung zu körperlicher Aktivierung wieder stärker zu forcieren. Dass dieser Effekt hier überwiegend für Männer mittleren Lebensalters nachweisbar war, liegt einerseits in dem früheren Zeitabschnitt, in dem Männer einen Herzinfarkt erleiden, andererseits darin, dass in diesem Zeitabschnitt den Männern der Zugang zu Sport noch leichter möglich ist. Zu fordern wären nicht nur mehr Studien mit Frauen, sondern vor allem Studien zur Kosteneffektivität. Der absehbare positive Ausgang derartiger Analysen würde dem Interventionsansatz Rehabilitation durch Bewegung und Sport noch mehr Nachdruck verleihen.

    Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Völker, Institut für Sportmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster


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    Korrespondenz

    Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Völker
    Institut für Sportmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster