Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(01/02): 14
DOI: 10.1055/s-0032-1329136
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ist der Einsatz von Humanalbumin als Volumenexpander gerechtfertigt?

Is the use of human albumin for volume expansion justified?
U. Janssens
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Korrespondenz

Prof. Dr. med. Uwe Janssens

Klinik für Innere Medizin St. Antonius Hospital, Eschweiler

Publication History

Publication Date:
18 December 2012 (online)

 

    Häufige Indikationen für den Einsatz von Albumin sind Hypovolämie, Hypoproteinämie und schwere Verbrennungen. Das aktualisierte Cochrane-Review bestätigt die Ergebnisse aus dem Jahre 1998 und 2001: Albumin senkt nicht das Mortalitätsrisiko kritisch Kranker.


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    Einleitung: Bekannt ist, dass bei lebensbedrohlich Erkrankten die Serumalbuminkonzentration invers mit dem Mortalitätsrisiko assoziiert ist. Schockzustände und andere Ereignisse, in denen es zu einem Verlust des Blutvolumens kommt, bedingen daher einer dringenden Volumenersatztherapie. Auf Intensivstationen ist die i.v.-Gabe von Humanalbumin oder Plasmaproteinen (PPF) Standard, trotz der mehrfach höheren Kosten und dem fehlenden Nachweis einer Überlegenheit gegenüber z.B. Kochsalz-Infusionen. In einem aktualisierten Cochrane-Review untersuchten Roberts et al. die Effektivität und Sicherheit der Humanalbumin-Gabe bei Hypovolämie, Verbrennungen und Hypoproteinämie.

    Studien: 38 randomisiert-konrollierte Studien erfüllten die Einschlusskriterien der Cochrane-Analyse (n=10 842), darunter 7 neue Studien. Das Update enthält u.a. eine Studie aus 2004 (SAFE), die in der Analyse 75,2% der Informationen ausmachte. Diese Studie wurde als qualitativ hochwertig angesehen im Vergleich zu den anderen kleineren Studien mit geringer Patientenanzahl und teilweise unklarer Verblindung. Ausgeschlossen von der Analyse wurden Studien zum präoperativen Einsatz von Humanalbumin oder Hämodilution sowie während Parazentese. Als Endpunkt wurde das Mortalitätsrisiko gewählt.

    Ergebnisse: Das gepoolte relative Mortalitätsrisiko unter Albumin-Infusion betrug 1,05 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,95–1,16). Von insgesamt 10 842 behandelten Patienten starben 1958 Patienten. Die Subgruppenanalysen ergab hinsichtlich des Sterberisikos für drei Indikationen keinen Vorteil:

    • Bei Hypovolämie war das Mortalitätsrisiko nicht niedriger unter Humalbumin/Plasmaprotein (Relatives Risiko 1,02; 95%-KI 0,92–1,13; der Großteil der Daten stammt aus der SAFE-Studie).

    • Bei Hypoalbuminämie ergab sich ein relatives Risiko von 1,26 (95%-KI 0,84–1,88),

    • bei schweren Verbrennungen ein relatives Risiko von 2,93 unter Humanalbumin/PPF (95%-KI 1,28–6,72).

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Das Cochrane-Update zeige keinen Hinweis darauf, dass eine Volumenersatztherapie mit Humanalbumin oder Plasmaproteinen einen Überlebensvorteil –gegenüber kostengünstigeren Lösungen – für lebensbedrohlich Erkrankte bringe, konstatierten die Autoren. Dieser ergab sich auch nicht in den Subgruppenanalysen von Patienten mit Hypovolämie, schweren Verbrennungen oder Hypoproteinämien. Da sich keine Reduktion des Mortalitätsrisikos ergeben habe, so die Autoren, seien kostengünstigere Infusionstherapien vorzuziehen und die Behandlung mit Humanalbumin/Plasmaproteinen nur in randomisierten-kontrollierten Studien durchzuführen.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle

    Originalarbeit: Roberts I, Schierhout G. Human albumin solution for resuscitation and volume expansion in critically ill patients. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 11.
    DOI: 10.1002/14651858.CD001208.pub4
    www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Die Volumenersatztherapie spielt in der Notfall- und Intensivmedizin eine zentrale Rolle. In den unterschiedlichsten klinischen Szenarien muss der behandelnde Arzt nicht nur über die Menge und Infusionsgeschwindigkeit des zu verabreichenden Volumens entscheiden, sondern auch festlegen, ob kristalloide oder kolloidale Lösungen eingesetzt werden. Der Nachweis einer Überlegenheit von kolloidalen Lösungen in der Volumenersatztherapie kritisch kranker Patienten konnte bisher nicht geführt werden. Humanalbumin wird seit Jahren bei kritisch kranken Patienten vor allem im Schock, nach ausgedehnten Verbrennungen und klinisch bedeutsamen Hypoproteinämien eingesetzt. Die Cochrane Analyse von Roberts et al. deutet eindringlich auf die Sinnlosigkeit dieses Vorgehens in diesen Indikationsklassen hin. Natürlich müssen die methodischen Schwierigkeiten einer solchen Meta-Analyse berücksichtigt werden (u.a. Einschluss nicht vergleichbarer Studien [„Uniformitätsproblem“], methodisch gute und schlechte Primärstudien werden nicht unterschieden, Publikationsbias, Einschluss von Studien mit kleinem Patientenkollektiv). Die überproportional hohen Kosten des Humanalbumins sollten angesichts der fehlenden Evidenz die Therapieentscheidung ebenfalls maßgeblich beeinflussen. Derzeit werden weltweit verschiedene Studien zum Einsatz von Humanalbumin bei kritisch kranken Patienten mit und ohne Sepsis durchgeführt: http://www.clinicaltrials.gov/ (Suchstrategie "albumin" AND "volume replacement" OR "sepsis"). Es bleibt abzuwarten ob sich ein Vorteil in bestimmten Patientenpopulationen finden wird. Bis dahin sollte der Einsatz individuell gut begründet werden.


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    Interessenkonflikte: keine

    Korrespondenz

    Prof. Dr. med. Uwe Janssens

    Klinik für Innere Medizin St. Antonius Hospital, Eschweiler