Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(23): 1236
DOI: 10.1055/s-0032-1301860
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geringe Reduktion des kardiovaskulären Risikos durch Fettmodifikation

Slight reduction of cardiovascular risk by modified dietary fat
C. Werner
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Korrespondenz

Dr. med. Christian Werner
Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg

Publication History

Publication Date:
30 May 2012 (online)

 

    Eine Reduktion oder Modifikation von Nahrungsfetten wirkt sich in unterschiedlicher Weise auf kardiovaskuläre Risikofaktoren wie etwa den Cholesterinspiegel aus. Welchen Effekt dies jedoch auf Mortalität oder Morbidität hat, ist nach wie vor unklar. L. Hooper et al. gingen dieser Frage nun in einer aktualisierten Meta-Analyse nach.


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    Einleitung: Studien zum Zusammenhang zwischen Nahrungsfetten und dem kardiovaskulären Risiko kommen teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bereits im Jahr 2000 hatten die Autoren hierzu eine Meta-Analyse mit über 18 000 Patienten publiziert, in der sie keinen eindeutigen Effekt einer Fettmodifikation auf die Mortalität sahen. Diese Meta-Analyse aktualisierten sie nun.

    Studien: Eingang in die Analyse fanden randomisiert-kontrollierte Studien, die als Interventionsziel eine Reduktion oder Modifikation von Nahrungsfetten bzw. Cholesterin hatten und deren Interventionsdauer mindesten 6 Monate betrug. Die Intervention musste dabei aus einer Ernährungsberatung, einer Supplementation von Fetten oder einem festgelegten Diätplan bestehen, während die Kontrollgruppe die gewohnte Ernährung, Placebo oder eine festgelegte Vergleichsernährung erhielt. Die fettreduzierte Diät umfasste eine Reduktion der Fette auf weniger als < 30 % der Engergiezufuhr mit Ersatz durch z.B. Kohlenhydrate oder Proteine, eine modifizierte Diät enthielt hingegen mehr als 30 % der Energiezuführ über Fette, mit einem größerem Anteil an einfach- und mehrfach- ungesättigten Fettsäuren als eine „normale Diät“. Primäre Endpunkte waren die Gesamt- und die kardiovaskuläre Mortalität sowie kardiovaskuläre Ereignisse.

    Ergebnisse: Insgesamt erfüllten 48 Studien die Einschlusskriterien der Cochrane- Analyse (22 012 durch die Literatursuche identifizierte Zitate, inkl. 5191 neuen). Von 71 790 Teilnehmern starben 4292. Ein Effekt der Interventionen auf das Mortalitätsrisiko war jedoch im Vergleich zu den Kontrollen nicht erkennbar (Relatives Risiko [RR] 0,98; 95 %–Konfidenzintervall [KI] 0,93–1,04). Auch eine Modifikation der Nahrungsfette für sich betrachtet, führte im Vergleich zur gewohnten Ernährung zu keiner Änderung des Mortalitätsrisikos (RR 1,02; 95 %–KI 0,88–1,18; 1120/11 441 Todesfälle), ebenso wenig wie die Fettreduktion alleine (RR 0,97; 95 %–KI 0,90–1,04; 2936/ 58 130 Todesfälle). Gleiches galt für die Kombination aus Fettreduktion und -modifikation (RR 0,97; 95 %–KI 0,76–1,23; 236/2219 Todesfälle). Auch auf die kardiovaskuläre Mortalität wirkten sich die Interventionen gemeinsam betrachtet nicht signifikant aus.

    Allerdings sank darunter im Vergleich zur herkömmlichen Ernährung die Rate kardiovaskulärer Ereignisse um 14 % (RR 0,86; 95 %–KI 0,77–0,96; 65 508 Teilnehmer, 4887 davon mit Ereignissen). Die Subgruppenanalysen legen hierbei nahe, dass dies für Studien mit einer Modifikation der Nahrungsfette galt und nicht für solche mit Fettreduktion, außerdem bei einer Interventionsdauer von mindestens 2 Jahren, jedoch nur bei Männern und nicht bei Frauen.

    Fazit und Diskussion

    Die Ergebnisse sprechen für eine geringe, aber potenziell bedeutsame Reduktion des kardiovaskulären Risikos durch eine Modifikation der Nahrungsfette, nicht jedoch durch eine Reduktion der Gesamtmenge an Fett.

    Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen

    Originalarbeit: Hooper L et al. Reduced or modified dietary fat for preventing cardiovascular disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 7. DOI: 10.1002/14651858.CD002137.pub2 http://www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Eine gesunde Ernährung ist die tragende Säule der kardiovaskulären Prävention, aber die zugrunde liegenden Mechanismen sind nur zum Teil entschlüsselt. Die Cochrane-Analyse von Hooper et al. bestätigt, dass nicht eine Verminderung der täglichen Fettzufuhr, sondern eine Modifikation der Nahrung zugunsten der vermehrten Einfuhr ungesättigter Fettsäuren die kardiovaskuläre Morbidität vermindert. Die absolute Risikoreduktion der kardiovaskulären Ereignisse betrug 0,5 %, dies entspricht einer Number-needed-to-treat (NNT) von 200 Patienten. Damit korreliert, dass eine langfristige Adhärenz an die Diät besonders wirksam war. Ein Zusammenhang der Effekte mit Surrogatparametern wie LDL- und HDL-Cholesterin konnte (mangels Daten) nicht hergestellt werden. Welchen zusätzlichen prognostischen Nutzen die Ernährungsintervention zu einer lipidsenkenden Therapie bewirkt, bleibt ebenfalls offen. Die Arbeit von Hooper et al. ist daher hypothesen-generierend und liefert für die Praxis kaum neue Erkenntnisse. Von den Fachgesellschaften werden in den aktuellen Leitlinien spezifische Diätempfehlungen ausgesprochen (z.B. Europäische kardiovaskuläre Präventionsleitlinie [Perk J. et al. Eur Heart J 2012, epub ahead of print]). Im klinischen Alltag bleibt es unsere vordringliche Herausforderung, diese umzusetzen und Risikopatienten für eine dauerhafte therapeutische Lebensstiländerung zu begeistern.

    Dr. med. Christian Werner Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg


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    Korrespondenz

    Dr. med. Christian Werner
    Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg