Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(27): 1390
DOI: 10.1055/s-0032-1301864
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Hypertensiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arterieller Bluthochdruck: Wie wirksam ist der Renininhibitor Aliskiren?

Arterial hypertension: how effective is the renin inhibitor aliskiren?
W. Zidek
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Korrespondenz

Prof. Dr. med. Walter Zidek
Medizinische Klinik für Nephrologie, Transplantationsmedizin, Hypertensiologie und internistische Intensivmedizin, Charité Berlin

Publication History

Publication Date:
26 June 2012 (online)

 

    Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ist eines der wichtigsten blutdruckregulierenden Systeme des Körpers. Bei Bluthochdruck können ACE-Hemmer, AT1-Blocker etc. regulatorisch an unterschiedlichen Punkten dieses Systems ansetzen. Renininhibitoren stellen eine neue Wirkstoffklasse der Antihypertensiva dar, deren Effektivität nun in einem aktualisierten Cochrane-Review geprüft wurde.


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    Einleitung: Durch die Bindung an das Enzym Renin greift Aliskiren, der bisher einzige Renininhibitor auf dem Markt, früh in das RAAS ein. Es wird deshalb vermutet, dass Renininhibitoren eine effektivere Senkung des arteriellen Blutdrucks bewirken als Medikamente, die erst später innerhalb der Kaskade wirken.

    Studien: Bei der neuen Suche nach Studienergebnissen zu Aliskiren erfüllten – zusätzlich zu den bereits 2008 analysierten 6 Studien mit 3694 Patienten – 2 große placebokontrollierte, doppeltblinde, randomisierte Studien die Einschlusskriterien der aktuellen Cochrane-Analyse. Dabei kamen Daten von 5016 Patienten neu hinzu, darunter 3393 Patienten unter Aliskirenbehandlung; der andere Teil erhielt Placebo. Ingesamt hatten die Patienten (≥ 18 Jahre), die je nach Studiendesign mit unterschiedlicher Dosis behandelt und ≥ 3 Wochen nachbeobachtet wurden, eine milde bis moderate arterielle Hypertonie. Als primären Endpunkt definierten die Autoren das Ausmaß der dosisbezogenen Blutdrucksenkung. Sekundäre Endpunkte waren Blutdruckamplitude, -variabilität und Herzfrequenz sowie die dosisbezogene Nebenwirkungsrate und die daraus resultierende Studienabbruchquote.

    Ergebnisse: Die Meta-Analyse zeigte einen signifikanten, dosisabhängigen Effekt auf die Blutdrucksenkung durch Aliskiren versus Placebo. Der maximale Effekt wurde mit 300mg erreicht (∅ systolisch -7,93mmHg; 95 %–Konfidenzintervall [KI] -8,77 bis -7,08 bzw. ∅ diastolisch -4,76 mm Hg; 95 %–KI -5,33 bis -4,19), einen signifikanten Unterschied zur untersuchten Maximaldosis mit 600mg gab es nicht. Hingegen reduzierte 300mg Aliskiren den Blutdruck signifkant besser als die halbe Dosis (systolisch -2,70 mm Hg; 95 %–KI -3,50 bis -1,90 bzw. diastolisch -1,86mmHg; 95 %–KI -2,39 bis -1,33). Innerhalb der Nachbeobachtungszeit von 3–8 Wochen führte Aliskiren nicht zu einer signifikant erhöhten Abbruchrate durch Nebenwirkungen gegenüber Placebo. Insgesamt waren die Studien laut den Autoren von hoher Qualität und der Bias niedrig.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Aliskiren führte bei Patienten mit milder bis moderater arterieller Hypertonie zu einer signifikanten, dosisabhängigen Blutdrucksenkung gegenüber Placebo, vergleichbar der von ACE-Hemmern und AT1-Blockern, so die Autoren. Die aktuell vorliegende Studienlage zeigt keinen wesentlichen Unterschied der Effektivität zwischen Medikamenten, die an verschieden Stellen in das RAAS eingreifen. Zur weiteren Klärung empfehlen die Autoren die Durchführung von Head-to-Head- Studien. Zudem weisen sie auf zu kurze Nachbeobachtungszeiträume und geringe Teststärken zur Beurteilung der Nebenwirkungen bei Aliskiren sowie das Fehlen von Daten zu Mortalität und Morbidität hin.

    Dr. Katharina Franke, Darmstadt

    Originalarbeit: Musini VM et al. Cochrane Database Syst Rev 2008, Issue 4. DOI 10.1002/14651858.CD007066.pub2 http://www.thecochranelibrary.com

    Sponsoring der Primärstudien: Alle Studien wurden vom Hersteller des Präparats unterstützt.

    Kommentar aus der Praxis

    Der Renin-Inhibitor Aliskiren senkt, wie auch das Cochrane-Review bestätigt, bei Patienten mit Hypertonie den Blutdruck signifikant. Die meisten Patienten mit Hypertonie werden derzeit mit einer Kombinationstherapie behandelt. Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems wie ACEHemmer oder AT1-Blocker haben in der Kombinationstherapie einen festen Stellenwert. Deswegen ist es, um die Praxistauglichkeit des Aliskirens zu beurteilen, auch wichtig, eventuelle Probleme in der Kombinationstherapie zu kennen. Hier hat die Ende 2011 vorzeitig beendete ALTITUDE-Studie neue Erkenntnisse geliefert, die nach jetzigem Wissensstand die Anwendung von Aliskiren in wichtigen Punkten einschränken. In der ALTITUDE-Studie erhielten Patienten mit Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulärem und renalem Risiko Aliskiren zusätzlich zu einer Standardtherapie aus ACE-Hemmer oder AT1-Blocker. Die Studie wurde deswegen vorzeitig beendet, weil einerseits zu diesem Zeitpunkt ein zusätzlicher Nutzen durch Aliskiren unwahrscheinlich erschien und andererseits das Risiko eines nicht-tödlichen Schlaganfalls, renaler Komplikationen, einer Hyperkaliämie sowie einer Hypotonie in der Aliskiren-Gruppe erhöht war. Diese Studienergebnisse haben dazu geführt, dass Aliskiren bei Patienten mit Diabetes, die gleichzeitig einen der genannten RAAS-Inhibitoren erhalten, kontraindiziert ist. Da gerade bei diesen Patienten der Einsatz der RAAS-Blockade zur Nephroprotektion eine besondere Bedeutung hat, schränkt dies die additive Anwendung von Aliskiren in einem wichtigen Indikationsgebiet ein.

    Prof. Dr. med. Walter Zidek Medizinische Klinik für Nephrologie, Transplantationsmedizin, Hypertensiologie und internistische Intensivmedizin, Charité Berlin


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    Korrespondenz

    Prof. Dr. med. Walter Zidek
    Medizinische Klinik für Nephrologie, Transplantationsmedizin, Hypertensiologie und internistische Intensivmedizin, Charité Berlin