Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(27): 1396
DOI: 10.1055/s-0032-1329157
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Infektiologie – Pharmakologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antibiotika: Sind kontinuierliche Infusionen effektiver?

Antibiotics: are continuous infusions more effective?
E. C. Reisinger
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Prof. Dr. Emil C. Reisinger
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin Abteilung für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten, Universitätsmedizin Rostock

Publication History

Publication Date:
25 June 2013 (online)

 

    Zunehmende Multiresistenzen und der Mangel an neuen Antibiotika erschweren die Behandlung gravierender bakterieller Infekte und veranlassen zu Versuchen, neue Therapiestrategien zu entwickeln. Shiu et al. verglichen Dauer- mit intermittierenden Applikationen.


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    Einleitung: Die Standardanwendung von Antibiotika besteht in der mehrfach täglichen Infusion über jeweils 30–60 min. Die pharmakodynamische Vielfalt der Substanzen mit konzentrations- oder zeitabhängiger Wirkung wird bei den Therapieintervallen berücksichtigt. Studien ergaben Hinweise, dass die antibakterielle Wirkung durch eine kontinuierliche Applikation gesteigert werden könnte.

    Studien: Die Autoren analysierten randomisierte Open-label- und verblindete Parallelgruppenstudien mit an schweren bakteriellen Infekten erkrankten Patienten. Sie verglichen die Behandlungsergebnisse der intermittierenden mit der kontinuierlichen Antibiotikainfusion (3–24 Stunden) und unterschieden nach dem pharmakologischen Typ (zeit- und konzentrationsabhängige Wirkung). Primäre Endpunkte waren Gesamtmortalität und Rezidivrate während der ersten 14 Tage nach Beendigung der Therapie. Sekundäre Endpunkte waren Heilungsraten, Häufigkeit von Superinfektionen und Nebenwirkungen.

    Ergebnisse: 29 Studien erfüllten die Einschlusskriterien. Darunter waren 19 Untersuchungen mit Intensivpatienten. Insgesamt über 1600 Patienten hatten die unterschiedlichsten Infekte, am häufigsten waren Pneumonien und Septikämien. Zahlreiche, unterschiedliche Erreger wurden nachgewiesen und ebenso zahlreiche Antibiotika eingesetzt. Für alle Studien bestand ein erhöhtes Risiko für eine Datenverzerrung (Bias; u.a. unklare Zuordnung, Verblindung, Umgang mit unvollständigen Patientendaten). Die Gesamtmortalität unterschied sich nicht signifikant zwischen kontinuierlicher und intermittierender Antibiotikagabe (1241 Patienten; Relatives Risiko [RR] 0,89; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,67–1,20; p = 0,45). Die Rückfallrate (398 Patienten; RR 1,22; 95%-KI 0,35–4,19; p = 0,76) und die Heilungsrate (975 Patienten; RR 1,00; 95%-KI 0,93–1,08; p = 0,98) unterschieden sich nicht signifikant. Superinfektionen nach Abschluss der Antibiotikabehandlung, relevante Nebenwirkungen und komplikationsbedingte Therapieabbrüche traten in vergleichbarer Häufigkeit auf. In Subgruppenanalysen von Patienten mit septischen Krankheitsbildern ergaben sich Vorteile für die intermittierende Infusion. Jedoch waren die Ergebnisse u.a. wegen der unterschiedlichen Kriterien für eine Sepsis und für eine Heilung nicht sicher beurteilbar.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Die kontinuierliche Infusion von Antibiotika hatte bei Patienten mit schweren bakteriellen Infektionen keine Vorteile gegenüber der intermittierenden Gabe. Die unsichere Evidenzlage lasse aber eine abschließende Beurteilung nicht zu. Prospektive randomisierte Studien, die u.a. pharmakokinetische und pharmakodynamische Analysen einschließen sollten, seien erforderlich. Eine Änderung der Standardapplikation mit intermittierenden Infusionen sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht angezeigt.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle

    Originalarbeit: Shiu J, Wang E, Tejani AM, Wasdell M. Continuous versus intermittent infusions of antibiotics for the treatment of severe acute infections. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 3. DOI: 10.1002/14651858.CD008481.pub2 www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Die üblichen Dosierungen von Antibiotika berücksichtigen nicht nur die direkte Wirksamkeit, sondern auch den postantibiotischen Effekt, der die geschädigten Bakterien am Weiterwachsen gegebenenfalls bis zur nächsten Dosis hemmt. Damit ergibt die 3–4 × tägliche Dosierung der meisten β-Laktam-Antibiotika nahezu eine kontinuierliche antibiotische Wirksamkeit, weshalb in der vorliegenden Cochrane-Analyse aus den gepoolten Ergebnissen (verschiedene Antibiotika, unterschiedliche Tagesdosis, unterschiedliche Entitäten) auch kein Vorteil der kontinuierlichen gegenüber der intermittierenden Therapie zu erfassen war. Die Subgruppenanalyse dieser Cochrane-Analyse und weitere Publikationen lassen dennoch Unterschiede zwischen intermittierender und kontinuierlicher Antibiotikagabe erwarten, z.B. bei schwach empfindlichen Keimen (mit relativ hoher minimaler Hemmkonzentration, MHK), bei Patienten mit Sepsis und bei häufig rezidivierenden Infektionen (Trauner et al. Gut 1995; 37: 136–139). Um diese Unterschiede ggf. klar erkennen zu können, müssten jedoch bei gut definierten Krankheitsbildern dieselben Antibiotika auch in äquivalenten Tagesdosen verglichen werden. Bei Patienten mit Sepsis ist aus heutiger Sicht die frühzeitige Aufsättigung mit adäquaten Antibiotika für das Überleben der Patienten von großer Bedeutung (Kumar et al. Chest 2009; 136: 1237–1248), der Vorteil einer kontinuierlichen Antibiotikagabe ist noch nicht bewiesen.


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    Interessenkonflikte: keine

    Prof. Dr. Emil C. Reisinger
    Klinik und Poliklinik für Innere Medizin Abteilung für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten, Universitätsmedizin Rostock