Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(13): 625
DOI: 10.1055/s-0032-1329155
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Pneumologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

COPD: Sind inhalative Kortikosteroide sinnvoll?

Inhaled steroids in COPD: are they beneficial?
C. Taube
Further Information
Prof. Dr. Christian Taube
Department of Pulmology Leiden University Medical Center

Publication History

Publication Date:
19 March 2013 (online)

 

    Die „Global Initiative for Obstructive Disease Guidelines“ (GOLD) empfehlen inhalative Kortikosteroide für Patienten mit COPD, wenn ein FEV1 < 50% und rezidivierende Exazer-bationen vorliegen. Das Cochrane-Review fasste Studien zur umstrittenen Effektivität und Sicherheit zusammen.


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    Einleitung: Inhalative Kortikosteroide (ICS) sollen die Lungenfunktion bei Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD), gemessen anhand des forcierten expiratorischen Volumens (FEV1), positiv beeinflussen. Randomisierte Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen und eine Mortalitätsabsenkung bestätigte sich nicht. Ein günstiger Effekt auf die Exazerbationsrate und die Lebensqualität standen einem erhöhten Infektionsrisiko gegenüber.

    Studien: Im Rahmen des Updates der Cochrane-Analyse von 2006 wurden 8 neue Studien aufgenommen. Insgesamt erfüllten nun 55 randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien die Einschlusskriterien. Verschiedene inhalative Kortikosteroide und unterschiedliche Dosierungen waren erlaubt. Eine bronchiale Hyperreagibilität und die Ansprechbarkeit auf kurzwirksame Beta-2-Agonisten waren keine Ausschlusskriterien. Hauptzielvariablen waren die Lungenfunktion, Mortalität, Exazerbationen und die Lebensqualität.

    Ergebnisse: 16 154 Patienten erhielten ICS oder Placebo. Die Studiendauer betrug in 18 Studien bis 2 Monate, in 17 Studien 2–6 Monate und war in 20 Studien länger als 6 Monate. Das Risiko für Datenverzerrung (Bias) wurde insgesamt gering eingeschätzt, aber viele Studien hatten ein unklares Risiko bezüglich der Randomisierungsmethode und der verdeckten Zuordnung. Eine signifikant verzögerte Abnahme der FEV1 bestand nach den Langzeitstudien mit einer Ausnahme nicht. In der allgemeinen inversen Varianzanalyse betrug die mittlere Differenz zwischen ICS und Placebo 5,8 ml/Jahr (95%-Konfidenzintervall [KI] -0,28 bis 11,88; 2333 Patienten) und in der Analyse der gepoolten Mittelwerte 6,88 ml/Jahr (95%-KI 1,80–11,96; 4823 Patienten). Die Mortalität war nicht signifikant verschieden (Odds Ratio [OR] 0,98; 95%-KI 0,83–1,16; 8 390 Patienten). ICS reduzierten die Exazerbationsrate signifikant (-0,19/Jahr; 95%-KI -0,30 bis -0,08; 2253 Patienten). Die Lebensqualität verschlechterte sich langsamer, wenn die Patienten ICS erhielten. Prädiktoren für eine positive Wirkung der ICS konnten nicht identifiziert werden. Oropharyngeale Candidosen traten bei ICS dosisabhängig häufiger auf (OR 2,65; 95%-KI 2,03–3,46; 5586 Patienten). In den Langzeitstudien nahm das Risiko für Pneumonien bei insgesamt 6235 Patienten signifikant zu (OR 1,56; 95%-KI 1,30–1,86). Negative Auswirkungen auf die Knochenmineralisierung und Frakturrate wurden nicht nachgewiesen.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Inhalative Kortikosteroide beeinflussten die FEV1 und die Mortalität bei Patienten mit COPD nicht. Sie verlangsamten jedoch die Verschlechterung der Lebensqualität und reduzierten die Exazerbationsrate. Diese positiven Effekte seien gegen die erhöhte Infektionsgefahr abzuwägen. Welche Patienten profitieren, welche klinischen und biologischen Faktoren Prädiktoren sind, ob langfristige Nebenwirkungen auftreten und welche Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht, seien die wichtigsten offenen Fragen.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle

    Originalarbeit: Yang IA, Clarke MS, Sim EHA, et al. Inhaled corticosteroids for stable chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 7. DOI: 10.1002/14651858.CD002991.pub3 www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Inhalative Steroide sind der Grundstein der Therapie bei Patienten mit Asthma. Im Gegensatz dazu empfehlen aktuelle nationale und internationale Leitlinien bei Patienten mit COPD den Einsatz von Bronchodilatatoren als Basis der medikamentösen Therapie. Nur bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und häufigen Exazerbationen wird zusätzlich der Einsatz von inhalativen Steroiden empfohlen. Die Erkenntnisse aus der jetzt vorliegenden Cochrane Analyse von Yang et al. bestärken diese Empfehlungen. Die Analyse der verschiedenen Studien zeigt einen klaren Effekt von inhalativen Steroiden auf die Reduktion von akuten Exazerbationen in dieser Patientengruppe. In Bezug auf andere Parameter wie Mortalität oder Progression der Erkrankung zeigt die Behandlung mit inhalativen Steroiden keinen Effekt. Dies bedeutet für den klinischen Alltag, dass eine Behandlung von Patienten mit COPD mit dem Einsatz von Bronchodilatatoren beginnen sollte. Kommt es trotz dieser Behandlung zu Exazerbationen, ist es möglich, zusätzlich ein inhalatives Steroid einzusetzen. COPD ist eine chronische Erkrankung, die in unterschiedlicher Ausprägung (Phänotypen) auftreten kann. Ein Phänotyp, der dabei identifiziert werden kann, umfasst Patienten mit häufigen Exazerbationen (Hurst et al. NEJM 2013; 363: 1128–1138). Gerade bei diesen Patienten ist der Einsatz eines inhalativen Steroids eine sinnvolle Erweiterung der Therapie zur Vermeidung von Exazerbationen.


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    Interessenkonflikte: C. Taube erklärt, als Berater/Referent für die Firmen Almirall, Chiesi, Astra Zeneca, Boehringer Ingelheim, GlaxoSmithKline und Novartis tätig zu sein.

    Prof. Dr. Christian Taube
    Department of Pulmology Leiden University Medical Center