Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(38): 1877
DOI: 10.1055/s-0032-1329164
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Gastroenterologie
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Morbus Crohn: Kein Vorteil durch Azathioprin und 6-Mercaptopurin?

Crohn's Disease: No advantage by azathioprine and 6-mercaptopurine
S. Schreiber
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Prof. Dr. S. Schreiber
Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel

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Publication Date:
10 September 2013 (online)

 

    Klinische Studien zur Wirksamkeit von 6-Mercaptopurin und Azathioprin in der Behandlung des aktiven M. Crohn kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Chande et al. legten daher nun ein Update ihres 2010 veröffentlichten Cochrane-Reviews vor.


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    Einleitung: Die Purinanaloga Azathioprin und 6-Mercaptopurin werden eingesetzt, um Patienten mit aktivem, steroidrefraktärem und steroidabhängigem Morbus Crohn zu behandeln. Unkontrollierte Studien legten einen Nutzen von Azathioprin nahe, doch placebokontrollierte Studien lieferten widersprüchliche Ergebnisse.

    Studien: In die Analyse eingeschlossen wurden Studien, die bei erwachsenen Patienten mit aktivem Morbus Crohn Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin mit Placebo oder einer aktiven Therapie verglichen. Endpunkte waren dabei die klinische Remission, eine klinische Verbesserung, die Besserung oder Abheilung von Fisteln, die Einsparung von Steroiden und Nebenwirkungen.

    Ergebnisse: Von 13 Studien (1211 Patienten) dienten in 9 Studien Placebo und in 6 Studien aktive Wirkstoffe als Vergleichsmedikation. Die Rate klinischer Remissionen war zwischen Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin und Placebo nicht signifikant verschieden: 48% (95/197) der Patienten, die Antimetabolite erhielten, erzielten eine Remission, verglichen mit 37% (68/183) der Placebopatienten (Relatives Risiko [RR] 1,23; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,97–1,55). Auch bezüglich einer klinischen Verbesserung fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin und Placebo (48% vs. 36%; RR 1,26; 95%-KI 0,98–1,62). Jedoch konnten 64% (47/163) der Patienten unter Azathioprin ihre Steroiddosis reduzieren, verglichen mit 46% (32/70) unter Placebo (RR 1,34; 95%-KI 1,02–1,77). Ernsthafte Nebenwirkungen traten unter Azathioprin bei 14% der Patienten auf, verglichen mit 4% unter Placebo (RR 2,57; 95%-KI 0,92–7,13). Unter den häufigsten berichteten unerwünschten Wirkungen waren allergische Reaktionen, Leukopenien, Pankreatitiden und Übelkeit. In der Induktion einer steroidfreien Remission war Azathioprin Infliximab signifikant unterlegen (30% vs. 44%; RR 0,68; 95%-KI 0,51–0,90). Dagegen erwies sich die Kombination aus Azathioprin und Infliximab gegenüber Infliximab alleine als signifikant wirksamer bezüglich der Induktion einer steroidfreien klinischen Remission (60% vs. 48%; RR 1,23; 95%-KI 1,02–1,47). Eine Therapie mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin war diesbezüglich nicht signifikant wirksamer als eine Behandlung mit Methotrexat (RR 1,13; 95%-KI 0,85–1,49) und 5-Aminosalicylat oder Sulfasalazin (RR 1,24; 95%-KI 0,80–1,91).

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Azathioprin und 6-Mercaptopurin bieten bei Patienten mit aktivem Morbus Crohn bezüglich der Induktion einer Remission oder klinischen Verbesserung keinen signifikanten Vorteil gegenüber Placebo. Allerdings scheint die Therapie mit Antimetaboliten Patienten dabei zu helfen, Steroiddosen zu verringern. Azathioprin ist Infliximab bei der Induktion einer steroidfreien Remission unterlegen, jedoch zeigt die Kombination aus Azathioprin und Infliximab gegenüber Infliximab alleine eine bessere Wirksamkeit.

    Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen

    Originalarbeit: Chande N, Tsoulis DJ, MacDonald JK. Azathioprine or 6-mercaptopurine for induction of remission in Crohn's disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 4. DOI: 10.1002/14651858.CD000545.pub4 www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Azathioprin und 6-Mercaptopurin sind wesentliche Medikamente im Therapiealgorithmus des Morbus Crohn, obwohl die Wirkung nie durch große Zulassungsstudien belegt wurde. Die Cochrane-Analyse zeigt die Gefahren und Empfehlungen aufgrund des „erlebten“ therapeutischen Vorteils. Im Rahmen der Meta-Analyse haben Azathioprin und 6-Mercaptopurin keine messbare Wirkung auf die Krankheitsaktivität. Da zugleich auch Nebenwirkungen verstärkt dokumentiert wurden, sollte der Einsatz nur nach einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen.


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    Interessenkonflikte: keine

    Prof. Dr. S. Schreiber
    Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel