Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(49): 2533-2534
DOI: 10.1055/s-0032-1327346
Editorial
Innere Medizin
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Brennpunkte der Inneren Medizin: Translationale Forschung – Gesundheitsforschungszentren – ärztliche Weiterbildung – Internationalisierung

Hot topics from internal medicine: translational research – health research centers – medical education – internationalization
M. Manns
1   Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Zentrum Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover
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Prof. Dr. Michael Manns
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Zentrum Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover
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Publication History

Publication Date:
27 November 2012 (online)

 

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) versteht sich als die Summe ihrer 8 Schwerpunkte, 3 assoziierten Fächer – und mehr. Die DGIM-Gesellschaftsausgaben der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW) sind eine besondere Form der Zusammenarbeit der DGIM mit „ihrem Organ“, in dem aus den o.g. Teilgebieten jeweils aktuelle Themen ausgewählt und von ausgewiesenen Experten bzw. Arbeitsgruppen dargestellt werden. Die DGIM als „die“ Klammer aller Teilgebiete möchte damit ihre Mitglieder an den aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen der verschiedenen Teilbereiche teilhaben lassen.

Innere Medizin – der „common trunc“

Die Jahrestagungen der verschiedenen Schwerpunktgesellschaften haben sich inzwischen zu den Zentren des wissenschaftlichen Austausches entwickelt. Die Jahrestagung der DGIM hat ihr Alleinstellungsmerkmal für die Weiterbildung auf dem gesamten Gebiet der Inneren Medizin. Dies ist äußerst wichtig, da Kenntnisse der gesamten Inneren Medizin für jeden Internisten, sei es Kardiologe, Endokrinologe oder Gastroenterologe eine Conditio sine qua non sind. Um diese Grundkenntnisse der Inneren Medizin zu erhalten, ist es von allergrößter Bedeutung, dass der „common trunc“ in der Weiterbildung zum Gebietsarzt Innere Medizin erhalten bleibt und weiterhin ein „Facharzt für Innere Medizin“ möglich ist. An dieser Stelle muss betont werden, dass fast 60% der internistischen Abteilungen in deutschen Krankenhäusern keine Schwerpunktbezeichnung führen, sich also mit Allgemeiner Innerer Medizin befassen. Deshalb ist es aus meiner Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar, wie man Überlegungen anstellen kann, den „common trunc“ oder den Facharzt für Innere Medizin abzuschaffen. Hierzu müssen DGIM und der Berufsverband der Internisten BDI gemeinsam für die notwendigen Mehrheiten auf den deutschen Ärztetagen sorgen. Dies wird nur in engem Schulterschluss von Klinikärzten mit den Kollegen der niedergelassenen Medizin zu erreichen sein.

In den Schwerpunkten spiegelt sich einerseits die Vielfalt der DGIM und ihrer Teilbereiche wider, andererseits aber auch die besondere Dynamik im Fortschritt der Teilgebiete. Die DGIM-Gesellschaftsausgaben der DMW sind zwar vor allem der klinischen Weiterbildung gewidmet, tragen aber nicht umsonst den Namen „Klinischer Fortschritt“: Sie demonstrieren auch Grenzbereiche von klinisch relevanter Grundlagenforschung und genuiner klinischer Forschung, die sogenannte und sich derzeit in aller Munde befindende „Translationsforschung“.


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Translationale Forschung und Nationale Gesundheitsforschungszentren

Die Nationalen Gesundheitsforschungszentren haben sich der Förderung der Translationsforschung auf den Gebieten der wichtigsten Volkskrankheiten verschrieben, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tumorerkrankungen, Infektionskrankheiten und metabolischen Erkrankungen. Dabei handelt es sich um eine Forschungsinitiative der Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Koordiniert werden die Aktivitäten jeweils von den Helmholtz-Zentren für biomedizinische Forschung wie dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) oder dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. In einem bundesweiten Wettbewerb wurden unter Hinzuziehung eines internationalen Gutachterkreises sechs universitäre Standorte als Partner des jeweiligen Helmholtz-Zentrums ausgewählt. Die Helmholtz-Zentren und die universitären Standorte bilden dann gemeinsam ein „Deutsches Zentrum für Gesundheitsforschung“; interdisziplinär angelegt, aber eindeutig mit translationalem Auftrag.

Die ersten beiden Zentren – das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) – wurden 2009 gegründet, vier weitere haben inzwischen ihre Arbeit aufgenommen, befinden sich aber überwiegend noch in der Strukturierungsphase: das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK), das Deutsche Konsortium für translationale Krebsforschung (DKTK), das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) und das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Aufgabe aller dieser Zentren ist die Translationsforschung unter Einschluss der Entwicklung innovativer Therapieverfahren. Mitglieder der DGIM und ihrer Schwerpunkte sind maßgeblich an mehreren Zentren beteiligt. – Weitere Einzelheiten sind der Webseite des BMBF zu entnehmen (www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/2557.php).


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Kooperation mit der Universitätsmedizin

Die Universitätsmedizin ist zurzeit besonderen wirtschaftlichen Herausforderungen ausgesetzt, bedingt durch eine strukturelle Unterfinanzierung im klinischen Bereich – wenn nicht politisch gewollt, so doch politisch geduldet. Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) hat hierzu detailliert Stellung genommen (www.uniklinika.de).

Die zum Teil dramatische Unterfinanzierung zahlreicher Universitätskliniken erfordert zunehmende Aufmerksamkeit, nicht nur durch die Vorstände, sondern auch durch ihre Aufsichtsräte und Aufsichtsbehörden, meist wahrgenommen durch die zuständigen Wissenschaftsministerien der Länder. Oft wird vergessen, dass es sich bei den Universitätskliniken um Landesbetriebe handelt, deren wirtschaftliche Wertschöpfung sie zu den größten Unternehmen der jeweiligen Bundesländer macht. Das wirtschaftliche Risiko und die sich zunehmend darstellende Defizitentwicklung im Bereich der Krankenversorgung gefährden natürlich die Leistungsstärke und das Leistungsspektrum der Patientenversorgung und nicht zuletzt auch die klinische Forschung. Daher sind die neu geschaffenen Gesundheitsforschungszentren eine willkommene Strukturförderung für die klinische Forschung in Deutschland. Sie stellen eine Möglichkeit dar, über das BMBF und die Helmholtz-Zentren Bundesmittel an die ländereigenen medizinischen Fakultäten und ihre Universitätskliniken zu bringen.

Da nur bis zu 6 universitäre Zentren ausgewählt wurden, kommt es zu einer zunehmenden Schwerpunktbildung an den verschiedenen Standorten der Universitätsmedizin in Deutschland, die politisch gewollt ist und die eine mit der ersten Phase der Exzellenzinitiative eingeleitete Entwicklung fortsetzt. Die Helmholtz-Zentren sind essenzielle Kooperationspartner der medizinischen Fakultäten und ihrer Universitätskliniken vor allem auch auf lokaler Ebene. An vielen Standorten haben sich die außeruniversitären Helmholtz-Institute und ihre Partner aus der Universitätsmedizin zunehmend eng vernetzt, mit einer zunehmenden Anzahl von gemeinsamen Berufungen im Sinne von Brückenprofessuren.

Die von den außeruniversitären Zentren bestimmte Schwerpunktbildung im nationalen Umfeld wird durchaus auch kritisch gesehen. Es gilt aber nicht zuletzt für die Innere Medizin, die Chancen zu nutzen, die dieses Förderinstrument bietet, um die internationale Konkurrenzfähigkeiten auf den Forschungsgebieten bedeutender Volkskrankheiten zum Wohle unserer Patienten zu verbessern. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass es sich um Zentren für translationale Forschung handelt, deren Aufgabe es nicht ist oder sein kann, sich der ärztlichen Weiterbildung anzunehmen und hier wesentliche strukturelle Veränderungen der ärztlichen Weiterbildung anzuschieben.


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Wessen Aufgabe ist die ärztliche Weiterbildung?

Die ärztliche Weiterbildung ist Aufgabe der medizinischen Fachgesellschaften, der Bundesärztekammer und der Landesärztekammern, die schließlich die Rahmenverordnungen bzw. Musterweiterbildungsordnungen der Bundesärztekammer umsetzen müssen. Ein gutes Beispiel ist die Infektiologie, die als fakultative Zusatzweiterbildung in den Gebieten Innere Medizin und Pädiatrie verankert ist. Zahlreiche Schwerpunkte der Inneren Medizin kümmern sich in wesentlichen Teilbereichen um bedeutsame Infektionskrankheiten, wie z. B. die Gastroenterologie und Hepatologie im Bereich der Virushepatitiden und der intestinalen Infektionen, die Hämatologie und Onkologie oder die Pneumologie. Die Innere Medizin, namentlich ihre wissenschaftliche Fachgesellschaft DGIM und der Berufsverband BDI, sollte auf ihrem Primat für die ärztliche Weiterbildung bestehen, und die entstandene Dynamik nach der Gründung der Gesundheitsforschungszentren sollte nicht dazu führen, dass die Aufgabenteilung von Forschung und ärztlicher Weiterbildung aufgegeben wird.


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Internationalisierung: Fakten und Perspektive

Die Wissenschaft ist inzwischen zunehmend internationalisiert; die Publikationssprache ist fast ausschließlich Englisch. Es gibt nur noch gute und schlechte Forschung, nicht mehr Grundlagenforschung und klinische Forschung oder deutsche versus englische versus amerikanische Forschung. Demgegenüber ist zugegebenermaßen die ärztliche Weiterbildung noch sehr von nationalen Besonderheiten geprägt, wie z. B. die Vertretung der jeweiligen organspezifischen Onkologie durch die Schwerpunkte oder die Onkologie. Weitere Beispiele könnten genannt werden. Diese Heterogenität der ärztlichen Weiterbildung ist ein typisches Beispiel, dass der europäische Einigungsprozess noch nicht vollzogen ist. Hier ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Andererseits kann dies nicht bedeuten, dass Deutschland in der ärztlichen Weiterbildung auf eigene gewachsene Strukturen verzichtet, sie aufgibt und sich an der Diskussion und Ausgestaltung innovativer Entwicklungen und Neuerungen der ärztlichen Weiterbildung in Europa nicht beteiligt.

Auch die ärztliche Weiterbildung ist ein Teil des europäischen Einigungsprozesses und zugegebenermaßen bisher ungelöst. Die Innere Medizin in Deutschland und somit die DGIM kann sich dieser Entwicklung und dem damit verbundenen Diskussionsprozess nicht entziehen. In der Wissenschaft dagegen ist der Prozess der europäischen Einigung schon weiter fortgeschritten, mit zunehmender Allokation nationaler Forschungsgelder und Ressourcen auf die europäische Ebene. Hier muss das Problem einer Verschlankung der Bürokratie des Forschungsmanagements dringend gelöst werden. Außerdem sind in Europa die biomedizinische Forschung und ihr Anteil an der gesamten Forschungsförderung unterrepräsentiert und unterfinanziert, zumindest im Vergleich mit den USA. In Europa ging über viele Jahre ein großer Anteil der Forschungsförderung eher in die Entwicklung alternativer Energien, die Agrarwissenschaften oder die Raumfahrt. Deshalb wurde eine Initiative ins Leben gerufen, die sich dieser Problematik besonders annimmt, die BioMedAlliance, deren Ziel es ist, eine „European Commission for Biomedical Research“ ins Leben zu rufen, die dem Europäischen Parlament als Entscheidungsträger beratend eng zur Seite stehen soll, um die Förderung der Biomedizinischen Forschung zu verbessern und die brennenden Probleme der Gesundheitsforschung voranzutreiben.

Nicht zuletzt der dramatische demographische Wandel unseres Kontinents erfordert innovative Lösungen. Auch hier sind die Innere Medizin und ihre Schwerpunkte gefordert.


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