Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(47): 2413
DOI: 10.1055/s-0032-1326790
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Kardiologie – Psychologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Koronare Herzerkrankung: Sind psychologische Interventionen effektiv?

Coronary heart disease: How effective are psychological interventions?
K.-H. Ladwig
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Korrespondenz

Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig
Institut für Epidemiologie, Helmholtz Zentrum München

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Publication Date:
14 November 2012 (online)

 

    Herz und Psyche hängen eng miteinander zusammen. Nicht zuletzt deshalb werden nach kardiovaskulären Ereignissen häufig psychologische Interventionen angeboten. Whalley et al. gingen nun in einem aktualisierten Cochrane-Review der Frage nach, wie sich diese Interventionen auswirken.


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    Einleitung: Da Psychopathologien ein Risikofaktor für kardiale Morbidität sind, gehören psychologische Interventionen zur kardiologischen Rehabilitation. 2004 veröffentlichten Rees et al. ein Cochrane-Review, das bei relativ großer statistischer Heterogenität keinen wesentlichen Einfluss solcher Interventionen auf die kardiovaskuläre oder die Gesamtmortalität nachweisen konnte; wenngleich in den Interventionsgruppen signifikant weniger nichttödliche Myokardinfarkte auftraten.

    Studien: Bei der neuen Recherche wurden randomisiert-kontrollierte Studien (> 6 Monate) berücksichtigt, die Patienten mit Angina pectoris bzw. angiographisch nachgewiesener koronarer Herzerkrankung (KHK) oder bereits einem Myokardinfarkt, koronarem Bypass oder perkutaner Angioplastie untersuchten. Neue zusätzliche Einschlusskriterien waren, dass der Effekt der psychologischen Therapie getrennt von nicht-psychologischen Interventionen, wie körperlicher Trainingstherapie, betrachtet wurde. Außerdem musste das psychologische Personal speziell geschult sein. Primäre Endpunkte waren die Gesamt- und die kardiovaskuläre Mortalität, nichttödliche Herzinfarkte, Revaskularisationen sowie Angst und Depression.

    Ergebnisse: Insgesamt erfüllten 24 Studien die erweiterten Einschlusskriterien, darunter 16 der ursprünglich 36 Studien aus dem Cochrane-Review von 2004. Die neue Meta-Analyse ergab keine starke Evidenz dafür, dass psychologische Interventionen gegenüber der gewöhnlichen Behandlung die Gesamt-Mortalität, das Risiko für Revaskularisationen oder nichttödliche Herzinfarkte senken. In den (wenigen) Studien, die die kardiovaskuläre Mortalität betrachteten, zeigte sich ein mäßiger positiver Effekt auf diese (Relatives Risiko 0,80; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,64–1,00). Ferner führten psychologische Interventionen zur Minderung von Angst und Depression (Standardisierte Mittelwertdifferenz SMD -0,25; 95 %-KI -0,48 bis -0,03 bzw. -0,21; 95 %-KI -0,35 bis -0,08). Eine Meta-Regressionsanalyse fand dabei 4 signifikante Prädiktoren: (1) Interventionen, die das Ziel hatten, ein Typ-A-Verhalten* zu behandeln, waren effektiver als andere. Im Gegensatz dazu waren Interventionen signifikant weniger effektiv gegen Depression, (2) die Patienten bezüglich kardialer Risikofaktoren schulten, (3) patientengeführte Diskussionen und emotionale Unterstützung als therapeutische Hauptkomponente enthielten oder (4) die Familienmitglieder in den Therapieprozess integrierten. Fehlende methodische Angaben in den Primärstudien begrenzten die Bias-Analyse.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Psychologische Interventionen scheinen psychische Symptome bei Patienten mit KHK effektiv zu reduzieren, und das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko signifikant zu senken, so die Autoren. Keine hohe Evidenz fand sich jedoch dafür, dass diese die Gesamtmortalität oder die Herzinfarkt- und Revaskularisationsrate günstiger beeinflussten als eine konventionelle Behandlung.

    * Ein Typ-A-Verhalten, charakterisiert durch übersteigertes Leistungsverhalten, Eile, Ungeduld, Aggressivität, erhöht nachweislich das KHK-Risiko.

    Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen

    Originalarbeit: Whalley B et al. Psychological interventions for coronary heart disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 8. DOI:10.1002/14651858.CD002902.pub3. www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Dass Psychotherapie die kardiovaskuläre Mortalität senken soll, kommt als Gradmesser dieses und einiger anderer Reviews von großen randomisierten Psychokardiologie-Studien so überzeugend daher, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Auch wenn die beschriebenen Effekte in diesem Review nicht riesig sind, eine Minimierung des kardiovaskulären Mortalitätsrisikos um 20 % – gewissermaßen als Zugabe zu der eigentlichen Hauptaufgabe der Psychotherapie: der Reduzierung von seelischem Leid – sollte man nun in der Tat nicht kleinreden. Hinzu kommt, dass dieser Review nur solche Studien eingeschlossen hat, die die Effekte der Psychotherapie von anderen wirksamen Einflussgrößen (wie z.B. körperliches Training) separieren konnten. Ob dies in der Realität möglich ist, mag ein wenig bezweifelt werden. Ich meine, Psychokardiologen sollten sich durch diesen Review ermutigt fühlen und ihre Arbeit mit Koronarpatienten, die an schwerwiegenden Zuständen von Angst und Depression leiden, fortführen. Und wer weiß, vielleicht nimmt mit der Besserung der Stimmungslage die Bereitschaft der Patienten zu, regelmäßig ihre Medikamente zu nehmen, regelmäßig und lustvoll Sport zu machen, Wert auf gesundes Essen zu legen und ein für alle Mal mit dem Rauchen aufzuhören. Wenn das kein Garant für einen Überlebensvorteil ist!


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    Interessenkonflikte: keine

    Korrespondenz

    Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig
    Institut für Epidemiologie, Helmholtz Zentrum München