Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(16): 827
DOI: 10.1055/s-0032-1301858
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Gesundheitsökonomie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

COPD: Besser leben mit Telemedizin?

COPD: Living better with telehealthcare?
K.-H. Rühle
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Korrespondenz

Prof. Dr. med. Karl-Heinz Rühle
Klinik für Pneumologie Helios-Klinik Ambrock, Hagen

Publication History

Publication Date:
11 April 2012 (online)

 

    2010 waren die Ergebnisse eines Cochrane-Reviews zum Stellenwert der Telemedizin bei Asthma eher enttäuschend. Jetzt stellte die Studiengruppe Arbeiten über die mediale Versorgungsform bei COPD zusammen und prüfte deren Auswirkungen auf Notfallereignisse und Lebensqualität.


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    Einleitung: Die Information, Betreuung und Steuerung der Patientenversorgung mit Hilfe elektronischer Medien wird unterschiedlich beurteilt. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz konnte eine Verbesserung der Lebensqualität gezeigt werden, was bei Patienten mit Asthma nicht der Fall war. Den hohen Anschaffungskosten stehen Einsparungen durch weniger Krankenhauseinweisungen gegenüber. Die große Gruppe der Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) könnte möglicherweise von der Telemedizin profitieren.

    Studien: Zehn Studien (12 Artikel) mit insgesamt 1004 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien der Cochrane-Analyse. Der Kontakt mit den Patienten erfolgte über Telefon, Internet oder Videokonferenz. Es bestand ein regelmäßiger Austausch zwischen Patienten, Krankenschwestern und Ärzten. Die Kranken hatten für Exazerbationen zudem vorbereitete Rezepte zu Hause.

    Ergebnisse: Die durchschnittlichen Exazerbationsraten pro Monat waren bei Vitacca et al. geringer (0,23 ± 0,38 vs. 0,78 ± 0,77; p< 0,0001). Eine weitere Studie verglich die absoluten Häufigkeiten über 12 Monate. Daraus ergab sich ein geringer signifikanter Vorteil durch die Telemedizin (299 vs. 362 Exazerbationen bei 95 vs. 96 Patienten; p=0,06). Die telemedizinische Betreuung der Patienten mit COPD verbesserte in zwei Studien klinisch relevant die Lebensqualität im Vergleich zur konventionellen Betreuung (St. George‘s Respiratory Questionnaire), jedoch war das Konfidenzintervall (KI) groß (-6,57; 95 %–KI -13,62–0,48). Vorstellungen in Notfallambulanzen waren nach einer Meta-Analyse von 3 Studien bei telemedizinischer Betreuung innerhalb eines Jahres seltener (Odds Ratio [OR] 0,27; 95 %–KI 0,11–0,66). Die Meta-Analyse von 4 Studien zeigte, dass Krankenhauseinweisungen ebenso weniger häufig vorkamen (OR 0,46; 95 %–KI 0,33–0,65; p < 0,00001). Die Sterblichkeit unterschied sich zwischen den Gruppen nicht signifikant. Sekundär untersuchte Variablen waren spirometrische Daten, deren Analyse keine bedeutsamen Unterschiede ergab. Außerdem ergab sich in verschiedenen Untersuchungen mit verschiedenen Tests, dass die Patienten mit dem telemedizinischen Programm hoch zufrieden waren. Die Kosten- Nutzen-Analysen hatten unterschiedliche Zielpunkte und kamen zu verschiedenen Resultaten, wobei die telemedizinische Betreuung hinsichtlich der vermeidbaren Hospitalisationen günstiger war. Insgesamt war der Bias in der Cochrane-Analyse niedrig.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Die telemedizinische Betreuung von Patienten mit COPD kann die Häufigkeit von Exazerbationen verringern und verbessert möglicherweise die Lebensqualität; die Mortalität scheint nicht erhöht. Nach Ansicht der Autoren waren die Studien sehr heterogen, erschwert sei die Beurteilung v.a., da die Telemedizin in ein Gesamtprogramm (verschiedene Aufklärungsprogramme und Trainingseinheiten) eingebettet ist. Die teilweise marginalen Unterschiede zur Kontrollgruppe rechtfertigten nicht den Ruf nach flächendeckender Telemedizin, sondern erforderten in Zukunft aussagekräftige Studienkonzepte zur Überprüfung, so die Autoren.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle

    Originalarbeit: McLean S et al. Telehealthcare for chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 7. DOI: 10.1002/14651858.CD007718.pub2 http://www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Die Autoren dieser Cochrane-Studie analysieren die Effekte einer telemedizinischen Beratung und Betreuung von Patienten mit COPD über Telefon oder E-Mail durch den Arzt oder die Pflegekraft (Tele-Healthcare). Dabei werden die subjektive Befindlichkeit sowie Messdaten zu z.B. Puls oder Sauerstoff- Sättigung übermittelt. Gerade bei der COPD mit ihren häufigen Exazerbationen und Klinikeinweisungen können erhebliche Therapiekosten eingespart werden, wenn frühzeitig die Verschlechterung erkannt und die Therapieintensität erhöht wird. Die hier vorgelegten positiven Effekte, wenn auch gering, bezüglich Reduktion der Exazerbationen, der Notfälle und Aufnahmen im Krankenhaus klingen vielversprechend. Wichtig dürfte der Beweis sein, dass durch die veränderte Betreuung die Mortalität nicht erhöht wird. Die Untersuchungen weisen darauf hin, dass in der „elektronischen Fernbetreuung“ von Patienten mit COPD erhebliches Potenzial schlummert. Eine weitere Evaluation verschiedener Programme im Praxisalltag mit Ermittlung einer günstigen Kosten-Nutzen-Relation ist erforderlich, da sonst eine Einbindung in die Regelversorgung nicht vertretbar ist. Weiterhin besteht die Aufgabe, die Akzeptanz der Tele-Healthcare bei allen Beteiligten zu erhöhen und sie in die bestehenden Behandlungsprozesse zu integrieren.

    Prof. Dr. med. Karl-Heinz Rühle, Klinik für Pneumologie Helios-Klinik Ambrock, Hagen


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    Prof. Dr. med. Karl-Heinz Rühle
    Klinik für Pneumologie Helios-Klinik Ambrock, Hagen