Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(05): 178
DOI: 10.1055/s-0032-1329177
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Infektiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Immunglobuline in der Therapie der Sepsis und des septischen Schocks

Treatment of sepsis and septic shock with Immunoglobulins
U. Janssens
Further Information
Prof. Dr. Uwe Janssens
Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin
St.-Antonius-Hospital, Eschweiler

Publication History

Publication Date:
21 January 2014 (online)

 

    Trotz des Einsatzes von Antibiotika ist die Mortalität durch Sepsis oder septischen Schock sehr hoch. Einige Studien untersuchen alternative Agenzien. Einer dieser Therapie-ansätze setzt Immunglobuline zur Unterstützung der Immunabwehr ein.


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    Einleitung: Die deutschen S2-Leitlinien zur Sepsis von 2010 führen die Therapie mit Immunglobulinen unter „Adjunktive Therapie“ auf und bewerten diese sehr zurückhaltend. Auch Alejandria et al. konstatierten dazu widersprüchliche Studienergebnisse und legen deshalb nun ein zweites Update des Cochrane-Reviews zu diesem Thema von 1999 vor.

    Studien: Neben dem Cochrane-Studienregister durchsuchten die Autoren die Datenbanken von MEDLINE und EMBASE und schlossen 43 randomisierte, kontrollierte Studien in das Review ein. Davon verwendeten 25 Studien herkömmliches polyklonales Immunglobulin (17 Studien bei Erwachsenen; n=1958 und 8 Studien bei Neugeborenen; n=3831). In den übrigen 18 Studien (n=13 413) kam monoklonales Immunglobulin zum Einsatz. Wegen erheblicher Heterogenität von Studien mit polyklonalen und monoklonalen Immunglobulinen unterblieb eine gepoolte Analyse.

    Ergebnisse: Eine Subgruppenanalyse von 10 Studien mit polyklonalem Immunglobulin (n=1430) und 7 Studien mit IgM-angereichertem polyklonalem Immunglobulin (n=528) zeigte eine statistisch signifikante Reduktion der Mortalität im Vergleich zu Placebo (relatives Risiko [RR] 0,81; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,70–0,93) oder ohne Intervention (RR 0,66; 95%-KI 0,51–0,85). Bei Neugeborenen errechnete sich dagegen für diese beiden Immunglobulinklassen keine statistisch signifikante Senkung der Mortalität (RR 1,00; 95%-KI 0,92–1,08; n=3667 bzw. RR 0,57; 95%-KI 0,31–1,04; n=164). Die Auswertung nur erstklassiger Studien mit sehr niedrigem Bias-Risiko ergab für polyklonale Immunglobuline sowohl bei Erwachsenen als auch bei Neugeborenen keine statistisch signifikanten Ergebnisse (RR 0,97; 95%-KI 0,81–1,15; n=945 bzw. RR 1,01; 95%-KI 0,93–1,09; n=3561). Anti-Endotoxin-Antikörper führten ebenfalls nicht zu einer statistisch signifikanten Reduktion der Mortalität (RR 0,99; 95%-KI 0,91–1,06; n=4671), während diese mit Anti-Zytokinen geringfügig vermindert werden konnte (RR 0,92; 95%-KI 0,86–0,97; n=7893).

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Obwohl die Gesamtauswertung eine signifikante Senkung der Mortalität durch polyklonale Immunglobuline zeigt, lässt sich diese in Studien mit geringem Bias-Risiko nicht bestätigen. Bei Neugeborenen besteht nach Einbeziehung einer neuen großen Studie Evidenz, dass die adjunktive Therapie der Sepsis mit polyklonalen Immunglobulinen die Mortalität nicht senkt. Hinsichtlich der Gabe von IgM-angereicherten Immunglobulinen sehen die Autoren wegen der nur kleinen Studien weder bei Erwachsenen noch bei Neugeborenen einen belastbaren Nachweis eines Nutzens. Die adjunktive Therapie der Sepsis mit Immunglobulinen bleibe experimentell.

    Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

    Originalarbeit: Alejandria MM et al. Intravenous immunoglobulin for treating sepsis, severe sepsis and septic shock. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 9. DOI: 10.1002/14651858.CD001090.pub2. www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Die Krankenhaussterblichkeit der schweren Sepsis inklusive des septischen Schocks liegt in Deutschland einer Prävalenzstudie des SepNet zufolge bei 55,2% (Engel et al. Int Care Med 2007; 33: 606). Die Kreislaufstabilisierung steht neben einer möglichst frühen Antibiotikagabe als „early goal directed therapy“ im Vordergrund. Immer wieder wurde in Studien der Versuch unternommen, durch Immunglobuline als adjunktive Sepsistherapie eine weitere Prognoseverbesserung nachzuweisen. Im vorliegenden, hervorragenden Cochrane-Review zeigen die Autoren zweifelsfrei, dass zum jetzigen Zeitpunkt der Einsatz von Immunglobulinen keinen Vorteil bietet. Die qualitative und quantitative Bewertung der einzelnen Studien und die Abtrennung methodisch schwacher Studien aus der Analyse erlaubt diese klare und nachvollziehbare Schlussfolgerung der Autoren. Angesichts der immensen Therapiekosten durch Immunglobuline sollten bei der Planung zukünftiger Studien Kosten-Effektivitäts-Analysen im Studienprotokoll zusätzlich fest verankert werden. Die additiven Kosten durch Immunglobuline werden dabei dem möglicherweise erzielten Zugewinn an Lebensjahren als sogenannte qualitätsbereinigte Lebensjahre gegenübergestellt. Außerhalb von Studien ist der Einsatz der untersuchten Immunglobuline derzeit nicht gerechtfertigt.


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    Interessenkonflikte: keine

    Prof. Dr. Uwe Janssens
    Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin
    St.-Antonius-Hospital, Eschweiler