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DOI: 10.1055/s-0032-1329158
Pathogen-inaktivierte Thrombozytenkonzentrate ohne Nachteil?
No disadvantage of pathogen-reduced platelets?Wie bei allen Blutprodukten besteht bei Thrombozyten-konzentraten die Gefahr von Infektionen, was durch UV-basierte Maßnahmen verhindert werden soll. Butler et al. gingen nun der Frage nach, ob dies die Funktions-tüchtigkeit der Plättchen beeinträchtigt.
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Einleitung: Trotz großer Fortschritte bei Screening und Laboruntersuchungen von Thrombozytenkonzentraten besteht immer noch ein Restrisiko für eine Übertragung von Infektionskrankheiten. Eine Möglichkeit, dieses Risiko zu reduzieren, ist die photochemische Inaktivierung von Pathogen, bei der mögliche Pathogene entweder inaktiviert oder in ihrer Zahl beträchtlich reduziert werden. Mehrere Studien hatten in der Vergangenheit aber Bedenken darüber geäußert, ob diese Behandlung der Funktionstüchtigkeit der Thrombozyten schaden könnte.
Studien: Die Autoren suchten in verschiedenen medizinischen Datenbanken nach randomisierten kontrollierten Studien, die bei Transfusionen von Thrombozytenkonzentraten Pathogen-inaktivierte mit herkömmlichen Konzentraten verglichen. Primäre Endpunkte waren hierbei Anzahl, Art und Schwere von Blutungsepisoden sowie die Gesamtmortalität, sekundäre Endpunkte unter anderem Komplikationen und Nebenwirkungen.
Ergebnisse: In das Cochrane-Review wurden 10 Studien mit insgesamt 1422 Patienten eingeschlossen. 9 Studien untersuchten Konzentrate, die durch Intercept® Pathogen-inaktiviert wurden und eine Studie bewertete Mirasol®-Pathogen-inaktivierte Konzentrate. Die primären Endpunkte unterteilten sie gemäß der Dauer des Beobachtungszeitraums in kurzfristig (≤ 48 Std.), mittelfristig (48 Std.–7 d) und langfristig (≥ 7 d). Die Daten einer Metaanalyse von 5 Studien mit mehrfachen Transfusionen ergab im Fixed-Effects-Modell eine Zunahme von Blutungen bei Patienten, die Pathogen-inaktivierte Konzentrate erhalten hatten (relatives Risiko [RR] 1,09; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,02–1,15), was allerdings nicht für das Random-Effects-Modell galt (RR 1,14; 95%-KI 0,93–1,38). Bezüglich der Rate von Patienten mit klinisch relevanten Blutungen (RR 1,06; 95%-KI 0,93–1,21) oder ernsten Blutungen (RR 1,27; 95%-KI 0,76–2,12) fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Behandlungsarmen. Das Gleiche galt auch für die Gesamtmortalität, akute Transfusionsreaktionen, Nebenwirkungen generell, ernsthafte Nebenwirkungen und Transfusionsbedürftigkeit von Erythrozytenkonzentraten. Obwohl Funktionsstörungen der Thrombozyten in den Studien unterschiedlich definiert waren, war das relative Risiko hierfür nach Transfusion Pathogen-inaktivierter Thrombozyten 2,74-fach höher (95%-KI 1,84–4,07). Außerdem benötigte diese Gruppe 7% mehr Transfusionen (mittlere Differenz 0,07; 95%-KI 0,03–0,11) .
Bezüglich Mortalität, klinisch relevanten oder schweren Blutungen, Transfusionsreaktionen und Nebenwirkungen zeigten sich zwischen herkömmlichen und Pathogen-inaktivierten Thrombozytenkonzentraten keine signifikanten Unterschiede. Aufgrund von Limitationen bei Studiengröße und -design ist die Evidenz jedoch nicht ausreichend, um sicher sein zu können, dass Pathogen-reduzierte Thrombozytenkonzentrate in der Blutungsprävention genauso effektiv sind wie herkömmliche.
Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen
Originalarbeit: Butler C, Doree C, Estcourt LJ et al. Pathogen-reduced platelets for the prevention of bleeding. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 3 DOI: 10.1002/14651858.CD009072.pub2 www.thecochranelibrary.com
Blutspenden sind in Deutschland sehr sicher (z.B. Restrisiko für HIV-Übertragung 1:5 Mio.). „Neue Erkrankungen“ (SARS, West-Nil-Virus), Malaria oder Parasiten können z.B. nach Fernreisen in Europa auftreten. Eine bakterielle Kontamination kann besonders für Thrombozytenkonzentrate problematisch sein. Zur Pathogenreduktion stehen verschiedene UV-basierte Verfahren zur Verfügung: Intercept (Cerus, USA) verwendet zusätzlich Psoralen, welches später fast vollständig entfernt wird, Mirasol (Terumo-BCT, USA) Vitamin B2, das nicht entfernt werden muss. Nachweislich werden Viren um 5–6 Log-Stufen reduziert. Pathogenreduktion kann diverse Bakterien und Parasiten deutlich (ggf. nur vorübergehend) abreichern. Sie kann die γ-Bestrahlung zur Vermeidung von GvHD (Graft-versus-Host-Reaktion) bei immunsupprimierten Patienten ersetzen. Wie auch eigene In-vitro-Studien zeigten, kann Pathogenreduktion die Thrombozytenfunktion in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigen (Picker et al., Transfus Med 2010; 37: 7–12). Die klinische Relevanz wird international derzeit in Studien untersucht. In Deutschland ist bisher nur das Intercept®-Verfahren beim Paul-Ehrlich-Institut zugelassen, dessen Restsubstanz Psoralen wg. eventueller Langzeitwirkung jedoch umstritten ist. Belgien, Frankreich, Polen, Schweiz und Spanien haben die Pathogenreduktion mit Intercept® u./o. Mirasol® (teils) eingeführt und eine grundsätzlich gute Verträglichkeit berichtet. Eine Verbesserung der infektiologischen Sicherheit wird ggf. mit einer Verringerung der Wirksamkeit (geringere Thrombozytenzahlen, häufigere Transfusionen) „erkauft“. Für die wissenschaftlich begleitete Erprobung der Pathogenreduktion wären die Verfügbarkeit mehrerer Verfahren und die Refinanzierung der deutlich erhöhten Herstellungskosten (s. Votum der Fachgesellschaften DGHO und DGTI) in Deutschland dringend erforderlich.
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Interessenkonflikte: Die Autorin erklärt, Studien mit Intercept® und Mirasol® durchgeführt und hierfür Drittmittelgelder der Hersteller erhalten zu haben.