Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(10): 460
DOI: 10.1055/s-0032-1329153
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Pneumologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tiotropium bei COPD: gesteigerte Lebensqualität und weniger Exazerbationen

Tiotropium for COPD: enhanced life quality and less exacerbations
C. F. Vogelmeier
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Prof. Dr. Claus Franz Vogelmeier

Publication History

Publication Date:
26 February 2013 (online)

 

    Tiotropium ist ein anticholinerger Wirkstoff, der mittlerweile einen festen Stellenwert in der Therapie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) hat und nur einmal täglich gegeben werden muss. Karner et al. werteten nun in einer Cochrane-Analyse Daten zur Wirksamkeit aus.


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    Einleitung: Nach Zahlen der WHO (World Health Organisation) steht die COPD an vierter Stelle der weltweiten Todesursachenstatistik und stellt somit eine enorme gesundheitspolitische Belastung dar. Therapeutisch können kurz- oder langwirksame Betamimetika und Anticholinergika verabreicht werden, später auch Steroide. Tiotropium gehört zu den langwirksamen Anticholinergika und führt über eine antagonistische Wirkung auf muskarinische Acetylcholinrezeptoren zu einer Bronchodilatation. Bereits in der Vergangenheit hatten sich einige systematische Übersichtsarbeiten mit Tiotropium beschäftigt, mehrere neuere Studien machten jedoch nun eine Aktualisierung nötig.

    Studien: Die Autoren suchten in Datenbanken nach randomisierten, kontrollierten Studien im Parallelgruppendesign, die bei Patienten mit COPD über mindestens 3 Monate eine Behandlung mit Tiotropium gegen Placebo testeten. Dabei war Tiotropium als Inhalativum in jeglicher Formulierung erlaubt. Primäre Endpunkte waren die Lebensqualität, Exazerbationen, Krankenhausaufnahmen und die Gesamtmortalität.

    Ergebnisse: In die Analyse gingen 22 Studien mit insgesamt 23 309 Teilnehmern ein, deren Dauer zwischen 3 Monaten und 5 Jahren variierte. Im Vergleich zu Placebo verbesserte Tiotropium die Lebensqualität signifikant (mittlere Differenz -2,89; 95%-Konfidenzintervall [KI] -3,35 bis -2,44), es steigerte die Rate an Patienten mit klinisch relevanter Verbesserung (Odds Ratio [OR] 1,52; 95%-KI 1,38–1,68) und reduzierte die Zahl von Teilnehmern mit klinisch relevanter Verschlechterung (OR 0,65; 95%-KI 0,59–0,72) der Lebensqualität. Außerdem senkte der Wirkstoff die Rate an Exazerbationen (OR 0,78; 95%-KI 0,70–0,87) mit einer „number needed to treat“ von 16 Patienten über ein Jahr, um eine solche Exazerbation zu vermeiden. Auch Klinikaufenthalte aufgrund einer Exazerbation waren unter Verum seltener (OR 0,85; 95%-KI 0,72–1,00), nicht jedoch Aufenthalte aus jeglichem Grund (OR 1,00; 95%-KI 0,88–1,13). Die Gesamtmortalität unterschied sich nicht zwischen beiden Gruppen (Peto OR 0,98; 95%-KI 0,86–1,11), allerdings zeigten sich Applikations-Unterschiede: mit einem Trockenpulverinhalator starben in der Verumgruppe weniger Patienten als in der Placebogruppe (Peto OR 0,92; 95%-KI 0,80–1,05), mit einem Vernebler verhielt es sich genau umgekehrt (OR 1,47; 95%-KI 1,04–2,08).

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Die Ergebnisse zeigen, dass Tiotropium bei Patienten mit COPD signifikant die Lebensqualität steigern und die Rate an Exazerbationen senken kann. Allerdings starben mehr Patienten, wenn ein Vernebler verwendet wurde, was zur Vorsicht gegenüber dieser Applikationsform mahnt, bis die derzeit laufenden direkten Vergleichsstudien genauere Ergebnisse liefern.

    Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen

    Originalarbeit: Karner C, Chong J, Poole P. Tiotropium versus placebo for chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 7 DOI: 10.1002/14651858.CD009285.pub2 www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Das langwirkende Anticholinergikum Tiotropium ist jetzt seit 10 Jahren auf dem Markt und hat sich in dieser Zeit als ein Eckpfeiler der Langzeittherapie der COPD etabliert. Die Cochrane-Analyse unterstützt diese Position: Auf der Basis der analysierten Studien werden für die Patienten relevante Parameter signifikant positiv beeinflusst. Insbesondere die durch Tiotropium bedingte Senkung des Exazerbationsrisikos ist angesichts der Morbidität, Mortalität und Kosten der Exazerbationen von großer Bedeutung. Tiotropium ist aber bezüglich Exazerbationen nicht nur besser als Placebo, sondern ist auf der Basis einer weiteren Cochrane-Analyse (Cochrane Database Syst Rev 2012; 9: CD009157) vielmehr auch einer Reihe von langwirkenden Betasympathomimetika überlegen, die ebenfalls zur Dauertherapie der COPD eingesetzt werden.

    Die meisten der genannten Studien wurden mit einem Pulverinhalationssystem (HandiHaler®) durchgeführt. Seit einigen Jahren wird Tiotropium auch in einem neuartigen Doppelstrahl-Impaktionsinhalator (Respimat®) angeboten. Die Cochrane-Analyse berichtet über eine potenziell gesteigerte Mortalität mit diesem System. Bislang konnten keine Befunde erhoben werden, die eine Rationale für diese Beobachtung darstellen würden. Zur endgültigen Klärung des Sachverhalts müssen die Ergebnisse einer weltweiten Mortalitätsstudie mit ca. 18 000 Patienten abgewartet werden, die noch in diesem Jahr vorliegen werden.


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    Interessenkonflikte: Der Autor erklärt, als Vortragender bei wissenschaftlichen Symposien und/oder als wissenschaftlicher Berater für Almirall, AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Chiesi, GlaxoSmithKline, Grifols, Janssen, Mundipharma, Novartis, Nycomed/Takeda fungiert zu haben.

    Prof. Dr. Claus Franz Vogelmeier