Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(01/02): 15
DOI: 10.1055/s-0032-1329135
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Diabetologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Effektivität von GLP-1-Analoga bei Typ-2-Diabetes mellitus

Efficacy of GLP-1-analogs in type 2 diabetes mellitus
M. Schütt
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Korrespondenz

Prof. Dr. med. Morten Schütt
Bereichsleitung Diabetes & Stoffwechsel, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Publication History

Publication Date:
18 December 2012 (online)

 

    GLP-1-Analoga verbessern im Vergleich mit anderen Antidiabetika die glykämische Kontrolle, haben ein geringeres Hypoglykämierisiko und tragen zur Gewichtsabnahme bei – dies waren die wesentlichen Ergebnisse eines Cochrane-Reviews.


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    Einleitung: Glukagon-like-Peptid-1(GLP-1)-Analoga imitieren die Wirkung des physiologischen Dünndarmhormons mit einer Stimulation der Insulinsynthese und -sekretion, Unterdrückung der Glukagonausschüttung, Verzögerung der Magenentleerung und Verminderung des Hungergefühls. Sie werden als Alternative oder in Kombination mit anderen Antidiabetika subkutan verabreicht. Wie sie im Vergleich zu anderen Antidiabetika bei Patienten mit Typ-2-Diabetes wirken, war Gegenstand eines Cochrane-Reviews.

    Studien: 17 randomisiert-kontrollierte Studien erfüllten die Einschlusskriterien der Cochrane-Analyse (n=6899). Die GLP-1-Analoga (hauptsächlich Exenatid mit 8 Studien, Liraglutid mit 4 Studien) wurden untereinander, als Ergänzung zur Monotherapie oder in Zweifachkombination mit anderen Antidiabetika und Placebo bei Patienten mit Typ-2-Diabetes verglichen. Primäre Endpunkte waren der HbA1c-Wert, die Hypoglykämierate und das Körpergewicht. Sekundäre Endpunkte waren u.a. Nebenwirkungen und die Betazellfunktion. Die Untersuchungen dauerten mindestens 8 Wochen (überwiegend 26 Wochen).

    Ergebnisse: Im Vergleich mit Placebo senkten alle GLP-1-Analoga den HbA1c-Wert um durchschnittlich einen Prozentpunkt. 2 mg Exenatid wöchentlich reduzierten den HbA1c-Wert stärker als 2× täglich 10 μg Exenatid oder als Insulin Glargin, Sitagliptin und Pioglitazon. Liraglutid war bei wöchentlicher Applikation von 1,8 mg um 0,33 Prozentpunkte wirksamer als Exenatid 10 μg (2×/d); zudem auch wirksamer als Sitagliptin, Rosiglitazon und Insulin Glargin. Im Vergleich mit Sulfonylharnstoffen ergab sich eine vergleichbare Wirksamkeit. Das Körpergewicht nahm mit den GLP-1-Analoga signifikant stärker ab als mit den Vergleichsmedikamenten. Hypoglykämien traten auf, aber seltener als unter anderen Antidiabetika. In einer Subgruppenanalyse traten sie vor allem auf, wenn GLP-1-Analoga in Kombination mit Sulfonylharnstoffen eingenommen wurden. Häufigste Nebenwirkungen waren Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, die vor allem zu Beginn der Behandlung auftraten und sich im Verlauf abschwächten. Die Betazellfunktion verbesserte sich unter GLP-1-Analoga, blieb jedoch nach Therapieende nicht bestehen. Langzeiteffekte – positiv oder negativ – konnten wegen der Kürze der Beobachtungszeit nicht beurteilt werden, Morbidität und Mortalität wurden nicht untersucht. Das Risiko für Bias war in den Studien überwiegend gering und die Studien von moderater bis hoher Qualität.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Bei nicht-therapienaiven Patienten mit Typ-2-Diabetes senkten GLP-1-Analoga den HbA1c-Wert signifikant. Weitere Vorteile waren zudem die geringere Rate schwerer Hypoglykämien und der signifikante Gewichtsverlust. Die Autoren sehen in den GLP-1-Analoga eine mögliche kurzzeitige Alternative zum Beginn einer Insulintherapie. Hauptproblem seien die gastrointestinalen Nebenwirkungen, hohe Kosten und die fehlenden Daten zu Langzeiteffekten.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle

    Originalarbeit: Shyangdan DS, Snaith A. Glucagon-like peptide analogues for type 2 diabetes mellitus. Cochrane Database Syst Rev 2011, Issue 10.
    DOI: 10.1002/14651858.CD006423.pub2
    www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Wesentliche Problemzone der Typ-2-Diabetologie ist die Erkenntnis, dass es bislang nicht überzeugend gelungen ist, die Krankheitsprogression medikamentös aufzuhalten und die hohe kardiovaskuläre Mortalität zu senken.Die supraphysiologische Aktivierung des GLP-1-Rezeptors durch synthetisch hergestellte Agonisten erscheint in diesem Zusammenhang vorteilhaft, da im Gegensatz zur Therapie mit Insulin und/oder Sulfonylharnstoffen die Optimierung des Glukosestoffwechsels nicht mit einer Induktion von Hypoglykämien oder einer Gewichtszunahme einhergeht. Positive Einflüsse auf die Lebensqualität und die Realisierung von Lebensstil-Interventionen sind wahrscheinlich, jedoch nicht wissenschaftlich untersucht. Limitierend ist, wie das vorliegende Cochrane-Review zeigt, dass die derzeitige Studienlage keine Aussage zu Langzeiteffekten, insbesondere nicht zu kardiovaskulären Endpunkten, zulässt. Auch das individuell höchst unterschiedliche Therapieansprechen wird nicht durch die Studien abgebildet. Unabhängig von der eingeschränkten Verfügbarkeit und individuellen Besonderheiten ist zum aktuellen Zeitpunkt festzustellen, dass die Kombination Metformin/Lebensstil-Intervention plus GLP-1-Rezeptoragonist im Vergleich mit Therapien, die das Hypoglykämie-Risiko und das Körpergewicht erhöhen, einen klinisch relevanten Zusatznutzen aufweist. Dies scheint vor allem für jüngere Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, geringer bis mittlerer Diabetesdauer und postprandial betonten Blutzuckerentgleisungen zu gelten.


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    Interessenkonflikte: Vortragstätigkeiten für pharmazeutische Unternehmen (Novo Nordisk und Lilly), die inkretinbasierte und/oder Diabetespräparate mit anderen Wirkmechanismen herstellen.

    Korrespondenz

    Prof. Dr. med. Morten Schütt
    Bereichsleitung Diabetes & Stoffwechsel, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck