Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(08): 353
DOI: 10.1055/s-0032-1329150
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Hämatologie – Onkologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sport gegen Tumor-Fatigue

Sport against cancer-related fatigue
J. Hübner
Further Information
Dr. Jutta Hübner
Leiterin Arbeitsgruppe Integrative Onkologie

Publication History

Publication Date:
12 February 2013 (online)

 

    70-100% der Malignompatienten leiden unter einem Tumor-erschöpfungssyndrom mit körperlichen, psychischen und ökonomischen Auswirkungen. Ein Cochrane-Review fasste nun Studien zusammen, die den Effekt körperlicher Aktivität auf die Fatigue untersucht hatten.


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    Einleitung: Durch verbesserte Therapiemöglichkeiten und verlängerte Überlebenszeiten nimmt die Zahl der Patienten mit Folgeproblemen von Tumorerkrankungen zu, die der supportiven Behandlung bedürfen. Eine Fatigue tritt ohne vorherige Anstrengung auf, verschwindet auch nach Erholungszeiten nicht und verursacht einen erheblichen Leidensdruck. Sie ist eine Ausschlussdiagnose (Differenzialdiagnostik: u.a. Anämie, Depression, Hypothyreose). Die Kenntnisse über Ursachen und Relevanz des Tumorerschöpfungssyndroms sind weitgehend unbekannt. Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass Sport Tumor-Fatigue reduzieren kann.

    Studien: Zusätzlich zu 28 kontrollierten randomisierten Studien des Cochrane-Reviews von 2008 schloss das Update 28 weitere ein, die eine sportliche Intervention mit einem Kontrollarm verglichen. Verschiedene Trainingsmöglichkeiten wurden eingesetzt, deren Intensität und Dauer erheblich variierte. Die Durchführung erfolgte während oder nach der Behandlung der soliden und hämatologischen Neoplasien. Primärer Endpunkt war das individuelle Empfinden der Fatigue. Sekundäre Endpunkte waren die körperliche Fitness, Lebensqualität, Angst und Depression.

    Ergebnisse: 56 Studien mit 4048 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien. Das mittlere Alter der Teilnehmer der einzelnen Studien reichte von 39 bis 70 Jahre. Bei 28 Studien wurden 1671 Frauen mit Mammakarzinom behandelt. 25 Studien führten die Intervention während der Therapiephase, 18 im Anschluss und 13 kontinuierlich durch. Dabei handelte es sich überwiegend um betreute Übungsprogramme (n = 37). In einer Meta-Analyse mit 1461 Patienten und 1187 Kontrollpersonen beeinflusste die sportliche Intervention die Fatigue signifikant positiv (standardisierte mittlere Differenz [SMD] -0,27; 95%-KI -0,37 bis -0,17; p = 0,03). Dies galt insbesondere für Patienten mit Prostata- (p = 0,03) und Frauen mit Mammakarzinomen (p = 0,06), nicht aber bei hämatologischen Neoplasien (SMD -0,15; 95%-KI -0,42 bis 0,11; p = 0,91). Die Effekte der Sportarten waren verschieden. Aerobic in diversen Facetten besserte eine Fatigue signifikant (SMD -0,22; 95%-KI -0,34 bis -0,10; p = 0,20). Keine Signifikanz konnte für Kraftsport und Körper-Geist-Übungen wie Yoga oder Qigong festgestellt werden. Die Testverfahren für die sekundären Endpunkte variierten erheblich und die Ergebnisse für die Lebensqualität, Depression und Ängstlichkeit waren inkonsistent. Insgesamt bestand eine ausgeprägte Heterogenität zwischen den Studien hinsichtlich der Diagnosen, Krankheitsstadien, Therapie, Testverfahren sowie der Art und Intensität des Sports.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Das Tumorerschöpfungssyndrom bei soliden Tumoren wurde durch Aerobic positiv beeinflusst, das während und/oder nach der tumorspezifischen Behandlung erfolgte. Der Nutzen anderer Sportarten war nicht vergleichbar. Patienten mit hämatologischen Neoplasien profitierten nicht. Daher gehöre insbesondere bei der Karzinom-assoziierten Fatigue ein Sportprogramm in das Behandlungskonzept. Weitere Studien zur besten Trainingsart und Konzeption von Behandlungsplänen seien erforderlich.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle

    Originalarbeit: Cramp F, Byron-Daniel J. Exercise for the management of cancer-related fatigue in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 11. DOI: 10.1002/14651858.CD006145.pub3 www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Fatigue ist eine wesentliche Folge von Tumorerkrankungen und Tumortherapie, die die Lebensqualität vieler Patienten einschränkt. Sie gewinnt mit zunehmenden Therapieerfolgen und damit verbunden höherer Rate an Geheilten und Langzeitüberlebenden immer mehr an Bedeutung. Alle Bemühungen, ein wirksames Medikament zu finden, sind bisher ohne größeren Erfolg geblieben. Dagegen nehmen seit Jahren die Daten zu, dass körperliche Aktivität eine exzellente Möglichkeit bietet, die Lebensqualität unserer Patienten zu verbessern. Trotz der hohen Zahl an Studien gibt es aber einen Wermutstropfen: Viele Studien sind klein, die Endpunkte nicht einheitlich, die zusammengefasste Aussagekraft deshalb eingeschränkt. Das Konzept körperliche Aktivität gegen Fatigue macht Sinn, auch in Bezug auf unser Grundverständnis zu den Entstehungsbedingungen von Fatigue. Es muss ergänzt werden um die Botschaft, dass körperliche Aktivität auch einen positiven Effekt auf das Überleben der Patienten hat – gezeigt wurde dies für viele solide Tumoren. Was nun dringend erforderlich ist, ist eine gemeinsame Forschungsinitiative, um Wissenslücken zu schließen. Dies wurde von der Deutschen Krebshilfe mit der Ausschreibung für Forschungsprojekte initiiert. Insbesondere brauchen wir aber eine gemeinsame Strategie wie auch für Patienten mit selteneren Tumorarten geeignete Trainingsprogramme konzipiert und getestet werden können, die ihrer Tumorsituation und ihren Bedürfnissen entsprechen.


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    Interessenkonflikte: keine

    Dr. Jutta Hübner
    Leiterin Arbeitsgruppe Integrative Onkologie